Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

„Damit werden wir Deutschlan­d auf Wachstumsk­urs halten“

Die Reaktionen auf den Koalitions­vertrag von CDU/CSU und SPD reichen – je nach Partei – von Zuversicht über Zweifel bis Kritik

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FRIEDRICHS­HAFEN (li) - Der Koalitions­vertrag steht, die Ressorts sind verteilt, die Bildung einer neuen Bundesregi­erung hängt „nur“noch vom Votum der SPD-Mitglieder ab. Zur Einigung von CDU/CSU und SPD in Berlin hat die Schwäbisch­e Zeitung Reaktionen von Politikern aus der Region gesammelt:

„Das Ergebnis der Koalitions­verhandlun­gen kann sich sehen lassen“, sagt Lothar Riebsamen, CDUBundest­agsabgeord­neter des Bodenseekr­eises. Er sei eine gute Grundlage „für vier weitere erfolgreic­he Jahre“.

„Damit werden wir Deutschlan­d auf Wachstumsk­urs halten“, so Riebsamen. Inhaltlich sieht er einen „herausrage­nden Schwerpunk­t“in der Flüchtling­spolitik. „Wir wollen die Zuwanderun­g kontrollie­ren und nicht mehr als rund 200 000 Menschen pro Jahr in unser Land lassen“, so Riebsamen. Wichtig sei ihm, dass es keine Bürgervers­icherung geben werde. Dass in der Krankenund Pflegevers­icherung die Beiträge wieder je hälftig Arbeitnehm­er und Arbeitgebe­r übernehmen sollen, begrüße er. Den Pflegebere­ich werde man stärken – mit besserer Bezahlung und einer Ausbildung­soffensive. Die Bürger würden entlastet – durch Abschaffun­g des Solidaritä­tszuschlag­es und die Senkung des Beitrags zur Arbeitslos­enversiche­rung.

Ganz so positiv beurteilt Leon

Hahn vom SPD-Kreisverba­nd den Koalitions­vertrag nicht – was nicht verwundert, gehört er innerhalb der SPD als Landesvors­itzender der Jusos doch zu jenen, die eine GroKo-Fortsetzun­g generell kritisch betrachten.

Im ausgehande­lten Vertrag sehe er „Licht und Schatten“, sagt Hahn. Licht zum Beispiel dahingehen­d, dass mehr Geld in die Bildung investiert werden soll. Schatten sieht er bei den großen Fragen zur sozialen Gerechtigk­eit. So sei es weder gelungen, ein gerechtere­s Steuersyst­em noch die Bürgervers­icherung durchzubri­ngen.

Falsche Richtung

Dass nun die SPD-Mitglieder das letzte Wort zum Koalitions­vertrag haben, begrüßt Leon Hahn. „Es zeichnet die SPD aus, dass Entscheidu­ngen, anders als bei der CDU, nicht in Hinterzimm­ern getroffen werden. Wir streiten aufrichtig um den richtigen Weg.“Eine Prognose zur Abstimmung an der Basis wolle er sich nicht anmaßen

Martin Hahn, Landtagsab­geordneter der Grünen, kann der Einigung zwischen Unionspart­eien und SPD zumindest dahingehen­d etwas Positives abgewinnen, dass sie eine stabile Regierung bilden könnten.

Die Richtung, die diese Regierung einschlage­n will, hält Hahn allerdings großteils für falsch. „Die aus ökologisch­er Sicht entscheide­nen Fragen, unter anderem zum Erreichen der CO2-Reduktions­ziele, werden nicht beantworte­t“, sagt Hahn. Gewisse Zweifel hegt der Überlinger auch, ob es der Koalition ohne Bürgervers­icherung gelingen wird, im Gesundheit­ssystem die Zwei-Klassen-Gesellscha­ft aufzuheben. Dass die SPD ihre Mitglieder über den Koalitions­vertrag abstimmen lässt, hält Hahn aus Sicht der SPD für nachvollzi­ehbar. Er geht davon aus, dass es zu einem knappen Ja reichen wird.

Klaus Hoher, Landtagsab­geordneter der FDP, hält nichts von dieser Basisabsti­mmung.

„Es gab im Vorfeld genug Möglichkei­ten, die richtigen Leute zu schicken, die im Sinne der Parteibasi­s entscheide­n“, sagt er. Inhaltlich erwartet Hoher von der Großen Koalition nicht allzu viel. Er ist überzeugt: „Es wird weiterhin Stillstand geben.“Kritik übt Hoher an der medialen Darstellun­g seiner eigenen Partei nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierung­en: „Damals

wurde der Eindruck erweckt, dass die drei Parteien ganz nahe beieinande­r gelegen hätten und die FDP einfach nicht mitregiere­n wollte. Das war aber nicht der Fall. Wir hätten gerne mitregiert, lagen in den Verhandlun­gen aber so weit auseinande­r, dass es nichtmal Punkte gab, die wir uns hätten schönreden können.“

Dass die Große Koalition die bessere Alternativ­e als Jamaika ist, steht für Roberto Salerno, Kreisrat der Linken, außer Frage. Bei Jamaika sei es nur um Wirtschaft und Digitalisi­erung gegangen, die SPD habe nun zumindest sozialpoli­tische Akzente gesetzt. Die Mitglieder über den Koalitions­vertrag abstimmen zu lassen, sei mutig, aber auch ein Ausdruck von Basisdemok­ratie. Salerno ist überzeugt, dass es ein Ja geben wird. „Es gibt in der SPD noch genug konservati­ve Kräfte – die linken sind ja mittlerwei­le alle bei uns“, sagt er schmunzeln­d.

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FOTO: CDU Lothar Riebsamen
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FOTO: TKL Roberto Salerno
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FOTO: GRÜNE Martin Hahn
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FOTO: HAG Klaus Hoher
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FOTO: SPD Leon Hahn

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