Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Hermann reagiert skeptisch
Finanzierung des Gratis-Bus-Konzepts sei ungeklärt
RAVENSBURG (mws/dpa) - Der Vorstoß der Bundesregierung für kostenlose Busse und Bahnen im Kampf gegen zu schmutzige Luft in deutschen Städten stößt bei BadenWürttembergs Verkehrsminister Winfried Hermann auf Skepsis. Der Grünen-Politiker kritisiert vor allem die ungeklärte Finanzierung. „Ich nehme an, der Bund hat sich gedacht, wir schlagen es vor und die anderen zahlen es. Das funktioniert nicht“, sagte er der „Schwäbischen Zeitung“. Hermann geht nicht davon aus, dass die EU durch diesen Vorstoß von ihrer geplanten Klage gegen Deutschland absieht. „Ich glaube, dass die Kommission sich davon nicht beeindrucken lässt.“
Regierungssprecher Steffen Seibert machte deutlich, dass es um „zeitweilige“Gratis-Angebote in Kommunen gehe, die unterstützt werden könnten. Angaben zu Zeitplänen, Kosten und der Umsetzung machte er aber nicht.
BERLIN (dpa) - Der Vorstoß der Bundesregierung für kostenlose Busse und Bahnen im Kampf gegen schmutzige Luft in deutschen Städten stößt auf breite Skepsis. Verkehrsverbünde und Kommunen verwiesen auf eine ungeklärte Finanzierung und verlangten einen stärkeren Ausbau des Nahverkehrsangebots. Regierungssprecher Steffen Seibert machte deutlich, dass es um „zeitweilige“Gratisangebote in Kommunen gehe, die unterstützt werden könnten. Angaben zu Zeitplänen, Kosten und der Umsetzung in bestimmten Städten wurden nicht gemacht.
Der Deutsche Städtetag nannte die Überlegungen angesichts andauernder Grenzwert-Überschreitungen „etwas hilflos“. Kostenloser Nahverkehr sei „wahrscheinlich nicht zu bezahlen“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. „Und ich glaube auch nicht, dass die Bundesregierung das bezahlen will.“Der Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter kritisierte, die Regierung habe einen Testballon gestartet, sei aber bereits wieder zurückgerudert. Es gehe darum, das Angebot auszubauen, das „Ticketchaos“zu lichten und Busse und Bahnen für Schüler und Jugendliche in ganz Deutschland kostenfrei zu machen.
Seibert sagte, es solle alles dafür getan werden, die Luftqualität zu verbessern und Diesel-Fahrverbote zu vermeiden. In einem Schreiben an die EU-Kommission seien zusätzliche Maßnahmen für Kommunen dargelegt worden. Nun werde eine Bewertung aus Brüssel abgewartet. Hintergrund ist eine drohende Klage der Kommission beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen Deutschland wegen unzureichender bisheriger Bemühungen.
Ein Sprecher des Umweltministeriums sagte, der Vorschlag solle eine Diskussion anstoßen und ein Signal geben, dass die Regierung zu einer Erweiterung des „Gestaltungsspielraums“der Kommunen bereit sei. So könnten Städte „ein vorübergehendes Gratisangebot“etwa dann machen, wenn die Luftbelastung höher ist. Er verwies auf Tübingen, wo Busse seit Kurzem samstags gratis sind. In einem Brief an EU-Umweltkommissar Karmenu Vella hatte die Bundesregierung einen kostenlosen ÖPNV genannt, um die Zahl der Autos in Städten zu verringern – aber ohne die Einschränkung, dass es sich um temporäre Maßnahmen handeln solle.
Alternative zum Auto
Der Autofahrerclub ADAC betonte, leichter umsetzbar als kostenloser ÖPNV wären einfache, günstige Tarife und zuverlässige Takte, um Pendlern eine interessante Alternative zum Auto zu bieten. „Hier muss der Bund mitinvestieren, das hilft auch den Städten bei der Luftreinhaltung“, sagte Vizepräsident Ulrich Klaus Becker. Der Geschäftsführer des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV), Knut Ringat, sagte, öffentlicher Nahverkehr könne nie wirklich kostenlos sein. Vielmehr gehe es darum, ob etwa die Steuerzahler Erlöse aus dem Fahrscheinverkauf übernähmen. „Diese Frage sollte mit dem Steuerzahler öffentlich diskutiert werden und nicht per Brief aus Brüssel den betreffenden Städten zur Kenntnis gegeben werden.“Mit dem Status quo der Verkehrswege sei GratisÖPNV nicht bewältigbar.
Der umweltpolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Carsten Träger, begrüßte die Idee der Regierung. „Der Vorschlag ,Nulltarif für Busse und Bahnen’ ist eine kraftvolle Idee.“Folgen müssten nun aber detaillierte Konzepte in Abstimmung mit Ländern und Kommunen.
Die Bundesregierung hatte der EU-Kommission auch noch andere Maßnahmen vorgestellt, darunter einen bereits auf den Weg gebrachten Milliardenfonds für bessere Luft in
Städten. Außerdem sollen „bei Bedarf “Städte unterstützt werden, wirksame Verkehrsregeln auf den Weg zu bringen. Für Schwerlaster solle es „Niedrigemissionszonen“geben. Seibert sagte, es sei Aufgabe der künftigen Regierung, die Vorschläge so schnell wie möglich umzusetzen.