Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Vom Bauen und den Frauen
Narren nehmen beim Dreckkübelgschwätz das Markdorfer Stadtgeschehen aufs Korn
MARKDORF - Ohne die Geistlichkeit wäre die Markdorfer Fasnet vielleicht verloren. Diesen Eindruck kann zumindest derjenige bekommen, der beobachtet, wer am Fasnetsdienstag in den Dreckkübel der Historischen Narrenzunft in der Stadthalle steigt. Mit dem katholischen Pfarrer Ulrich Hund, Vikar Johannes Treffert, Dekan Peter Nicola und dem evangelischen Pfarrer Tibor Nagy konnte Moderator Dietmar Bitzenhofer gleich vier Kirchenvertreter auf die Bühne bitten.
Dass Pfarrer Ulrich Hund in der Bütt eine super Figur macht, hat sich längst über Markdorfs Ortsgrenzen hinaus herumgesprochen. Als alter Kübel-Hase war er trotz „fasnächtlicher Stimme“zuerst an der Reihe. Mit Helm und Leuchtweste als Bauarbeiter verkleidet, knüpfte er sich die vielen Baustellen in der Stadt vor. In der Mittleren Kaplanei, die bald fertig renoviert ist, könnte „eine Wohnung für den Herrn Schalski“eingerichtet werden, sagte er. Denn dieser könne nur als Markdorfer sein Vorhaben umsetzen, ein Bürgerbegehren gegen den geplanten Umzug des Rathauses in die Wege zu leiten. „Wenn ich mit der Mittleren Kaplanei fertig bin, kann ich gleich mit dem Heggbacher Hof weitermachen“, sagte Hund. Ein Trost für dessen Eigentümer, den Bauträger Betz und Weber: Auch in der katholischen Kirche gebe es Veränderungssperren.
Angie Ummenhofer erschien als US-Präsident Donald Trump im Dreckkübel. Als Milliardär, der sein Geld in der Immobilienbranche verdiente, freute sich der falsche Trump für Markdorfs Bürgermeister Georg Riedmann: In der Mangoldstraße gebe es jetzt auch Trump Towers. „Sieht ein bisschen aus wie Alcatraz“, sagte Ummenhofer mit amerikanischem Akzent. So habe der Bürgermeister jetzt ein Schloss und ein Gefängnis. „That’s great – das ist großartig“, sagte sie.
Gardetanz soll Liturgie bereichern
Verkleidet als emeritierter Papst Benedikt XVI. ließ sich Vikar Johannes Treffert stilecht mit einem Papamobil von Oberministrantin Lea Radau zur Bühne rollen. Er imitierte nicht nur die Gesten des Ex-Papstes nahezu perfekt, sondern auch den bayerisch-italienischen Klang seiner Stimme. „Deutschland ist in einem verheerenden Zustand“, lamentierte er. Dies liege an einer Strömung: den Frauen. Nicht genug damit, dass unser schönes Deutschland keinen Bundeskanzler mehr habe. Nein, jetzt bildeten sogar Angela Merkel und Andrea Nahles eine weibliche Doppelspitze. „Der Horst ist da nur noch die Anstandsdame“, sagte der emeritierte Papst.
Diese Strömung beobachte er auch in Markdorf, wo die Narrenzunft jetzt eine weibliche Chefin hat. „Es muss vor der Gefahr des Weiblichen gewarnt sein“, sagte er. Dennoch bat er die Zunftmeisterin, den Pfarrer bei den Gottesdiensten zu unterstützen. „Der Gardetanz würde die Liturgie bereichern und der Jubiläumswein soll das Leiden Christi besonders zum Ausdruck bringen.“Klar, dass Treffert für diesen Auftritt kräftigen Applaus bekam, für den er sich mit vielen „Grazie, Grazie“bedankte.
Dekan Peter Nicola richtete seinen Blick nach Salem, genauer gesagt auf die neue Mitte. „Neben das neue Rathaus würde ich eine neue Kirche stellen“, sagte er. Zunftmeisterin Birgit Beck zollte er seinen Respekt für das „neue Viertel“an der Ittendorfer Straße. Es ließe sich prima mit dem Slogan „Schöner Wohnen hinter Gittern“vermarkten. Als wahre Popstars betraten die beiden Pfarrer Ulrich Hund und Tibor Nagy gemeinsam die Bühne. Sie hatten den Hit „Despacito“umgedichtet in „Es pressiert so!“– eine von mehreren Anspielungen Johannes Treffert als Ex-Papst. auf das Zeitmanagement der Pfarrer.
Die beiden BZM-Rektorinnen Diana Amann und Veronika Elflein forderten im Dreckkübel Asyl und Narrenfreiheit für die Greteler – das weibliche Gegenstück zum Hänseler. Sie hätten zwar keine Goisel, dafür aber ein Nudelholz, sagten sie. Noah hätte auf seine Arche keine zwei Hänseler aufgenommen – nur mit einem Greteler hätte es den Segen gegeben. „Von einer Männergesellschaft haben wir die Nase voll“, sagten sie. Moderator und ExZunftmeister Dietmar Bitzenhofer konterte: „Der Hänseler und die Frauen, dem Thema müssen wir uns stellen. Aber wir haben noch 1000 Jahre Zeit.“
Manfred Weiss berichtete in einer Litanei vom Stadtjubiläum, Brigitte Waldenmaier, die Vorsitzende der Stadtkapelle, machte Werbung in eigener Sache und wies auf das 150-jährige Jubiläum hin, das die Kapelle im Sommer groß feiert. „Unterstützt eure Vereine“, sagte sie.
„Es muss vor der Gefahr des Weiblichen gewarnt sein.“Vikar Johannes Treffert als emeritierter Papst Benedikt XVI.
Rentner regt sich über alles auf
Nach drei Jahren Pause kehrte Karl Wegis aus Ittendorf in den Dreckkübel zurück. Er sinnierte über die vielfältigen Probleme des Alltags, insbesondere die des Rentners. Das Rentnerleben könne ganz schön anstrengend sein. Weil seine Mitbewohnerin – also seine Frau – nicht zufrieden war, als er nur herumhing, suchte er Aufgaben: Hobbys, eine Radtour, verschiedene Berufe. Zuletzt sei er als Koch tätig gewesen. „Im Feinschmeckerlokal Alte Stadthalle, im Ochsen, im Dreikönig, in der Jungfernburg, im Adler in Markdorf, in Bergheim im Grünen Baum, in der Traube und zuletzt in Leimbach in der Letze“, zählte er lauter Gaststätten auf, die inzwischen geschlossen sind.
Und seine Spezialität als Rentner? Aufregen! Über alles, jederzeit. Über den Giggeler des Nachbars, der am Morgen kräht, über Kirchenglocken, die nachts 16 Mal läuten, über Hunde, die alles dürfen, über Tierfutter, das teurer ist als Nahrungsmittel, obwohl auf der Welt auch Menschen verhungern, über kleine Zehen, die man sich am Bettpfosten stößt. Und dann noch über Dietmar „Bitze“Bitzenhofer. „Letzte Woche fällt ihm ein, dass Fasnet ist“, sagte er. So spontan sei ihm gar nichts eingefallen, was er im Dreckkübel schwätzen sollte. Dafür war es dann aber doch ein ganz schön langer und vor allem amüsanter Auftritt. Musikalisch und närrisch begleitet wurde das Dreckkübelgschwätz von der Stadtkapelle und vom Team rund um Moderator Dietmar Bitzenhofer.
Mehr Fotos gibt es im Internet: www.schwäbische.de/ dreckkuebel18