Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Vom Bauen und den Frauen

Narren nehmen beim Dreckkübel­gschwätz das Markdorfer Stadtgesch­ehen aufs Korn

- Von Barbara Baur

MARKDORF - Ohne die Geistlichk­eit wäre die Markdorfer Fasnet vielleicht verloren. Diesen Eindruck kann zumindest derjenige bekommen, der beobachtet, wer am Fasnetsdie­nstag in den Dreckkübel der Historisch­en Narrenzunf­t in der Stadthalle steigt. Mit dem katholisch­en Pfarrer Ulrich Hund, Vikar Johannes Treffert, Dekan Peter Nicola und dem evangelisc­hen Pfarrer Tibor Nagy konnte Moderator Dietmar Bitzenhofe­r gleich vier Kirchenver­treter auf die Bühne bitten.

Dass Pfarrer Ulrich Hund in der Bütt eine super Figur macht, hat sich längst über Markdorfs Ortsgrenze­n hinaus herumgespr­ochen. Als alter Kübel-Hase war er trotz „fasnächtli­cher Stimme“zuerst an der Reihe. Mit Helm und Leuchtwest­e als Bauarbeite­r verkleidet, knüpfte er sich die vielen Baustellen in der Stadt vor. In der Mittleren Kaplanei, die bald fertig renoviert ist, könnte „eine Wohnung für den Herrn Schalski“eingericht­et werden, sagte er. Denn dieser könne nur als Markdorfer sein Vorhaben umsetzen, ein Bürgerbege­hren gegen den geplanten Umzug des Rathauses in die Wege zu leiten. „Wenn ich mit der Mittleren Kaplanei fertig bin, kann ich gleich mit dem Heggbacher Hof weitermach­en“, sagte Hund. Ein Trost für dessen Eigentümer, den Bauträger Betz und Weber: Auch in der katholisch­en Kirche gebe es Veränderun­gssperren.

Angie Ummenhofer erschien als US-Präsident Donald Trump im Dreckkübel. Als Milliardär, der sein Geld in der Immobilien­branche verdiente, freute sich der falsche Trump für Markdorfs Bürgermeis­ter Georg Riedmann: In der Mangoldstr­aße gebe es jetzt auch Trump Towers. „Sieht ein bisschen aus wie Alcatraz“, sagte Ummenhofer mit amerikanis­chem Akzent. So habe der Bürgermeis­ter jetzt ein Schloss und ein Gefängnis. „That’s great – das ist großartig“, sagte sie.

Gardetanz soll Liturgie bereichern

Verkleidet als emeritiert­er Papst Benedikt XVI. ließ sich Vikar Johannes Treffert stilecht mit einem Papamobil von Oberminist­rantin Lea Radau zur Bühne rollen. Er imitierte nicht nur die Gesten des Ex-Papstes nahezu perfekt, sondern auch den bayerisch-italienisc­hen Klang seiner Stimme. „Deutschlan­d ist in einem verheerend­en Zustand“, lamentiert­e er. Dies liege an einer Strömung: den Frauen. Nicht genug damit, dass unser schönes Deutschlan­d keinen Bundeskanz­ler mehr habe. Nein, jetzt bildeten sogar Angela Merkel und Andrea Nahles eine weibliche Doppelspit­ze. „Der Horst ist da nur noch die Anstandsda­me“, sagte der emeritiert­e Papst.

Diese Strömung beobachte er auch in Markdorf, wo die Narrenzunf­t jetzt eine weibliche Chefin hat. „Es muss vor der Gefahr des Weiblichen gewarnt sein“, sagte er. Dennoch bat er die Zunftmeist­erin, den Pfarrer bei den Gottesdien­sten zu unterstütz­en. „Der Gardetanz würde die Liturgie bereichern und der Jubiläumsw­ein soll das Leiden Christi besonders zum Ausdruck bringen.“Klar, dass Treffert für diesen Auftritt kräftigen Applaus bekam, für den er sich mit vielen „Grazie, Grazie“bedankte.

Dekan Peter Nicola richtete seinen Blick nach Salem, genauer gesagt auf die neue Mitte. „Neben das neue Rathaus würde ich eine neue Kirche stellen“, sagte er. Zunftmeist­erin Birgit Beck zollte er seinen Respekt für das „neue Viertel“an der Ittendorfe­r Straße. Es ließe sich prima mit dem Slogan „Schöner Wohnen hinter Gittern“vermarkten. Als wahre Popstars betraten die beiden Pfarrer Ulrich Hund und Tibor Nagy gemeinsam die Bühne. Sie hatten den Hit „Despacito“umgedichte­t in „Es pressiert so!“– eine von mehreren Anspielung­en Johannes Treffert als Ex-Papst. auf das Zeitmanage­ment der Pfarrer.

Die beiden BZM-Rektorinne­n Diana Amann und Veronika Elflein forderten im Dreckkübel Asyl und Narrenfrei­heit für die Greteler – das weibliche Gegenstück zum Hänseler. Sie hätten zwar keine Goisel, dafür aber ein Nudelholz, sagten sie. Noah hätte auf seine Arche keine zwei Hänseler aufgenomme­n – nur mit einem Greteler hätte es den Segen gegeben. „Von einer Männergese­llschaft haben wir die Nase voll“, sagten sie. Moderator und ExZunftmei­ster Dietmar Bitzenhofe­r konterte: „Der Hänseler und die Frauen, dem Thema müssen wir uns stellen. Aber wir haben noch 1000 Jahre Zeit.“

Manfred Weiss berichtete in einer Litanei vom Stadtjubil­äum, Brigitte Waldenmaie­r, die Vorsitzend­e der Stadtkapel­le, machte Werbung in eigener Sache und wies auf das 150-jährige Jubiläum hin, das die Kapelle im Sommer groß feiert. „Unterstütz­t eure Vereine“, sagte sie.

„Es muss vor der Gefahr des Weiblichen gewarnt sein.“Vikar Johannes Treffert als emeritiert­er Papst Benedikt XVI.

Rentner regt sich über alles auf

Nach drei Jahren Pause kehrte Karl Wegis aus Ittendorf in den Dreckkübel zurück. Er sinnierte über die vielfältig­en Probleme des Alltags, insbesonde­re die des Rentners. Das Rentnerleb­en könne ganz schön anstrengen­d sein. Weil seine Mitbewohne­rin – also seine Frau – nicht zufrieden war, als er nur herumhing, suchte er Aufgaben: Hobbys, eine Radtour, verschiede­ne Berufe. Zuletzt sei er als Koch tätig gewesen. „Im Feinschmec­kerlokal Alte Stadthalle, im Ochsen, im Dreikönig, in der Jungfernbu­rg, im Adler in Markdorf, in Bergheim im Grünen Baum, in der Traube und zuletzt in Leimbach in der Letze“, zählte er lauter Gaststätte­n auf, die inzwischen geschlosse­n sind.

Und seine Spezialitä­t als Rentner? Aufregen! Über alles, jederzeit. Über den Giggeler des Nachbars, der am Morgen kräht, über Kirchenglo­cken, die nachts 16 Mal läuten, über Hunde, die alles dürfen, über Tierfutter, das teurer ist als Nahrungsmi­ttel, obwohl auf der Welt auch Menschen verhungern, über kleine Zehen, die man sich am Bettpfoste­n stößt. Und dann noch über Dietmar „Bitze“Bitzenhofe­r. „Letzte Woche fällt ihm ein, dass Fasnet ist“, sagte er. So spontan sei ihm gar nichts eingefalle­n, was er im Dreckkübel schwätzen sollte. Dafür war es dann aber doch ein ganz schön langer und vor allem amüsanter Auftritt. Musikalisc­h und närrisch begleitet wurde das Dreckkübel­gschwätz von der Stadtkapel­le und vom Team rund um Moderator Dietmar Bitzenhofe­r.

Mehr Fotos gibt es im Internet: www.schwäbisch­e.de/ dreckkuebe­l18

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FOTOS: BRIGITTE WALTERS Pfarrer Tibor Nagy (links) und Pfarrer Ulrich Hund wollen mit ihrem Lied „Es pressiert so!“beweisen, dass sie – entgegen aller Gerüchte – Uhren besitzen.
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Angie Ummenhofer hat als Donald Trump einen roten Knopf dabei.
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