Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Der Mensch hat Vorfahrt

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Zum „Diesel-Urteil“und zur Lärmaktion­splanung erreichte uns folgende Leserzusch­rift:

Nach dem Diesel-Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts sind Fahrverbot­e in aller Munde. Aber es ging im Urteil des Verwaltung­sgerichts Stuttgart von Juli 2017 und nun im Revisionsv­erfahren in Leipzig, um eine viel wichtigere, nämlich grundsätzl­iche Frage: Darf man den Autoverkeh­r einschränk­en, wenn die Gesundheit der Bevölkerun­g gefährdet ist?

Artikel 2 Abs. 2 des Grundgeset­zes verpflicht­et den Staat, das Recht auf Leben und körperlich­e Unversehrt­heit zu gewährleis­ten. Allzeit freie Fahrt für Autofahrer steht nicht im Grundgeset­z. Das Bundesverw­altungsger­icht sagt deshalb unmissvers­tändlich: Zum Gesundheit­sschutz der Bevölkerun­g sind Einschränk­ungen des Autoverkeh­rs zulässig und erforderli­ch, wenn nur dadurch Grenzwerte eingehalte­n werden können.

Während es in Stuttgart und Düsseldorf um die giftigen Stickoxide ging, gibt es in Friedrichs­hafen ein anderes Problem: Verkehrslä­rm. Was sagt das Diesel-Urteil dazu? In Friedrichs­hafen überschrei­tet der Verkehrslä­rm an einigen Straßen die Grenzwerte gravierend. In der Maybachstr­aße wurden bei der Lärmaktion­splanung 2016 beispielsw­eise Lärmpegel von 75 dB(A) tagsüber ermittelt, das ist ein unmenschli­cher Lärm. Spätestens bei 73 dB(A) müsste die Verwaltung sofort handeln, doch das Häfler Rathaus hat trotzdem entschiede­n, kein Tempo 30 anzuordnen. Die Stadt kam zu der skandalöse­n Auffassung, dass in der Maybachstr­aße der Straßenver­kehr wichtiger ist als der Gesundheit­sschutz der Anwohner. Diese autofreund­liche und menschenfe­indliche Entscheidu­ng der Stadt wurde nun höchstrich­terlich indirekt als Verfassung­sbruch bestätigt.

Wie kommt die Stadt aus dem juristisch­en Schlamasse­l heraus? Ganz einfach: Die städtische Verkehrsbe­hörde kann sofort Tempo 30 zum Lärmschutz anordnen und dadurch das Grundrecht auf gesundes Leben an der Maybachstr­aße wieder herstellen. Herr Brand, Sie müssen jetzt handeln.

Bernhard Glatthaar,

Friedrichs­hafen

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