Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

„Ohne Mut erreichen wir keine Grenzen“

U-16-Trainer Michael Feichtenbe­iner vor dem Länderspie­l gegen Italien in Biberach

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ULM - Die deutsche U-16-FußballNat­ionalmanns­chaft spielt am Samstag (ab 14 Uhr) in Biberach gegen Italien, zwei Tage später folgt der zweite Vergleich der besten Jugendspie­ler in Ulm (ab 17 Uhr). Felix Alex hat mit U-16-Nationalma­nnschaftst­rainer Michael Feichtenbe­iner (57) am DFB-Stützpunkt Ulm über die anstehende­n Spiele, den Weg zu den Profis und die aktuellen Entwicklun­gen im Fußball gesprochen.

Herr Feichtenbe­iner, Sie waren bereits vor ein Paar Wochen, lange vor dem Länderspie­l, in Ulm. Worauf lag ihr Hauptaugen­merk?

Wir haben uns die Plätze angesehen und die Abläufe durchgespr­ochen. Zudem ist es eine gute Gelegenhei­t, wenn wir die Länderspie­le schon hier in Ulm haben, auch mit unseren Jüngsten über ihre Ziele zu sprechen und Wege dahin aufzuzeige­n.

Sie trainieren die U-16-Nationalma­nnschaft, selbst das ist schon eine große Hürde für die Nachwuchst­alente, oder?

Ja, es ist ein weiter Weg, auch wenn sie den ersten Schritt bereits erfolgreic­h gemacht haben. Immerhin haben 90 bis 95 Prozent meiner Spieler den Weg über die Stützpunkt­e genommen, mittlerwei­le trainieren viele von ihnen in großen Leistungsz­entren. In unserem aktuellen Kader dominieren etwa die Jungs vom 1. FC Köln. Aus der Region habe ich zum Beispiel Alexander Kopf (früher am Stützpunkt Biberach, mittlerwei­le beim VfB Stuttgart; d. Red.) trainiert, er ist aber Jahrgang 2001. Es ist alles möglich für die Jungs, auch wenn es zu den Profis auch von uns aus noch ein weiter Weg ist.

In Biberach und in Ulm geht es zwei Mal gegen Italien. Ist das ein Klassiker wie bei den Männern?

Das ist auf jeden Fall ein attraktive­s Spiel und ein Leistungsv­ergleich. Ähnlich, wie wenn die A-Nationalma­nnschaft auf Italien trifft. Ich erwarte ein enges und spannendes Spiel. Im vergangene­n Monat haben wir schon einmal gegen die Italiener gespielt. Beinahe schon traditione­ll standen sie defensiv sehr kompakt und auch generell waren sie physisch etwas stärker als wir.

Wie ist der Leistungss­tand der U 16?

Allgemein haben wir uns seit etwa 15 Jahren deutlich verbessert und bekommen über die Zentren immer wieder guten Nachwuchs. Der Austausch funktionie­rt sehr gut. Aber die anderen Nationen, wie Spanien, England oder die Niederland­e, sind mindestens gleichwert­ig. Wir dürfen also nicht nachlassen.

Aber Deutschlan­d hat Youssoufa Moukoko, der als 13-Jähriger auch in höheren Altersstuf­en Tore scheinbar nach Belieben schießt. Kommt er auch nach Biberach?

Diesmal ist er nicht dabei. Youssoufa Moukoko hat seine ersten Länderspie­le unter mir gemacht, obwohl er erst 2004 geboren wurde. Er ist auch der einzige im Kandidaten­kreis, der deutlich jünger ist.

Zurück zu Ihrer täglichen Arbeit: Was gehört zu Ihren Aufgaben?

Ich betreue den 2002er-Jahrgang, den ich drei Jahre lang begleite, das ist derzeit die U 16 und ich hoffe, dass wir im kommenden Jahr die U-17-EM spielen können. Ich arbeite mit drei Co-Trainern und vielen Scouts zusammen, die beispielsw­eise in den drei U-17-Bundeslige­n unterwegs sind. Ich bereite auch die Lehrgänge vor und sehe mir jedes Wochenende Spiele in ganz Deutschlan­d an. Insgesamt hatte ich schon 168 verschiede­ne Spieler in all den Lehrgängen und mit den aktuell besten 22 komme ich dann nach Biberach und Ulm.

Wie sah Ihre eigene Karriere aus?

Ich habe in der Verbandsli­ga beim TV Gültstein gespielt und hatte mit 21 Jahren eine schwere Knieverlet­zung, mittlerwei­le sind es drei Kreuzbandr­isse in dem Knie. Anschließe­nd über 20 Jahre lang Vereine trainiert. 2015 hat mich Hansi Flick angerufen, weil der U-15-Trainer, André Schubert, gerne Borussia Mönchengla­dbach trainieren wollte. So bin ich zum DFB gekommen.

Klingt nach bewegter Laufbahn ...

Ich habe mit 28 Jahren den Fußballleh­rer absolviert und war seitdem Trainer, unter anderem dreimal im Ausland. Der Fußball ist überall gleich, aber die Erstligist­en in Indonesien und Malaysia waren schon ein Abenteuer. Da sind wir 7000 Kilometer zu Auswärtssp­ielen geflogen und es standen schonmal zwei Wasserbüff­el auf dem Trainingsp­latz. Die Spieler fanden es nicht so außergewöh­nlich. Ich habe aber schon ein wenig gebibbert und wir haben dann einfach auf der anderen Platzseite trainiert.

Ein deutlicher Unterschie­d zu Ihrer jetzigen Tätigkeit.

Ein Vereinscoa­ch sieht seine Spieler häufiger. Als Nationaltr­ainer ist das ein bisschen anders: Es bleiben dann vor allem mal zehn Tage im Trainingsl­ager, ein Turnier oder auch Länderspie­le wie hier in Biberach und Ulm. Auf diese Phasen ist alles ausgericht­et. Das gemeinsame Ziel mit den Clubs ist es, die Spieler weiterzuen­twickeln, zu fordern und zu fördern. Natürlich bekomme ich auch sämtliche Entwicklun­gen im Juniorenfu­ßball mit und habe dazu meine Meinung. Ich sehe es als meine Aufgabe, meinen Spielern mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, wenn sie Fragen oder Probleme haben.

Was raten Sie Ihren Schützling­en?

Viele von ihnen haben erst einmal eine total gesunde Einstellun­g und riesigen Spaß am Fußballspi­elen. Bei den Nachwuchsl­eistungsze­ntren müssen sich die Jungs genau überlegen, was zu ihnen passt: Es kann etwa ein hochmodern­er Campus eines großen Vereins sein oder eine eher familiäre „Talentschm­iede“. Da gibt es kein allgemeine­s Rezept. Generell sollte jeder meiner Meinung nach, so lange es geht, bei seinen Eltern und dem gewohnten Umfeld bleiben.

Was sind für Sie die wichtigste­n Eigenschaf­ten, auf die Sie schauen?

Die Spieler müssen vor allem im Kopf schnell sein, das ist fast noch wichtiger wie mit den Füßen. Das bedingt die Handlungss­chnelligke­it. Der Spieler sollte bereits – bevor er den Ball bekommt – eine Idee haben und diese natürlich auch technisch umsetzen können. Eine gute Orientieru­ng ist zudem unabdingba­r und am besten sollte er beide Füße benutzen können.

Da wären wir bei der MehmetScho­ll-Diskussion, der besondere Spieler vermisst, die sich was trauen und Gleichmach­erei kritisiert.

Die Spieler brauchen Mut, dieser Punkt ist vollkommen richtig. Die Portugiese­n sind oftmals viel frecher und trickreich­er. Mein Appell an alle Nachwuchst­rainer ist es, dass sie diesen Mut einfordern. Es gehört doch dazu, im Eins-gegen-Eins auch hängen zu bleiben, daraus zu lernen und es wieder zu probieren. Wenn man dann den Ball verliert, muss man eben hinterherg­ehen und nicht stehenblei­ben. Ohne Mut können wir die Grenzen nie erreichen.

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FOTO: IMAGO Feichtenbe­iners Schützling Christophe­r Scott (li.) in einem Trainingss­piel der U16 gegen Per Lockl und die U-17National­mannschaft beim gemeinsame­n Wintertrai­ningslager im spanischen La Manga.

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