Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Gründer des Wirtschaftstreffens von Davos wird 80
Der Ravensburger Klaus Schwab gründet 1971 das Weltwirtschaftsforum, jetzt wird er 80
RAVENSBURG (ben) - Der technologische Fortschritt bedroht den Zusammenhalt der Gesellschaften, wenn er nicht menschenfreundlich gestaltet wird. Das sagte der Gründer des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab, im Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“vor seinem 80. Geburtstag am Freitag. „Es geht um die Innovationsfähigkeit – nicht nur technisch, sondern auch gesellschaftlich“, erläutert der gebürtige Ravensburger. „Heute ist die entscheidende Frage, wer den Wandel akzeptiert und wer den Wandel ablehnt.“Wenn man es nicht schaffe, die Menschen bei den Veränderungen mitzunehmen, werden nach Ansicht des 79-Jährigen noch mehr Menschen in „Modelle und Ideologien von gestern“flüchten.
RAVENSBURG - Selbst im Urlaub ist der Tag eines Weltverbesserers genau durchgetaktet. Eine Stunde Korrespondenz am Laptop, dann in die Berge, danach wieder E-Mails und Telefonate. In diesen Tagen weilt Klaus Schwab wieder in seiner Ferienwohnung im schweizerischen Zermatt. Mit Fellen unter den Skiern ist er am Dienstagvormittag zum Schwarzsee, einem Bergrücken unterhalb des Matterhorns aufgestiegen, bevor er am frühen Nachmittag weiter telefonierte. „Für mich waren Beruf und Freizeit und Leben immer verbunden“, sagt Schwab. „Für mich war der Beruf nie Pflicht, die mir schwer gefallen ist. Im Gegenteil: Der Beruf war und ist immer eine Pflicht, die mir Freude bereitet hat.“
Doch was ist der Beruf des gebürtigen Ravensburgers, der am Freitag seinen 80. Geburtstag feiert? Die Welt kennt ihn als Gründer des Weltwirtschaftsforums, des Kongresses, den Klaus Schwab im Alter von 32 Jahren 1971 als Zusammenkunft europäischer Unternehmer ins Leben gerufen und im Laufe der Jahre zur wichtigsten Konferenz der globalen Wirtschafts- und Politikelite entwickelt hat. Er selbst sieht sich vor allem als Vermittler, Kommunikator, Impulsgeber und beschreibt sich „eher als Künstler, als kreativen Menschen, der versucht, für die Probleme, die wir haben, Lösungen zu finden.“
Jedes Jahr im Januar macht Klaus Schwab den Schweizer Skiort Davos zur Bühne der Mächtigen. Er bietet Staatenlenkern und Unternehmenschefs, Intellektuellen und Wissenschaftlern einen Rahmen für informelle Gespräche und so die Möglichkeit miteinander zu reden, ohne den Zwang, am Ende Beschlüsse und gemeinsame Erklärungen vorweisen zu müssen. „Für diese Aufgabe hat das Weltwirtschaftsforum eine Plattform des Austauschs geschaffen, die sich auf das Vertrauen gründet, dass wir neutral und unabhängig sind“, erläutert Schwab.
Foren zum Austausch, Kanäle zur Kommunikation – nichts scheint die Welt des Jahres 2018 nötiger zu brauchen. „Tatsache ist, dass das Weltwirtschaftsforum in einer immer unübersichtlicher gewordenen Welt immer stärker in Anspruch genommen wird als Dialogplattform“, sagt Schwab. Das zeige sich auch daran, dass sich der Mitarbeiterstab in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt habe. Am Hauptsitz des Forums in Genf arbeiten mittlerweile mehr als 700 Mitarbeiter, und Klaus Schwab will die Zahl weiter aufstocken.
Schwabs Ansicht nach ist aus der bipolaren Welt des Kalten Kriegs nicht nur eine mulitipolare, sondern vor allem eine multikonzeptionelle Welt geworden. „Bis vor zehn Jahren gab es eine einheitliche Wertebasis, die liberale Weltwirtschaftsordnung mit freiem Marktsystem und dem Glauben an die Globalisierung“, erläutert der Noch-79-Jährige. Andere Machtzentren neben den USA und dem Westen hätten eben andere Auffassungen davon, wie die Probleme der Welt zu lösen seien.
Die Zeit von Lösungen auf der Basis gemeinsamer Werte ist zu Ende, die Zeit, in der die Staaten der Welt in globalen Abhängigkeiten verstrickt sind, nicht. „In der Türkei, in Russland und den USA gelten nicht mehr die Werte, die wir haben. Auf der anderen Seite haben wir aber
alle gemeinsame Interessen“, sagt Schwab. „Hier die Brücken zu schlagen, das macht unsere Aufgabe als Weltwirtschaftsforum so interessant.“
Und was rät ein bald 80-Jähriger der nachrückenden Generation, die sich mit einem imperalistischen Russland konfrontiert sieht, das die Krim annektiert, einer Türkei, die Demokratie und Meinungsfreiheit abschafft, den USA, deren aktueller Präsident die mehr als 50 Jahre währende transatlantische Partnerschaft infrage stellt? Was sollen die Menschen, die heute 32 Jahre alt sind, die Welt verändern wollen und sich mit den universellen technischen Umwälzungen konfrontiert sehen, tun?
Wer akzeptiert den Wandel?
„Wir müssen die Veränderungen als Tatsache annehmen und akzeptieren, dass sich der technische Wandel immer schneller vollzieht“, sagt Schwab. Nur dann könne man die Zukunft ins Positive wenden. Dialog sei das eine, das andere die Notwendigkeit, „die technischen Veränderungen menschenfreundlich zu gestalten.“Andernfalls werden nach Auffassung Schwabs immer mehr Menschen in die Modelle und Ideologien von gestern flüchten. „Heute ist die entscheidende Frage, wer akzeptiert den Wandel, wer ist offen für den Wandel und wer lehnt den Wandel ab“, erläutert Schwab. „Es geht um die Innovationsfähigkeit – nicht nur technisch, sondern auch gesellschaftlich.“Auch wenn die Welt unwägbarer, unsicherer geworden ist, auch wenn Klaus Schwab am Freitag 80 Jahre alt wird: Der Blick des Ravensburgers ist nach vorne gerichtet. Er glaubt an die Vernunft, der unverbesserliche Optimist ist überzeugt, dass man die Dinge zum Guten wenden kann – und er ist den Menschen zugewandt. „Wir haben eine Verantwortung, die Zukunft zu gestalten. Wenn ich nicht in den Ferien bin, arbeite ich noch immer zwölf bis 14 Stunden täglich, weil es mich fasziniert, die Zukunft zu gestalten.“Nicht zuletzt dieser Antrieb war es, der Klaus Schwab seine eigentliche Berufung erkennen ließ: An der US-Elite-Universität Harvard traf er Mitte der 1960erJahre auf seinen großen Mentor, den Politikwissenschaftler und späteren US-Außenminister Henry Kissinger, und erarbeitete sich mehr und mehr die Politik als Betätigungsfeld.
Antreiber und kreativer Kopf
Bereits in dieser Zeit entwickelte Klaus Schwab das Konzept eines Treffens von Führungskräften aus der Wirtschaft: 1971 organisierte er erstmals das von da an jährlich stattfindende European Management Symposium, das 1987 in Weltwirtschaftsforum umbenannt wird. „Ich bin sehr dankbar, dass ich die Schaffenskraft hatte und habe, mich voll für das Forum einzusetzen. Ich war immer Antreiber und der kreative Kopf.“Und das will Klaus Schwab auch weiter bleiben.
In zwei Jahren, im Jahr 2020, findet die 50. Auflage des Treffens statt, das Klaus Schwab ins Leben gerufen hat und mit dem der Ravensburger seit 1971 die Welt verbessert. Das will er dann feiern. Sein Geburtstag am Freitag ist ihm nicht so wichtig. Ihn begeht der Menschenfreund nur mit einem kleinen Nachtessen im Kreis seiner Familie.