Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Druck auf Kanzlerin Merkel steigt
Streit in der Union über Seehofers Asylplan und die „Achse der Willigen“verschärft sich
BERLIN/STUTTGART/RAVENSBURG Die Debatte in der Union über die Frage, ob Asylbewerber bereits an den deutschen Grenzen abgewiesen werden sollen, hat sich am Mittwoch nach dem Treffen von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) mit Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz verschärft. Seehofer und Kurz, dessen Land am 1. Juli die EURatspräsidentschaft übernehmen wird, möchten innerhalb der EU eine „Achse der Willigen“– Rom, Wien, Berlin – suchen, die ihren harten Kurs in der Flüchtlingspolitik unterstützt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die im Streit um Seehofers Asylmasterplan auf einer europäischen Lösung beharrt, traf sich nun am Mittwochabend mit dem Innenminister zum Krisengespräch.
Seit der Absage von Seehofers Termin in Sachen Asylmasterplan am Dienstag verschärft sich der Streit in der Unionsfraktion. Der Rückhalt der Kanzlerin in Teilen der Partei schwindet, es gibt massiven Widerstand – vor allem in Bayern. CSU-Generalsekretär Markus Blume stellte gar ein Ultimatum: „Es muss in sieben Tagen entschieden werden. Wer hier falsch abbiegt, versündigt sich an unserem Land.“Auch CDU-Bundestagsabgeordnete aus dem Südwesten sind auf Seehofers Seite. Lothar Riebsamen (Bodenseekreis) sagte zur „Schwäbischen Zeitung“: „Falls eine europäische Lösung beim nächsten EU-Gipfel am 28. Juni nicht zustande kommen sollte, bin ich für vermehrten Grenzschutz.“Dann gebe „es keine andere Möglichkeit, als Seehofers Vorschlag zu unterstützen“. Thomas Bareiß, Bezirkschef Württtemberg-Hohenzollern, sagte: „Solange die EU-Außengrenzen nicht sicher sind, dürfen wir auch nationale Grenzsicherung meines Erachtens nicht ausschließen.“Am weitesten aus dem Fenster lehnte sich der Karlsruher CDU-Abgeordnete Axel Fischer gegenüber der „Bild“-Zeitung: „Seit 2015 diskutieren wir über dieses Thema. Irgendwann muss man Entscheidungen treffen, notfalls auch mit einer Vertrauensfrage“, verlangte Fischer.
Außenexperte Roderich Kiesewetter (CDU) aus Heidenheim plädierte dagegen „für strategische Geduld“. Er unterstütze „den europäisch orientierten Ansatz“Merkels. Der baden-württembergische CDULandesgruppenchef Andreas Jung sagte: „Ich setze darauf, dass Angela Merkel und Horst Seehofer gemeinsam eine Lösung finden, denn Streit schadet beiden Parteien.“Auch Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sagte: „Ich glaube, das kann man zusammenbringen.“
Hierbei bot sich Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) als Vermittler an. Sein Sprecher ließ am Mittwoch verlauten: „Minister Strobl ist in der Brandbekämpfung tätig – schließlich ist er auch für die Feuerwehr zuständig.“Inhaltlich äußere Strobl sich jedoch nicht, der Masterplan liege ihm nicht vor.
BERLIN (sal) - Einer fehlt. Innenminister Horst Seehofer (CSU) ist, während 500 Meter entfernt im Kanzleramt der zehnte Integrationsgipfel läuft, im Gespräch mit Sebastian Kurz (ÖVP). Er lässt sich von einem Staatssekretär vertreten. Doch Seehofer hat den Gipfel nicht wegen seines konservativen Freundes Kurz abgesagt, sondern er wollte nicht auf Ferda Ataman treffen, erklärt er, weil er sich durch diese Politologin und Journalistin diskreditiert sieht.
Er sei ein Verfechter gelingender Integration, und halte es für nicht zumutbar, von Frau Ataman mit Nazibegriffen von Blut und Boden in Verbindung gebracht zu werden. Angela Merkel wiederum dachte nicht daran, Ataman auszuladen. Eher im Gegenteil: Bei der abschließenden Pressekonferenz gewährt sie Ataman den Platz an ihrer Seite. Aber sie nennt den Artikel Atamans einen sehr prononcierten, vielleicht auch als Provokation gemeinten Kommentar, der nicht widerspiegele, was sich die Bundesregierung als Aufgabe des Heimatministeriums überlegt habe.
Ataman bedauert, dass Seehofer die Prioritäten anders gesetzt hat. „Es wäre schön gewesen, wenn wir gemeinsam hätten diskutieren können.“Horst Seehofer ist der erste Innenminister, der nicht an dem von seinem Vorgänger Wolfgang Schäuble (CDU) ins Leben gerufenen Integrationsgipfel teilnimmt. Ziel der regelmäßigen Treffen von Vertretern von Migrantenverbänden und Repräsentanten von Bund und Ländern ist es, mit den Betroffenen über Fragen der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland zu diskutieren.
Die neue Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), kündigte einen nationalen Aktionsplan zur Integration an. „Seit dem Jahr 2015 steht unser Land vor neuen Herausforderungen“, erklärte die Staatsministerin. Viele Menschen seien ins Land gekommen, „und auf der anderen Seite sind Ängste entstanden“. Deshalb sei es Zeit, „der Integrationspolitik neue Impulse zu geben und den Zusammenhalt in Deutschland mit einem nationalen Aktionsplan zu stärken“.