Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Spanischer Abgang
Am Dienstag wechselt Lopetegui zu Real, am Mittwoch ist er nicht mehr Nationaltrainer
MOSKAU (SID/dpa) - Es war ungefähr so, als habe der FC Bayern gerade mal drei Tage vor dem ersten Spiel der deutschen Nationalmannschaft bei der WM in Russland beschlossen, Joachim Löw als seinen neuen Trainer vorzustellen. Und Reinhard Grindel habe nach einer unruhigen Nacht entschieden, den Bundestrainer zu feuern und durch Oliver Bierhoff zu ersetzen. Undenkbar? Nicht in Spanien: Nationaltrainer Julen Lopetegui wurde am Mittwoch von Verbandspräsident Luis Rubiales seines Amtes enthoben, Nachfolger ist Sportdirektor Fernando Hierro.
Auch für Löw kam diese Nachricht „vollkommen unerwartet“, wie er im deutschen WM-Quartier sagte. „Das ist natürlich ein Hammer, da gibt es unnötige Unruhe innerhalb des Verbandes und wahrscheinlich auch innerhalb der Mannschaft.“
Es ist „ein Erdbeben“, kommentierten die Sportzeitungen in Spanien den in der WM-Geschichte wohl einmaligen Vorgang. Zur Erinnerung: Am Freitag spielt Spanien in Sotschi (20 Uhr/ARD und Sky) gegen Europameister Portugal. Auslöser des Erdbebens: Real Madrid. Die Königlichen hatten am Dienstag bar jeglichen Feingefühls die Verpflichtung von Lopetegui als Nachfolger von Zinédine Zidane hinausposaunt. Ein Unding, sagt der Verband. „Es ist nicht die beste Lösung, aber man darf mir nicht in den Rücken fallen. Nach allem, was passiert ist, konnten wir nicht anders handeln“, sagte Rubiales. Er betonte, der Verband RFEF sei nicht in die Verhandlungen involviert gewesen, diese Art des Vorgehens könne er nicht dulden. Lopetegui, der seinen Vertrag erst im Mai bis 2020 verlängert hatte, machte von einer Ausstiegsklausel Gebrauch. Real zahlt dem Verband zwei Millionen Euro Ablöse.
Anstelle von Lopetegui, der bei den Königlichen bis 2021 unterschrieben hat, wird Real-Legende Fernando Hierro die Mannschaft bei der WM betreuen. Der 50 Jahre alte Andalusier war seit 2007 Sportdirektor der Nationalmannschaft, für die er 89 Länderspiele bestritt.
Im Gegensatz zu Rubiales wusste Sergio Ramos wohl Bescheid: Der Kapitän von Real und der Nationalmannschaft soll seinen Segen zu der Verpflichtung von Lopetegui gegeben haben, allerdings konnte er seinen neuen Clubtrainer nicht vor dem Rauswurf bei der Roten Furie retten. Schon bei seiner Ankunft im spanischen WM-Quartier am Montag in Krasnodar im Südwesten Russlands hatte der wütende Verbandschef Lopetegui feuern wollen, auch eine Mini-Meuterei der Spieler um Ramos am Dienstag stimmte ihn nicht um.
Mini-Meuterei bleibt erfolglos
„Wir danken Julen für alles, was er getan hat“, sagte Rubiales, der 51 Jahre alte Baske sei einer jener „großartigen Menschen, die uns nach Russland gebracht haben“– unter Lopetegui blieben die Spanier in den vergangenen 20 Spielen unbesiegt. Und nein, fügte der Verbandschef hinzu, er fühle sich „nicht betrogen“. Nur könne er „nicht ignorieren“, dass die Gespräche über den Wechsel und am Ende auch dessen Bekanntgabe am Verband vorbei geführt wurden. Nein, so gehe es einfach nicht.
Die Auswirkungen auf die Mannschaft könnten in mehrfacher Hinsicht katastrophal sein. Vor allem dürften nun die Gräben zwischen den Kickern von Real und des FC Barcelona, die Lopetegui zugeschüttet zu haben schien, wieder aufbrechen. Hierro selbst will die Umstände nicht als Entschuldigung gelten lassen: „Die Spieler sind gewohnt, dass Trainer kommen und gehen. [...] Das Ziel ist, um den Titel zu kämpfen. Wir haben keine Zeit, an etwas anderes zu denken. Alles, was passiert ist in den vergangenen Tagen, taugt nicht als Rechtfertigung für irgendwas“, sagte der bisherige Sportdirektor. Dennoch formulierte Kapitän Ramos nicht umsonst mit Pathos bei Twitter: „Wir sind die Selección, wir repräsentieren das spanische Wappen, die Farben, die Fans, das Land. Die Verantwortung und die Verpflichtung sind mit euch und für euch. Gestern, heute und morgen, gemeinsam. #VamosEspaña.“