Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Land soll mehr Schulden tilgen
Prüfer wollen schnelleren Schuldenabbau – und mehr Photovoltaikanlagen
STUTTGART (kab) - Polizisten sollten schneller ausgebildet und Schulden abgebaut werden. Das sind nur zwei der Empfehlungen, die der Landesrechnungshof bei der Vorstellung seiner jährlichen Denkschrift am Montag in Stuttgart der Landesregierung gegeben hat. Eine weitere: Auf landeseigenen Gebäuden sollten viel mehr Photovoltaikanlagen installiert werden. Aber nicht so wie etwa in Kißlegg. Die Anlage am dortigen Verkehrskommissariat werde sich nie rechnen, so die Prüfer.
STUTTGART - Das Land baut seinen Schuldenberg von 46 Milliarden Euro zu zaghaft ab. So lautet einer der Kritikpunkte des Landesrechnungshofs. Dessen Präsident Günther Benz hat am Montag in Stuttgart seine jährliche Denkschrift zum Umgang der Landesregierung mit Steuermitteln vorgelegt. Wo nach Ansicht der Finanzprüfer nachgebessert werden sollte:
Schulden schneller abbauen
Aktuell hat Baden-Württemberg gut 46 Milliarden Euro Schulden. Die Steuerschätzung vom Mai stellte dem Land Mehreinnahmen von 1,3 Milliarden Euro für 2018 und 2019 in Aussicht. Rechnungshofpräsident Benz fordert, die gesamte Summe zum Abbau der Schulden zu nutzen. „Das wäre konsequent und sinnvoll.“Das Land plant bislang, eine Milliarde in die Schuldentilgung zu stecken.
Mehr Transparenz beim Abbau impliziter Schulden
Laut Gesetz muss das Land bei hohen Steuereinnahmen Kredite tilgen. Die grün-schwarze Regierung hat das geändert und den Begriff der „impliziten“, also der verdeckten Schulden eingeführt. Dadurch kann überschüssiges Geld auch zur Sanierung maroder Straßen oder Gebäude fließen. Der Rechnungshof sieht das als sinnvoll an, wie Benz sagt. Er kritisiert aber: „Hier sollte in gleichem Umfang Transparenz und Nachvollziehbarkeit herrschen.“Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) habe beispielsweise 39 von 70 Millionen Euro in die Sanierung von Straßen gesteckt. Der Rest sei etwa in die Planung geflossen. Der Rechnungshof schlägt vor, dass der Landtag darüber informiert werden sollte, wie die Gelder zum Abbau impliziter Schulden verwendet wurden. SPD-Fraktionschef Andreas Stoch unterstützt die Idee. „Es ist unglaublich, dass ein Drittel des Budgets für den Erhalt der Landesstraßen für andere Bereiche verwendet wurde“, sagt er zum konkreten Fall. Die FDP im Landtag prüft, ob es sich dabei vielleicht um einen Verstoß gegen die Landeshaushaltsordnung handelt.
Zentren für Psychiatrie sollen weniger Geld bunkern
Die sieben Zentren für Psychiatrie (ZfP) haben laut Rechnungshof zusammen 271 Millionen Euro auf Bankkonten angelegt. Besonders viele Rücklagen hat das ZfP Südwürttemberg mit seinen Standorten in Bad Schussenried, Weissenau und Zwiefalten gebildet: 81,7 Millionen Euro. Wegen dieser guten finanziellen Lage sollte das Land den Einrichtungen nur noch bei großen Baumaßnahmen Geld geben, und zwar erst, wenn diese abgeschlossen sind, empfiehlt der Rechnungshof. Auch sollte kein Geld aus dem Topf für implizite Verschuldung fließen und Kreditaufnahmen nur mit Zustimmung des Landtags möglich sein. Die Geschäftsführer der ZfP wehren sich gegen den Vorwurf, Geld zu horten. Dies sei nötig für geplante Investitionen – etwa 30 Millionen für den Neubau einer Klinik und eines Ambulanzzentrums in Biberach. Auch Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) wehrt sich gegen die Kritik. „Ich lehne alle Vorschläge ab“, sagt er am Montag in Stuttgart. Die Zentren müssten wirtschaftlich sein.
Zulagen fließen unrechtmäßig an Fachhochschulen
Zwischen 2013 und 2017 haben die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, die früheren Fachhochschulen, insgesamt 370 Zulagen an Professoren für deren Forschung gewährt. Besonders viel, nämlich mehr als 300 000 Euro, flossen demnach an der HTWG in Konstanz. Die Hochschulen in Aalen, Biberach, Furtwangen und Reutlingen gewährten in diesem Zeitraum zwischen 100 000 und 300 000 Euro. In zwei Dritteln der Fälle habe es materielle Fehler gegeben, moniert der Rechnungshof. Wünscht sich dessen Präsident Benz eine bessere Rechtsaufsicht durch Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne)? „Eine deutlichere Fach- und Rechtsaufsicht, ja“, sagt er. Ministerin Bauer erklärt, dass sie bereits seit Februar dazu mit den Hochschulen im Kontakt sei. Die unrechtmäßig vergebenen Forschungszulagen erinnern an fälschlich vergebene Leistungszulagen an Professoren. Damit befasst sich unter anderem gerade ein Untersuchungsausschuss des Landtags.
Polizei schneller ausbilden
Nach Ansicht des Rechnungshofs könnten Polizisten deutlich schneller und günstiger ausgebildet werden. Beamte im mittleren Dienst, die in den gehobenen Dienst aufsteigen wollen, studieren bislang gemeinsam mit denjenigen, die direkt in den gehobenen Dienst einsteigen wollen. Da die Aufsteiger Vorkenntnisse mitbringen, sollte ihr Studiengang abgekoppelt und gestrafft werden. Das spare bis zu zwei Semester. Das Land sollte zudem die neunmonatige Vorausbildung für Direkteinsteiger abschaffen. Diese sei deutschlandweit einmalig und diene nur dazu, Neulingen Einblicke zu gewähren, damit diese gemeinsam mit den Aufsteigern studieren können. Das Innenministerium will die Vorschläge umsetzen, heißt es in einer Stellungnahme. Das sei aber erst möglich, wenn die derzeitige Einstellungsoffensive beendet sei.
Land sollte mehr auf Photovoltaikanlagen setzen
Rechnungshofpräsident Benz äußert sich verwundert darüber, dass eine grün-geführte Landesregierung so wenige Photovoltaikanlagen auf den 8000 landeseigenen Gebäuden installiert habe. Die Prüfer zählten neun, und diese seien nicht optimal ausgerichtet. Als Beispiel diene das Verkehrskommissariat in Kißlegg. Die Anlage an dessen Fassade werde nie ihre Investitionskosten erwirtschaften. 72 weitere Anlagen auf Landesgebäuden seien an Dritte vermietet – und diese seien deutlich wirtschaftlicher. Der Rechnungshof empfiehlt, mehr Anlagen zu installieren und den erzeugten Strom selbst zu nutzen. Das biete sich besonders bei Gebäuden mit hohem Stromverbrauch wie Hochschulen an.