Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Italien erhöht den Druck auf die EU
Italien macht Ernst und will seine Verpflichtungen im Rahmen offizieller EU-Rettungsmissionen bis auf weiteres nicht mehr erfüllen.
Das bedeutet, dass Italien auch jene Migranten, die sich an Bord von Schiffen und Booten der europäischen Marinemission mit dem Namen „Sophia“befinden, nicht mehr aufnehmen wird. Diese Entscheidung habe, heißt es in der „Welt“, Italiens Außenminister Enzo Moavero Milanesi der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini schon vor mehreren Tagen brieflich mitgeteilt. Das Eingehen des Schreibens wurde in Brüssel bestätigt. Mit dieser Entscheidung der italienischen Regierung geht die Auseinandersetzung um die Aufnahme von Migranten in Italien in eine neue Runde.
Die Blockadehaltung Italien zeigte noch am Freitag Wirkung: Die EU will den Marineeinsatz baldmöglichst überprüfen. Vertreter der EUStaaten einigten sich nach Angaben von Diplomaten am Freitagabend in Brüssel darauf, möglichst innerhalb der kommenden fünf Wochen eine neue Strategie für den Umgang mit bei dem Einsatz geretteten Migranten zu vereinbaren.
Italiens Innenminister Matteo Salvini, Chef der rechten und ausländerfeindlichen Partei Lega, hatte vor wenigen Wochen bereits entschieden, dass Migranten, die von Schiffen von Nichtregierungsorganisationen aufgenommen werden, nicht mehr in Italien an Land gehen dürfen. Die Entscheidung Salvinis, diesen Schiffen das Anlegen zu verbieten, sorgte international für scharfe Kritik – auch seitens der EU und des UN-Flüchtlingskommissariats.
„Unser Land ist nicht mehr in der Lage“, erklärte der Innenminister am Freitag, „alle diese Menschen aufzunehmen, und solange unterzubringen, bis Brüssel endlich entschieden hat, wo wie viele dieser Menschen in den EU-Staaten unterkommen werden.“„Die rechte Regierung setzt der EU ein scharfes Messer auf die Brust“, titelte am Freitag die Tageszeitung „la Repubblica“. Man wolle, so der ehemalige sozialdemokratische Regierungschef Matteo Renzi, „die EU zwingen, endlich eine gemeinsame EU-Lösung zur Migrantenfrage zu finden“.
Auch die Opposition fordert Hilfe
Gegen eine solche Lösung hat auch Italiens Opposition grundsätzlich nichts einzuwenden. Sie kritisiert allerdings die Hauruckmethoden Salvinis. Italiens Regierungschef Giuseppe Conte forderte schon am vergangenen Samstag in einem Brief an EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Kommissionspräsident JeanClaude Juncker, dass die Mission „Sophia“überarbeitet werden müsse. Es müsse, erklärte ein Regierungssprecher, festgelegt werden, welches EU-Land wie viele Migranten bei jeder Rettungsaktion aufnehmen werde. Von der Aufteilung der Migranten, so Conte, dürfe kein EULand ausgeschlossen werden.
Conte verweist in diesem Fall auf das Vorgehen bezüglich der rund 450 Migranten, die sich an Bord von zwei Schiffen der EU-Grenzschutzbehörde Frontex befanden – und die vor kurzem direkt und unverzüglich auf verschiedene EU-Partner verteilt wurden. Ein solches Vorgehen müsse, so Italiens Regierungschef, „zur europäischen Praxis werden“, oder „wir lassen keine Rettungsschiffe mehr in unsere Häfen“.