Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Alleingelassen in der Notunterkunft
Obdachlose Frauen in Ailingen klagen über Missstände – Ihnen fehlt ein Sozialarbeiter
FRIEDRICHSHAFEN - Alte Küchenmöbel, kein Sozialarbeiter, der regelmäßig vorbei kommt und nur ein Kühlschrank und eine Waschmaschine für alle – das ist schon länger der Alltag für die Frauen in der Obdachlosenunterkunft in Ailingen (Die SZ berichtete zuletzt im Mai 2017). Die Stadt, die diese Unterkunft betreibt, sieht Missstände ein – allerdings nur zum Teil.
Auf drei Etagen leben zehn Frauen und eine Familie im ehemaligen Schul- und Mesnerhaus Ailingen. Wenn sie beim Einzug keine eigenen Möbel mitbringen, bekommen sie von der Stadt ein Bett und eine Matratze gestellt. Jede Etage hat eine Küche, ein Bad und eine Toilette, die sich die Bewohner teilen müssen.
Die Frauen, die im ehemaligen Schul- und Mesnerhaus Ailingen leben, sprechen offen über ihr Leben in der Unterkunft. Ihre Namen wollen sie nicht in der Zeitung lesen. Zu groß ist ihre Angst, dass ihnen das Probleme bereiten könnte. Schließlich ist das alte Haus an der Ittendorfer Straße derzeit die letzte Möglichkeit, ein Dach über dem Kopf zu haben. Rund 200 Euro monatlich zahlen die Frauen von ihren Sozialleistungen für ein kleines Zimmer in dem Haus. Sie hoffen , dass ihre Wohnungssuche bald Erfolg hat, damit sie wieder in ein ruhigeres Leben zurück können.
Doch bis es soweit ist, wollen sie den Alltag in der Unterkunft so gut es geht bestreiten. Doch das ist nicht so einfach: Derzeit gibt es im gesamten Haus nur einen Kühlschrank und eine Waschmaschine für alle Bewohnerinnen. „Ich habe bei meinem Einzug darauf hingewiesen, dass ein Kühlschrank wohl kaum für alle reichen wird“, sagt eine Frau, die seit Kurzem in der Unterkunft lebt. „Mir wurde gesagt, dass man so einkaufen könne, dass man keinen Kühlschrank braucht“, sagt sie und zuckt mit den Achseln. Auch eine zweite Waschmaschine wünschen sich die Frauen. „Eine einzige reicht einfach nicht aus“, sagt eine andere Bewohnerin. Seit Monaten sei die zweite Maschine im Haus bereits kaputt, aber nichts passiere.
Die Frauen sind deprimiert von der Situation. Jede von ihnen hat ihre eigene Geschichte. „Wir sind alle ein bisschen angeknackst. Es kommt deshalb oft zu Streit. Man kann sich nicht darauf konzentrieren, weiterzukommen“, sagt eine der Bewohnerinnen. Sie wünscht sich mehr Unterstützung von der Stadt. „Ich möchte einfach wie ein Mensch behandelt werden“, sagt sie weiter. Damit all die unterschiedlichen Charaktere miteinander leben können, sei es sehr wichtig, dass es einen Sozialarbeiter gibt, der regelmäßig die Unterkunft aufsucht und einen Blick auf alles hat, was dort passiert. Doch so jemanden gibt es nicht.
Die Frauen fühlen sich im Gegensatz zu den Männern, die in der Obdachlosenunterkunft an der Keplerstraße wohnen, benachteiligt. Die Männer haben einen wöchentlichen Putzdienst und bekommen einmal pro Woche eine warmes Mittagessen. Die Frauen in Ailingen müssen für alles selbst sorgen. Manchmal kommt es deshalb zu Reibereien, sodass die Eine oder Andere die Gemeinschaft meidet.
Nicht alles ist nachvollziehbar
Die Stadt sieht die Probleme, die die Bewohnerinnen sehen nur zum Teil. Auf Nachfrage der Schwäbischen Zeitung teilt eine Sprecherin mit, dass schon bald ein weiterer Kühlschrank angeschafft werden soll. Eine Waschmaschine reiche dagegen aus. „Da es sich um eine Notunterkunft zur vorübergehenden Unterbringung handelt, ist es aus unserer Sicht nicht erforderlich, weitere Waschmaschinen zur Verfügung zu stellen“, teilt eine Sprecherin der Stadt mit. Auch die Stelle des Sozialarbeiters möchte die Stadt bald besetzen. Es sei eine 25 Prozent Stelle für die Unterkunft vorgesehen, das Bewerbungsverfahren laufe derzeit.
Einen Putzdienst, wie es ihn in der Männerunterkunft gibt und auch ein warmes Mittagessen pro Woche, soll es auch in Zukunft nicht in Ailingen geben. Die Bewohner seien selbst verpflichtet, die Zimmer und Gemeinschaftsräume zu reinigen. Dass es bei der Männerunterkunft anders aussieht, liege daran, dass es dort Probleme gegeben habe. Um das wöchentliche Mittagessen kümmern sich dort ehrenamtliche Helfer, heißt es von der Stadt. Den Vorwurf, dass die Bewohnerinnen sich nicht wie Menschen behandelt fühlen, weist die Stadt scharf von sich. „Uns liegen diesbezüglich keine Meldungen oder Beschwerden vor. Wir behandeln die Bewohner durchaus menschlich, auch wenn wir nicht jeden Wunsch und jede Forderung erfüllen können“, teilt die Stadt mit.
Die Bewohnerinnen hoffen weiter auf Besserung. „Ich wünsche mir einfach mehr Unterstützung“, sagt eine der Frauen.