Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
„Die besten Ideen habe ich in der Badewanne“
Krebsforscher und Spieleerfinder – Wolfgang Warschs „The Mind“könnte „Spiel des Jahres 2018“werden
Er ist eigentlich Molekularbiologe und ein Neuling in der Spieleszene – und hat dieses Jahr vier Neuheiten veröffentlicht. Außergewöhnlich ist: Gleich drei seiner Spiele sind für die Preise „Spiel des Jahres“und „Kennerspiel des Jahres“nominiert. Das gab’s noch nie. Unsere Mitarbeiterin Tanja Liebmann-Décombe hat mit dem 38-Jährigen über seine Leidenschaft gesprochen.
Herr Warsch, wie fühlen Sie sich angesichts der Lorbeeren von der Jury „Spiel des Jahres“?
Ich bin total glücklich und sehr stolz. Als ich von den Nominierungen erfahren habe, hat mich das getroffen wie ein Blitz. Ich bin erstmal wie angewurzelt dagesessen.
Ein unvergesslicher Moment?
Ja, absolut und sehr emotional. Nach meiner Schockstarre bin ich aufgesprungen und habe meine Frau umarmt. Auch jetzt, Wochen später, ist es ein total tolles Gefühl, mit drei Spielen nominiert zu sein.
Am Montag ist die Preisverleihung in Berlin. Sind Sie schon aufgeregt?
Zurzeit bin ich noch gelassen. Wenn ich dort bin, werde ich mich allerdings nicht 100 Prozent wohl in meiner Haut fühlen: Ich bin jemand, der nicht gerne in der Öffentlichkeit steht und redet.
Ihre Erfindung „The Mind“könnte die Auszeichnung „Spiel des Jahres“bekommen. Wie sind Sie auf die Idee zu dem Spiel gekommen?
Ich hatte die Idee zu „The Mind“schon lange im Kopf, hab’ sie aber erst vor zwei Jahren mit meinem Schwager getestet. Anfangs zweifelte ich, dass das „stille Kommunizieren“funktionieren könnte. Die Idee aber fand ich witzig und originell.
Um was geht es bei „The Mind“?
Es ist ein kooperatives Kartenspiel, bei dem die Spieler – ohne eine vorbestimmte Reihenfolge und ohne miteinander zu reden – Karten ablegen. Jeder agiert dann, wenn er meint, dass jetzt ein guter Zeitpunkt dafür ist. Das Ziel ist es, die Karten in aufsteigender Zahlenfolge in die Mitte zu legen und mehrere Levels zu erreichen.
Das funktioniert nicht immer, oder?
Ja, und wenn die Spieler einen Fehler machen, verlieren sie ein „Leben“. Erstaunlicherweise klappt das „Ablegen ohne Worte“aber meist sehr gut – vor allem in Gruppen, die sich gut kennen und auf einer Ebene schwingen.
Das hört sich esoterisch an …
Ja, aber dass „The Mind“ohne Worte funktioniert, hat nichts mit Esoterik zu tun, sondern damit, dass man ein gemeinschaftliches Zeitgefühl entwickelt und merkt, wann es an der Zeit ist, eine Karte abzulegen.
Sie sind Naturwissenschaftler. Hilft Ihnen das beim Spieleerfinden?
Kann sein, denn ein Spiel zu entwickeln ist zu 90 Prozent Kopfarbeit, und die macht mir großen Spaß. Ich mag abstraktes Denken, Rätsel, Mathematik und das Erfassen von Zusammenhängen. Gleichzeitig bin ich gerne kreativ. Ich denke, das ist fürs Spieleerfinden eine gute Kombination.
Sie waren als Molekularbiologe zwölf Jahre lang in der Krebsforschung tätig. Wollen Sie nach ihrem diesjährigen Erfolg nun hauptberuflich Spieleentwickler werden?
Das wäre eine nette Vorstellung, aber das werde ich wohl nicht wagen. Ich will nicht von meinem Einfallsreichtum und meiner Kreativität abhängig sein, um meine Familie ernähren zu können. Zur Hälfte Wissenschaftler und zur Hälfte Spieleerfinder zu sein, halte ich für einen guten Plan.
Wie viel Zeit und Arbeit steckt in Ihren Spielen?
Das hängt vom Spiel ab. Der Prototyp für „The Mind“stand bereits nach einer Woche. Bei anderen Spielen kann sich die Entwicklung aber über Monate und Jahre hinweg ziehen.
Holen Sie sich von anderen Spieleerfindern Anregungen?
Eher nicht. Ich habe zwar schon als Kind viel gespielt und war schon immer spieleaffin. Ich bin aber kein Brettspiel-Freak und spiele aktuell nur so sechs oder acht neue Spiele pro Jahr. Vielleicht hilft mir das, da ich dann nicht schnell auf mir bekannte Mechanismen zurückgreifen kann, sondern gezwungen bin, selbst auf eine hoffentlich neue Idee zu kommen.
Wo und wann kommen Ihnen die besten Ideen?
(lächelt) Tatsächlich in der Badewanne und beim Spazierengehen. Ich muss mich fallen lassen und entspannen können. Als zweifacher Familienvater habe ich dafür leider immer seltener die Zeit. Aber es hilft auch schon, im Zimmer oder auf der Terrasse auf- und abzugehen.
Und wann haben Sie gemerkt, dass Ihnen Spieleerfinden Spaß macht?
Das war vor rund 25 Jahren im Gymnasium. Damals, so mit elf oder zwölf Jahren, habe ich mir öfters kleine Spiele für uns Schüler ausgedacht. Ich wollte Spieleerfinder oder Naturwissenschaftler werden und hatte den Traum, entweder die Auszeichnung „Spiel des Jahres“oder den Nobelpreis zu bekommen.