Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Recycling à la Americana
Die Roots-Rocker The Jayhawks spielen eigene Lieder, die für andere Künstler vorgesehen waren
Bis heute streiten sich Experten und Fans darüber, welche Variante der US-Band The Jayhawks die bessere ist: jene von einst mit Sänger Mark Olson oder jene, bei der Gary Louris als einziger Sänger und Songschreiber im Vordergrund steht. Die Diskussion ist ebenso müßig wie überflüssig: Die Jayhawks, aktuell mal wieder ein reines Louris-Projekt, stehen so oder so für Americana, Alternative-Country und Roots-Rock der Spitzenklasse. Und dass es sich bei ihrem zehnten Studioalbum „Back Roads And Abandoned Motels“(Columbia/Sony) eigentlich nur um Recycling handelt, tut der Sache erst recht keinen Abbruch.
Louris und seine Mitstreiter spielen – mit zwei Ausnahmen – Lieder, die der Songschreiber für andere Künstler oder Bands verfasst hat. Da aber in Europa all jene, die der 63Jährige erfolgreich mit seinen außergewöhnlichen, allesamt Country-infizierten Liedern versorgt hat, kaum einer kennt, klingt alles wie neu, alles wie immer – und somit komplett schlüssig. „Everybody Knows“etwa tönt wieder weitaus erdiger als bei den in den Staaten wesentlich populäreren Dixie Chicks. Gleiches gilt für „Need You Tonight“, das für die doch recht poppig orientierte NewCountry-Combo Sugarland geschrieben wurde.
Ein Höhepunkt reiht sich an den anderen. Louris holt sich seine Songs zurück: „Bitter End“, auch dieses Stück wurde für die Dixie Chicks geschrieben, oder auch das ruhige, nachdenkliche „Bird Never Flies“. Dass dieser Song sehr ähnlich interpretiert wird wie zuvor vom Folksänger Ari Hest? Geschenkt! Kaum einer kennt hierzulande die erste Version des jungen New Yorkers.
Zum Abschluss präsentiert Louris mit „Carry You To Safety“und „Leaving Detroit“doch noch zwei neue Songs. Atmosphärische, eher ruhig gehaltene Lieder, die sich vortrefflich in die bemerkenswerte Diskografie der Jayhawks einreihen. Egal, ob mit oder ohne Olson. Louris, der übrigens ein hervorragender Gitarrist ist, hat hörbar Freude am Musizieren, völlig unabhängig davon, ob die Songs zuvor schon jemand anderes gesungen hat. Das ist erstklassige Zweitverwertung. Ganz am Rande ist das Album als CD oder auf Vinyl ein kleines Gesamtkunstwerk: Das Cover ziert ein Foto von Wim Wenders. Die Sonne versinkt vor einem maroden Motel irgendwo im Nirgendwo des tiefen Südens der Staaten, im Hintergrund sind drei ebenfalls nicht mehr ganz taufrische Silos zu sehen. Dennoch sieht alles recht idyllisch aus. Exakt diese Stimmung transportiert die ganze Platte.