Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Nur ein großer Bluff? Froome will für Thomas fahren
„Hauptsache ein Sky-Fahrer gewinnt“– Chris Froome und Co. kämpfen in den Pyrenäen um den Gesamtsieg der Tour de France
CARCASSONNE (SID) - Der historische fünfte Tour-Sieg? Unwichtig! Das Ende seiner jahrelangen Dominanz? Nebensächlich! Chris Froome lächelte genügsam, als der Titelverteidiger der Tour de France seinem Edelhelfer Geraint Thomas vor den letzten Prüfungen in den Pyrenäen alle Unterstützung im Kampf um das Gelbe Trikot zusicherte. Ob er für Thomas auf seine eigenen Ambitionen verzichten würde, wurde Chris Froome am zweiten Ruhetag gefragt. Die Antwort war kurz und deutlich: „Ja!“Muss der Gesamtführende Thomas ihm im Falle einer Schwächephase helfen? „Nein! Solange ein Sky-Fahrer in Paris oben auf dem Podium steht, bin ich glücklich.“
Froome erteilte seinem langjährigen Teamkollegen und Kumpel, mit dem er öffentlich Nettigkeiten austauschte, überraschend die Erlaubnis, selbst auf Sieg zu fahren. Die Teamhierarchie ist auf den Kopf gestellt, die Debatte um die Kapitänsfrage beendet. „Wir sind in einer großartigen Position. Es ist nicht unsere Aufgabe zu attackieren. Die anderen Fahrer müssen versuchen, Zeit auf uns gutzumachen“, so Froome.
Oder war doch alles nur ein großer Bluff? „Wer weiß ...“, antwortete Froome lachend. Sky und im Speziellen Froome sind seit Beginn der Tour de France wegen der AsthmamittelAffäre steten Anfeindungen ausgesetzt. Buhrufe und Pfiffe sind noch die harmlosesten Auswüchse der Unmutsbekundungen. Möglich, dass Sky, bekannt für penible Planungen, Froome vorerst das Gelbe Trikot ersparen und den 33-Jährigen so schützen will. Ein Freifahrtschein für den Helfer wäre zudem ein Novum bei der britischen Equipe.
2012 etwa hatte Froome zugunsten des schwächeren Bradley Wiggins auf die Siegchance verzichten müssen. Im Vorjahr, bei Froomes viertem Gesamtsieg, war der Spanier Mikel Landa der Leidtragende. Am Samstag steht auf der 20. Etappe ein hügeliges Zeitfahren auf dem Plan. Womöglich würde Froome erst dann ins Maillot jaune fahren – und schließlich in Paris feiern.
Die größte Gefahr für Froome und Thomas kommt letztlich nicht aus den eigenen Reihen. Sie heißt Tom Dumoulin. Der Niederländer vom in Deutschland lizenzierten Team Sunweb fährt eine glänzende Tour. Er liegt in der Gesamtwertung auf Rang drei, 1:50 Minuten hinter Thomas, nur elf Sekunden hinter Froome.
„Wenn ich alles gegeben und mir nichts vorzuwerfen habe, wäre ich auch mit Platz drei zufrieden“, sagte er. Die Gefahr, dass dem Zeitfahrweltmeister in den Pyrenäen die Kräfte ausgehen, ist aber real. Dumoulin sieht allerdings noch keinen Kräfteverschleiß – im Gegenteil. „Ich bin besser als beim Giro unterwegs, komme die Berge besser hinauf“, sagte er. Sorgen bereitet Dumoulin dagegen Froome, und das aus gutem Grund. Schon bei der Italien-Rundfahrt fuhr der Brite zwei Wochen ohne die gewohnte Dominanz. Dann kam der Colle delle Finestre. Froome zog am berüchtigten Anstieg in der Schlusswoche davon, setzte zu einem 80 km langen Sensations-Solo an und legte den Grundstein für den Gesamtsieg. „Es könnte wieder passieren, aber ich hoffe, dass es nicht so kommt“, sagte Dumoulin.