Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Eine Luftnummer
Tettnanger Firma wehrt sich gegen Vorwürfe des Erfinders einer aufblasbaren Gafferschutzwand
TETTNANG - Die Gafferschutzwand wird nun doch nicht in Tettnang produziert. Im letzten Jahr ließ Erfinder Dieter Mohn bei Seam-Tec in Bürgermoos die ersten beiden Prototypen anfertigen. Ein Video von RegioTV wurde im sozialen Netzwerk Facebook mehr als eine halbe Million Mal aufgerufen. Aus einer weitergehenden Zusammenarbeit ist nun doch nichts geworden. Offen ist allerdings noch eine Rechnung in Höhe von etwa 1200 Euro.
Der Hintergrund der Erfindung: Um Opfer von Unfällen im Straßenverkehr vor den neugierigen Blicken von Gaffern zu schützen, hatte sich Dieter Mohn aus Ludwigslust in Mecklenburg-Vorpommern etwas einfallen lassen: Er hat eine neue Form der Gafferschutzwand erfunden, deren Kunststoffskelett mit Luft gefüllt wird. Darin werden Planen aufgehängt, die bedruckt werden können. Die Wände sind flexibler einsetzbar und leichter zu verstauen als beispielsweise Lösungen, bei denen Bauzäune zum Einsatz kommen, die erst aufwendig zum Unfallort gebracht werden müssen.
Laut Dieter Mohn seien die Preise im Rahmen einer Besprechung gestiegen, bei der ein norddeutscher Gesellschafter der Firma Seam-Tec anwesend gewesen sei. Dieser hätte die Fertigungskosten verdoppelt und habe das Geschäft an sich reißen wollen, so der Vorwurf. Mohn hätte nach eigener Aussage eine sehr hohe Menge der Wände, etwa 50 bis 60 Stück, abnehmen müssen. Außerdem sagt er, wäre er bei dem Projekt völlig außen vor gewesen. „Dieses unseriöse Vorgehen hat mich abgeschreckt“, sagt der Erfinder der Gafferschutzwand. Daher habe er nach dem dritten Termin entschieden, die Zusammenarbeit zu beenden.
„Eine Rechnung in Höhe von 1200 Euro ist noch offen“, sagt Mohn gegenüber der Schwäbischen Zeitung. Er habe das Geld deshalb nicht bezahlt, weil er einigen Aufwand gehabt habe, um das Geschäft ins Rollen zu bringen. Er sei dreimal vor Ort gewesen, das hätte für ihn einige Kosten verursacht.
Höhere Kosten wegen Aufwand
Aus Sicht von Seam-Tec-Geschäftsführer Andreas Reimann stellt sich die Situation anders dar. Die Kosten seien gestiegen, weil der Aufwand erheblich höher geworden sei, sagt der Tettnanger Unternehmer. Nachdem die ersten beiden Prototypen fertig geworden seien, habe Mohn noch Veränderungen vornehmen wollen: „Es waren einfach noch weitere Details dazugekommen.“Die ersten beiden Wände seien günstiger gewesen, aber bei dem zweiten Auftrag habe Reimann den Preis durch den höheren Aufwand nicht halten können. Immerhin sei es da auch nicht um die Serienproduktion, sondern immer noch um Prototypen gegangen. Das habe der Auftraggeber auch gewusst: „Den Auftrag in dieser Höhe hat Herr Mohn auch bestätigt.“Das sei ihm klar gewesen. Er sieht nicht ein, das mit den Fahrten Mohns nach Tettnang zu verrechnen, da es hier ja um die Produktionskosten gehe.
Reimann: „Ich fand das Thema einfach interessant. Es war ja gar nicht absehbar, ob das mal was werden würde.“Sprich: Der Preis für Prototypen ist wegen der Entwicklungskosten generell höher als ein späterer Serienpreis. Auch ohne Gafferschutzwand ist Seam-Tec auf Wachstumskurs. Das Unternehmen fertigt Produkte unter anderem im Industriebereich und hat den Mitarbeiterstamm in den vergangenen Monaten weiter aufgebaut.
Der Gesellschafter, dem Dieter Mohn unseriöses Geschäftsgebaren vorwirft, wollte sich auf Nachfrage der Schwäbischen Zeitung nicht äußern. Andreas Reimann verweist darauf, dass er keine Kenntnis von einem solchen Vorfall hat. Er könne sich das aber schwer vorstellen, schließlich handle es sich beim Gesellschafter um einen großen Hersteller unter anderem im Bereich Medizintechnik.
Erfinder macht eigene Näherei auf
Inzwischen produziert Dieter Mohn die Gafferschutzwand laut eigener Aussage selbst. Dafür habe er eine kleine Näherei aufgemacht, in der er syrische Flüchtlinge beschäftige. 25 Wände hätten diese bereits produziert. Momentan sei allerdings Pause. Grund dafür sei die unklare Gesetzeslage, wer für den Schutz vor Gaffern zuständig ist. Erst wenn die Entscheidung falle, ob Feuerwehr, Polizei oder Rettungskräfte für den Schutz vor Gaffern sorgen müssen, würde er wieder voll in die Produktion einsteigen, sagt Mohn. Vor der Produktionspause habe er aber bereits zehn seiner Gafferschutzwände verkaufen können.
„Ich habe viele unseriöse Angebote bekommen“, sagt Mohn. Eine Firma aus Lübeck etwa habe nach einer Produktdemonstration selbst eine Wand mit ähnlichem Prinzip auf den Markt gebracht. „Inzwischen hat diese Firma das aber wieder aufgegeben“, sagt Mohn. Für Andreas Reimann ist das Kapitel jedenfalls beendet: „Solche Kunden gibt es einfach. Damit muss man halt leben.“