Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Erdbeben bei Aldi Nord: Discounter-Chef wirft hin
Modernisierungsprogramm zu langsam umgesetzt – Marc Heußinger beklagt mangelnde Unterstützung durch Eigentümerfamilie
BERLIN (dpa) - Aldi kennt jeder, die Aldi-Chefs kaum jemand. Jetzt hat der Aldi-Nord-Chef Marc Heußinger unerwartet hingeworfen. Die Personalie liefert ungewohnt tiefe Einblicke in das Innenleben des Discountriesen.
Der Trennung ging offenbar ein Streit um das milliardenschwere Modernisierungsprogramm des Billiganbieters voraus. Jetzt hat der 52-Jährige „darum gebeten, ihn von seiner Funktion und seinen Aufgaben zu entbinden“, teilte das Unternehmen am Freitag mit. Bis auf Weiteres hat Heußingers bisheriger Stellvertreter Torsten Hufnagel (45) die Gesamtverantwortung im Verwaltungsrat übernommen. „Damit ist die Unternehmensgruppe voll handlungsfähig“, betonte der Discounter.
Heußinger hatte den Chefsessel bei Aldi Nord 2011 übernommen. Es war eine schwierige Zeit für den Discounter. Denn der Billiganbieter drohte damals den Anschluss an das Schwesterunternehmen Aldi Süd und den Konkurrenten Lidl zu verlieren. So kam es in seiner Amtszeit zu einer grundsätzlichen Neuausrichtung.
Mehr frische Produkte, mehr Markenartikel und hübschere Läden sollten dem Unternehmen neuen Schwung geben. Zurzeit investiert der Billiganbieter im Zuge des Projekts Aniko (Aldi Nord Instore Konzept), dem größten Investitionsvorhaben der Unternehmensgeschichte, mehr als fünf Milliarden Euro in die Modernisierung der Filialen. Doch gerade um dieses Projekt soll es zuletzt Auseinandersetzungen innerhalb der Führungsspitze gegeben haben. Wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr, wurde Heußinger innerhalb des Unternehmens und von den Eigentümerfamilien vorgeworfen, er setze das vor einem Jahr beschlossene Modernisierungsprogramm nicht schnell genug um. Außerdem seien die Wachstumsraten des Discounter-Konzerns hinter den Erwartungen geblieben.
Mangelndes Vertrauen
Heußinger seinerseits soll sich darüber beklagt haben, dass seine Entscheidungen immer wieder angezweifelt worden seien und er bei der Umsetzung behindert worden sei. Aus seinem Umfeld heißt es, er habe den Eindruck gehabt, dass die Jakobus-Stiftung, die ein Drittel von Aldi Nord besitzt, ihm kein Vertrauen mehr entgegengebracht habe. Ein Sprecher wollte die Informationen nicht kommentieren. Mitarbeiter berichten, dass Heußinger in den vergangenen Wochen wie gelähmt gewirkt habe. Er hat das Unternehmen nach dpa-Informationen bereits verlassen. Beigetragen zu den Problemen hat wohl auch die komplizierte Eigentümerstruktur des Discounters. Das Unternehmen ist im Besitz von drei Stiftungen: der Markus- und der Lukas-Stiftung, die von der Gründerwitwe Cäcilie Albrecht und ihrem Sohn Theo Albrecht Junior kontrolliert werden, sowie der Jakobus-Stiftung, bei der Nachkommen von Theos 2012 gestorbenem Bruder Berthold das Sagen haben. Große Investitionen und wichtige Entscheidungen können von den Stiftungen nur einstimmig freigegeben werden.
Nachfolger steht schon bereit
Bei Aldi Nord hat nun erst einmal Heußingers Stellvertreter Hufnagel das Ruder übernommen. Er gilt auch als aussichtsreichster Kandidat bei der endgültigen Besetzung des Chefpostens. Denn Hufnagel wurde bei Aldi Nord seit Jahren aufgebaut, genau mit dem Ziel, einmal an die Spitze des Discounters zu rücken. Er gilt als Architekt des milliardenschweren Modernisierungsprogramms. Im Unternehmen erwartet man, dass dieses nun deutlich schneller umgesetzt wird und die angestaubten Filialen bald alle umgebaut sind.