Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Der beste Kurator bleibt unsichtbar
Es sollte keine Ausstellung über das Thema der Leere sein, aber sie sah so aus.
Der Raum kahl, an den Wänden Texte mit ein paar Fotos drauf. Wenn man sich diese Ausstellung als Katalog vorstellt, dann wäre daraus ein Katalögle entstanden, mehr aber nicht. Kurzum: Es fehlte an Exponaten. Menschen sind nun mal sinneshungrige Wesen. Sie gehen in eine Ausstellung, weil sie etwas Besonderes sehen wollen. Wenn nichts als eine Wand mit Texten auf sie wartet, schlägt sich die Enttäuschung im Gästebuch nieder. Im Gästebuch dieser Ausstellung fanden sich so viele geharnischte Einträge, dass man den Organisatoren nur zu ihrer Standhaftigkeit gratulieren konnte, es nicht einfach stillschweigend verschwinden zu lassen.
Das interaktive Museum ist in aller Munde. Es gibt aber auch einen Trend zu allzu aufgeräumten Ausstellungen. Das gilt auch für solche, in denen es an Vorzeigbarem durchaus nicht fehlt. Nur sind die Ausstellungsstücke darin so streng durchkuratiert, dass kein aufgelockerter Erlebnisraum entsteht. Man bewegt sich wie durch ein von Erwachsenen eingerichtetes Kinderzimmer, in dem man nach nichts die Hand ausstreckt; so als ob schon eine Berührung die geheiligte Ordnung durcheinanderbringen könnte. Idealerweise sollte jede Ausstellung aber ein Exponat haben, das die Kraft und die Ausdrucksstärke hat, das sauber gegliederte Konzept des Kurators zu sprengen. Dieses Exponat zu besorgen, dann seine Kraft aber auch zu sehen und ins rechte Licht zu stellen, ist die Aufgabe des Kurators. Tut er es nicht, stellt er sich über die Exponate – und verfehlt damit den Kern seiner Aufgabe. Das Wort Kurator leitet sich vom lateinischen „curare“her – was „sorgen, „kümmern“bedeutet. Die Sorge des Kurators sollte es sein, das Gezeigte auch zur Geltung kommen zu lassen. Also nicht nur zu erklären, warum ein Exponat wichtig ist, sondern diese Wichtigkeit und Besonderheit auch durch die Art und Weise auszudrücken, wie es positioniert wird.
Auch das interaktive Museum hat seine Macken. Kein Ausstellungsstück, vor dem nicht ein Tablet-Computer steht. Der Besucher drückt und wischt, bis er von der Präsenz des Ausgestellten nicht mehr viel wahrnimmt. Im schlimmsten Fall ärgert er sich, weil die Informationshäppchen auf dem Touchscreen bis zur Banalitätsgrenze heruntergebrochen werden. Außerdem gibt es an diesen Wisch-Stationen oft so viele Unterkapitel, dass kein Mensch mehr weiß, was er bereits gelesen hat und was noch fehlt. Dann lieber vollgeschriebene Texttafeln an den Wänden. Schon weil sie die Aufmerksamkeit nicht vom Exponat ablenken, das davor steht.
Die besten Ausstellungen sind diejenigen, die mit einem so starken Thema und so starken Exponaten aufwarten, dass die Frage nach dem Kurator von selbst in den Hintergrund tritt. Solche Ausstellungen sind natürlich selten. Wenn man aber auf eine stößt, sollte man sich nicht täuschen. Womöglich begeistert die Ausstellung nur deshalb, weil dem Kurator bewusst war, dass seine Aufgabe eine dienende Haltung erfordert. Je weniger die Arbeit eines Dieners die Aufmerksamkeit auf sich zieht, desto besser.
Die Kulturtipps der Woche: In der Zeppelin-Universität im Fallenbrunnen findet am Mittwoch, 12. September, 18 Uhr, die erste „Fuckup-Night“statt. Junge Unternehmer berichten darin offen, wie sie mit ihren Geschäftsideen gescheitert sind. Im Zeppelin-Museum findet am Donnerstag, 13. September, 19 Uhr, der Vortrag „Die ZF Friedrichshafen AG und die Mobilität der Zukunft“statt. Es spricht Gerhard Gumpoltsberger, Leiter Innovationsprojekte der ZF. Im Kunstverein Friedrichshafen eröffnet am Freitag, 14. September, 19 Uhr, die Ausstellung „Körper Blume Gras Wasser“mit Malerei von Andriu Deplazes. Eine Ausstellung mit Malerei von Nicole Bold wird in der Lände in Kressbronn eröffnet – ebenfalls am Freitag um 19 Uhr. Im Theater Atrium hat am Samstag, 15. September, das Theater Rampenlicht Premiere, mit seiner Inszenierung von Georg Büchners „Leonce und Lena“.