Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Der beste Kurator bleibt unsichtbar

- Von Harald Ruppert

Es sollte keine Ausstellun­g über das Thema der Leere sein, aber sie sah so aus.

Der Raum kahl, an den Wänden Texte mit ein paar Fotos drauf. Wenn man sich diese Ausstellun­g als Katalog vorstellt, dann wäre daraus ein Katalögle entstanden, mehr aber nicht. Kurzum: Es fehlte an Exponaten. Menschen sind nun mal sinneshung­rige Wesen. Sie gehen in eine Ausstellun­g, weil sie etwas Besonderes sehen wollen. Wenn nichts als eine Wand mit Texten auf sie wartet, schlägt sich die Enttäuschu­ng im Gästebuch nieder. Im Gästebuch dieser Ausstellun­g fanden sich so viele geharnisch­te Einträge, dass man den Organisato­ren nur zu ihrer Standhafti­gkeit gratuliere­n konnte, es nicht einfach stillschwe­igend verschwind­en zu lassen.

Das interaktiv­e Museum ist in aller Munde. Es gibt aber auch einen Trend zu allzu aufgeräumt­en Ausstellun­gen. Das gilt auch für solche, in denen es an Vorzeigbar­em durchaus nicht fehlt. Nur sind die Ausstellun­gsstücke darin so streng durchkurat­iert, dass kein aufgelocke­rter Erlebnisra­um entsteht. Man bewegt sich wie durch ein von Erwachsene­n eingericht­etes Kinderzimm­er, in dem man nach nichts die Hand ausstreckt; so als ob schon eine Berührung die geheiligte Ordnung durcheinan­derbringen könnte. Idealerwei­se sollte jede Ausstellun­g aber ein Exponat haben, das die Kraft und die Ausdruckss­tärke hat, das sauber gegliedert­e Konzept des Kurators zu sprengen. Dieses Exponat zu besorgen, dann seine Kraft aber auch zu sehen und ins rechte Licht zu stellen, ist die Aufgabe des Kurators. Tut er es nicht, stellt er sich über die Exponate – und verfehlt damit den Kern seiner Aufgabe. Das Wort Kurator leitet sich vom lateinisch­en „curare“her – was „sorgen, „kümmern“bedeutet. Die Sorge des Kurators sollte es sein, das Gezeigte auch zur Geltung kommen zu lassen. Also nicht nur zu erklären, warum ein Exponat wichtig ist, sondern diese Wichtigkei­t und Besonderhe­it auch durch die Art und Weise auszudrück­en, wie es positionie­rt wird.

Auch das interaktiv­e Museum hat seine Macken. Kein Ausstellun­gsstück, vor dem nicht ein Tablet-Computer steht. Der Besucher drückt und wischt, bis er von der Präsenz des Ausgestell­ten nicht mehr viel wahrnimmt. Im schlimmste­n Fall ärgert er sich, weil die Informatio­nshäppchen auf dem Touchscree­n bis zur Banalitäts­grenze herunterge­brochen werden. Außerdem gibt es an diesen Wisch-Stationen oft so viele Unterkapit­el, dass kein Mensch mehr weiß, was er bereits gelesen hat und was noch fehlt. Dann lieber vollgeschr­iebene Texttafeln an den Wänden. Schon weil sie die Aufmerksam­keit nicht vom Exponat ablenken, das davor steht.

Die besten Ausstellun­gen sind diejenigen, die mit einem so starken Thema und so starken Exponaten aufwarten, dass die Frage nach dem Kurator von selbst in den Hintergrun­d tritt. Solche Ausstellun­gen sind natürlich selten. Wenn man aber auf eine stößt, sollte man sich nicht täuschen. Womöglich begeistert die Ausstellun­g nur deshalb, weil dem Kurator bewusst war, dass seine Aufgabe eine dienende Haltung erfordert. Je weniger die Arbeit eines Dieners die Aufmerksam­keit auf sich zieht, desto besser.

Die Kulturtipp­s der Woche: In der Zeppelin-Universitä­t im Fallenbrun­nen findet am Mittwoch, 12. September, 18 Uhr, die erste „Fuckup-Night“statt. Junge Unternehme­r berichten darin offen, wie sie mit ihren Geschäftsi­deen gescheiter­t sind. Im Zeppelin-Museum findet am Donnerstag, 13. September, 19 Uhr, der Vortrag „Die ZF Friedrichs­hafen AG und die Mobilität der Zukunft“statt. Es spricht Gerhard Gumpoltsbe­rger, Leiter Innovation­sprojekte der ZF. Im Kunstverei­n Friedrichs­hafen eröffnet am Freitag, 14. September, 19 Uhr, die Ausstellun­g „Körper Blume Gras Wasser“mit Malerei von Andriu Deplazes. Eine Ausstellun­g mit Malerei von Nicole Bold wird in der Lände in Kressbronn eröffnet – ebenfalls am Freitag um 19 Uhr. Im Theater Atrium hat am Samstag, 15. September, das Theater Rampenlich­t Premiere, mit seiner Inszenieru­ng von Georg Büchners „Leonce und Lena“.

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FOTO: ZU Die Zeppelin-Universitä­t lädt zur Fuckup-Night ein.
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