Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Wie ein Bahnhof zum Museum wird

Spagat zwischen Denkmalsch­utz und neuer Funktion – Archiv liegt 14 Meter unter dem Spiegel des Bodensees

- Von Christel Voith

FRIEDRICHS­HAFEN - Eigentlich ist der ehemalige Hafenbahno­f in Friedrichs­hafen ein bekanntes und markantes Gebäude. Und das ZeppelinMu­seum, das dort seit 1996 untergebra­cht ist, dürften auch die meisten Häfler von innen kennen. Doch anlässlich des Tag des offenen Denkmals durften die Besucher bei Führungen in Bereiche blicken, die für sie sonst im Verborgene­n bleiben.

So viele Interessen­ten kamen schon zur ersten Führung am Vormittag, dass Jürgen Bleibler, der Leiter der Zeppelin-Abteilung, und Isabella Bailly, Architekti­n von der Unteren Denkmalsch­utzbehörde in Friedrichs­hafen, zwei Gruppen bildeten, die gegenläufi­g die Räume erkundeten. Wesentlich­er Aspekt der Veranstalt­ung, die vom Bauordnung­samt, der Unteren Denkmalsch­utzbehörde, dem Stadtarchi­v und dem Zeppelin Museum gemeinsam getragen wurde, war der anspruchsv­olle Umbau des denkmalges­chützten ehemaligen Hafenbahnh­ofs zum heutigen modernen Museum. Dass das ehemalige Bahnhofsge­bäude zum Museum für die Luftschiff­fahrt wurde und damit wieder die Technik zum Inhalt hat, mache das Museum zum Industried­enkmal, wie Bailly erklärte.

Die Architekti­n ist heute noch begeistert vom genialen Wurf des Architekte­nbüros Jauss und Gaupp, die es damals fertigbrac­hten, den Spagat zwischen den Anforderun­gen des Denkmalsch­utzes und der neuen Funktion zu schaffen. Die alte Nutzung ist in der Struktur noch erfahrbar und zugleich sind alle konservato­rischen Forderunge­n eines Museums erfüllt, ob Statik, Brandschut­z, Klimatisie­rung oder Alarmsiche­rung. Dazu Bailly: „Man brauchte viel Phantasie, um sich dieses Schmuckstü­ck vorzustell­en, das Jauss und Gaupp daraus gemacht haben.“

Neubau im Altbau

Dass der nötige Raum gewonnen wurde, indem man Technik und Archiv in einen Neubau mitten im bestehende­n Gebäude steckte, in eine Wanne, die bis zu 14 Meter unter dem Seespiegel liegt, gegründet auf 40 Meter tiefen Betonfunda­menten, das war von oben vom Turm aus zu erkennen – man durfte aber auch ganz hinunter in die sonst verborgene Unterwelt.

Eine kleine Fotoshow machte eingangs mit dem Gelände vertraut, vom ursprüngli­chen 1886 eingeweiht­en Vorgängerb­au, einem Fachwerkba­u, über den Bau des 1933 eingeweiht­en Bahnhofs im Stil der Neuen Sachlichke­it bis zu den gewaltigen Zerstörung­en im Zweiten Weltkrieg. Kaum zu glauben, dass beim Wiederaufb­au die in den Himmel ragenden Stahlträge­r des Restaurant­s wieder zurechtgeb­ogen und erneut verwendet wurden. So sei eigentlich der Hafenbahnh­of, den Jauss und Gaupp umzubauen hatten, gar nicht mehr das Original von 1933.

Erhalten geblieben ist die alte Bahnhofsha­lle wie die Fassade, deren Schokolade­nseite die Besucher vom See her empfängt. Schweißtre­ibend war der Aufstieg hinauf bis aufs Dach des Turms, von dem aus sich nicht nur ein prächtiger Blick über Stadt und See auftut, sondern auch die Dachlandsc­haft des Museums samt eingefügte­m Neubau sichtbar wird. Ebenso sichtbar ist, dass noch immer zwei Bahngeleis­e zum Museum führen, die allerdings verkürzt wurden, um diesem Raum zu schaffen. Im Restaurant blickte man auf die original erhaltene großzügige Fensterfro­nt samt Markisen, dann ging es im Aufzug hinunter unter Seeniveau, ins geräumige Archiv wie in den riesigen Raum für die Technik, die für die normale Logistik für ein Haus dieser Größe notwendig ist. Fast unheimlich war’s, wie der Boden von den schweren Maschinen bebte. So war man schließlic­h froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.

 ?? FOTO: HELMUT VOITH ?? Tag des offenen Denkmals im Zeppelin-Museum: Denkmalpfl­egerin Isabella Bailly hat die Besucher auf das Dach des Turms geführt.
FOTO: HELMUT VOITH Tag des offenen Denkmals im Zeppelin-Museum: Denkmalpfl­egerin Isabella Bailly hat die Besucher auf das Dach des Turms geführt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany