Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Spektakel statt Befreiungsschlag
Das 3:3 zwischen Freiburg und Stuttgart war vor allem ein Spiel für die Zuschauer
FREIBURG - Er rackerte, als wäre er nie weg gewesen. Er ging keinem Duell aus dem Weg, warf sich – verbal – in jeden Zweikampf und dirigierte seine Mannschaft unentwegt. Bandscheibenvorfall, war da was? Christian Streich und mit ihm seine Energie sind zurück an der Seitenlinie des SC Freiburg. Das war vom ersten Moment des baden-württembergischen Derbys gegen den VfB Stuttgart an zu spüren. Ähnlich rasant wie Streichs Coaching entwickelte sich auch das Spiel.
Ein Tor hatte Freiburg vorher erzielt, gar keins Stuttgart. Und jetzt: 3:3 (1:1)! Durch das spektakuläre Remis, eher ein Spiel für Zuschauer, als für Trainer, wie VfB-Coach Tayfun Korkut hinterher feststellte, verpassten aber auch beide Mannschaften den ersehnten Befreiungsschlag. Freiburg ist nun 15., der VfB vor dem Freitagsspiel gegen Aufsteiger Düsseldorf 16.
Mario Gomez’ Doppelpack im Jubiläumsspiel
„Das war heute ein wildes Spiel und sechs Tore sind für die Zuschauer bestimmt spaßig, mir wäre es allerdings lieber gewesen, wenn es beim 1:0 geblieben wäre“, sagte auch Freiburgs Luca Waldschmidt und meinte damit den Knallstart seines SC. Stürmer Florian Niederlechner hatte einen verunglückten Pass der Stuttgarter abgefangen, den Ball durch die gegnerische Hälfte getrieben, dann Mike Frantz bedient, dessen Flanke am zweiten Pfosten genau auf dem Kopf von Jerôme Gondorf gelandet war. Die Folge: Freiburgs Führung nach 45 Sekunden.
Und der VfB? Arbeitete, zeigte Reaktion, doch knüpfte lange Zeit auch dort an, wo er die vergangenen sieglosen Spiele jeweils aufgehört hatte – bei mangelnder Kreativität im Offensivbereich. Und wenn es doch einmal dazu kam, war ein badisches Bein oder ein Schwarzwälder Kopf im Wege. Und was noch schwerer wog: der VfB leistete sich Fehler in der Defensive, offenbarte immer wieder große Lücken. Dass Kapitän Christian Gentner Mitspieler Emiliano Insúa einen Rüffel (42.) verpasste, da dieser ihm den Ball bei einem Einwurf ungenau zuwarf, sprach Bände. Und als hätte es gerade diesen verbalen Weckruf gebraucht, nahm sich jener Insúa kurz darauf ein Herz und zimmerte den Ball vom linken Strafraumeck mit links unter die Latte (44.). Ausgleich. Halbzeit. Dass dieser aus VfB-Sicht glücklich war, interessierte Trainer Tayfun Korkut und die Seinen nur sekundär. 1:1. Alles wieder auf Anfang.
Miteinander reden hatte Kapitän Gentner vor dem Wiederanpfiff als Maxime ausgegeben, doch wollte sich der VfB lieber direkt ein Beispiel am SC nehmen. Drei Minuten war die zweite Halbzeit alt, als Mario Gomez, dieser geborene, aber in den letzten Wochen verhinderte Torjäger, frei vor Alexander Schwolow auftauchte, den Keeper zuerst anschoss, im Nachschuss allerdings cool blieb und sich selbst zu seinem 300. Bundesligaspiel gratulierte. Führung Stuttgart. Doch blieb es eine kurze Freude. Wieder war es Gondorf, der drei Minuten später einen Freistoß passgenau zwischen Zieler und Pfosten zirkelte.
Nun war offenes Visier angesagt, es ging hin und her, Tor um Tor. Und diesmal waren es die Freiburger, die sich Fehler leisteten. Wieder war es Gomez (56.), der nach einer InsúaFlanke platziert einköpfelte. Es war sein insgesamt 165. Bundesligator. Dass er hinterher meinte: „Den Doppelpack hätte ich lieber gegen drei Punkte eingetauscht“, lag an Freiburgs Joker Waldschmidt. Nach seinem Lattentreffer (71.) macht er es zehn Minuten später besser, versenkte den Ball im Winkel.
„Wir haben zwei Punkte verloren. Wir waren drauf und dran, das vierte Tor zu schießen. Natürlich ärgert man sich deshalb über das Resultat“, sagte Gomez noch. Und außerdem: „Wir haben einen Punkt nach drei Spielen, das ist bis zu vier Punkte zu wenig. Wenn wir heute gewonnen hätten, wären wir im Soll gewesen. Das ist eine extrem gefährliche Situation.“
Auch Sportvorstand Michael Reschke mahnte: „Positiv ist, dass wir heute nicht verloren haben, sonst wäre es ganz bitter geworden. Dieses Ergebnis ist kein Befreiungsschlag, aber ein Schritt in die richtige Richtung.“
Christian Streich hätte auf die ganze Aufregung bei seinem Comeback an der Seitenlinie gerne verzichtet, auch wenn er im Moment „keine Schmerzen mehr“habe. „Jetzt muss ich zur Ruhe kommen“, sagte er. Was angesichts der Tabellensituation nicht ganz so leicht sein dürfte. Zumindest bleibt die Erkenntnis: Das Toreschießen funktioniert wieder – hüben wie drüben.