Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Opernbühne sagt Aufführungen ab
Puccini-Werk von „La Bohème“scheitert in Wangen und Leutkirch vor allem an fehlenden Mitteln
WANGEN/LEUTKIRCH (jps) - Paukenschlag bei der Opernbühne Württembergisches Allgäu: Der Vorstand hat die vier für den März kommenden Jahres geplanten Aufführungen der Puccini-Oper „La Bohème“in Wangen und Leutkirch abgesagt. Für die Entscheidung führt er finanzielle und strukturelle Ursachen an.
„Wir können die Produktion nicht realisieren“, sagte der seit Ende 2017 als Vereinsvorsitzender und Intendant agierende Philipp Ahner. Die rund 150 Mitglieder, Kooperationspartner und beteiligten Städte seien über die zu Wochenbeginn getroffene Entscheidung in den vergangenen Tagen informiert worden.
„Es sind viele Bausteine zusammengekommen“, erklärt der beruflich als Professor für Musikpädagogik und -didaktik tätige Ahner zu den Gründen. Besonders schwer wiegt offenbar eine Absage des Kulturfonds des Landes. Auf dessen finanzielle Unterstützung hatte die Opernbühne gehofft, war aber in einem Feld von, laut Ahner, 80 Bewerbern nicht zum Zuge gekommen. „Das hätte vieles einfacher gemacht“, so der Vorsitzende.
Zwar seien die Städte Wangen und Leutkirch der Opernbühne „bei der finanziellen Hilfe einen Schritt nach vorne gegangen“. Auch könne der Verein ein von der Stadt Wangen zur Verfügung gestelltes Büro in der neuen Anlaufstelle des Kultur- und Sportamts in der Zunfthausgasse mitnutzen. Allerdings reichten deren – wie alle weiteren – Mittel bei Weitem nicht aus, um die Kosten für eine Opernproduktion zu decken. Diese beziffert Philipp Ahner auf eine Summe von 80 000 bis 150 000 Euro – abhängig vom jeweiligen Aufwand. Außerdem sei die Opernbühne beim seit Jahresbeginn laufenden Aufbau professioneller Strukturen noch nicht so weit, wie sich der Vorstand dies selbst erhofft hatte. Eine Förderung aus dem Leader-Programm war seinerzeit zwar bewilligt worden. Allerdings sei das Geld erst deutlich später geflossen. Aktuell – und damit rund ein halbes Jahr vor den jetzt abgesagten Aufführungsterminen – sucht der Verein auf Basis der anteiligen Leader-Finanzierung zwei Mitarbeiter: eine Bürokraft, eine für die Produktionsorganisation. Die sieht der Verein als dringend nötig an. Zum einen, um die zahlreichen Ehrenamtlichen hinter der Bühne und bei den umfangreichen Vorbereitungen koordinieren zu können.
Zum anderen, weil Adolf Wetzel, früher maßgeblicher Kopf und heute Ehrenvorsitzender der Opernbühne, im Herbst 2017 aus Altersgründen ausgeschieden war: „Mit ihm hatten wir jemanden, der professionell in Vollzeit zur Verfügung stand, ohne dass er Geld bekommen hat“, so Ahner.
Wetzel selbst hatte bei seinem Abschied aus der vordersten Reihe auf eine bessere Finanzausstattung gedrungen und gesagt, dass es künftig „ohne professionelle Mitarbeit nicht mehr gehen wird“. Das bestätigt Pressebeauftragter Lennard Ellwanger: „Es war klar, dass das im Ehrenamt so nicht leistbar ist.“Gleichwohl hatte sich die neue Führung der Opernbühne hohe Ziele gesetzt und eine Ausweitung der Opernsaison geplant, um zusätzliche – auch jüngere – Zielgruppen zu erreichen: Um die vier großen Aufführungen von „La Bohème“herum waren zwei Kurzfassungen geplant. Dazu soll es acht Einführungsvorträge geben und offene Probephasen an verschiedenen Orten, etwa im Leutkircher Bocksaal oder im Seniorenzentrum St. Vincenz. Ganz abgesehen von einem „Education Project“an Schulen. An diesem Rahmenprogramm wollen die Verantwortlichen trotz der Absage der Hauptveranstaltungen festhalten, wie Ahner und seine Vorstandskollegen Barbara Heumann, Ferdinand Fremerey und Lennard Ellwanger am Freitag bekundeten. Auch der Auftakt dazu soll wie geplant stattfinden – am Sonntag, 23. September, um 18 Uhr im Weberzunfthaus.
Kulturstrategie angemahnt
Dieser Termin soll Beginn eines Prozesses werden, an dessen Ende möglichst eine weit über die Opernbühne hinaus gehende Kulturstrategie für das Württembergische Allgäu stehen soll. Denn nach Angaben Philipp Ahners habe das Wissenschaftsministerium in Gesprächen rund um die – jetzt nicht fließenden – Gelder aus dem Kulturfonds des Landes genau diese angemahnt. Vorbild dafür könnten die Strukturen der Jugendmusikschule Württembergisches Allgäu sein. Ahner befürchtet dabei „Widerstände“. Aber der stellvertretende Vorsitzende Ferdinand Fremerey spricht bei möglichen Gedankenspielen für die strukturelle Zukunft von einem „kulturellen Zweckverband“und begründet dies: „Wenn sich alle zusammentun, dann ginge es um ganz andere Beträge.“Lennard Ellwanger nennt derlei Perspektiven „Hausaufgaben“, die das Land der Opernbühne und den Kulturschaffenden im Württembergischen Allgäu mit auf den Weg gegeben habe.
Nachdem klar ist, dass „La Bohème“im März 2019 nicht kommt, will sich der Vorstand jetzt erst einmal Zeit nehmen. Deshalb steht derzeit nicht fest, wann und mit welcher Musik wieder die große Bühne gesucht wird. Ins Auge fasst er aber die Zeit zwischen Fasnet und Ostern 2020.