Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Mehr Geld für Gemeinden auf dem Land
Das Leben abseits der Großstadt soll attraktiv bleiben – Streit um geeignete Förderung
STUTTGART - Stadt oder Land? Egal, wo man lebt, Schulen, Ärzte oder ein guter Nahverkehr dürfen kein Privileg der Städter sein. Für die Menschen auf dem Dorf müssen ebenso Grundangebote rasch erreichbar sein. So sieht es die Landesverfassung vor. Doch wie lässt sich das erreichen? Darüber diskutieren derzeit Landespolitik und Kommunen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Worum geht es genau?
Grüne und CDU haben sich im Koalitionsvertrag 2016 darauf geeinigt, einen Flächenzuschlag einzuführen. Er soll an Gemeinden gehen, die sich über besonders große Flächen erstrecken. Dazu zählen etwa Leutkirch (175 Quadratkilometer) oder Wangen (101 km2). Sie haben viel Fläche, aber wenig Einwohner. „Wir müssen in sieben Gemeinden Feuerwehrhäuser und Fahrzeuge vorhalten, ebenso wie Kindergärten und Schulen“, sagt Wangens Oberbürgermeister Michael Lang. Das koste ihn mehr als Amtskollegen, in deren Städten die Wege kürzer seien. Die Idee des Flächenzuschlags: Große, aber einwohnerarme Gemeinden sollen mehr Geld vom Land bekommen. Die CDU-Fraktion hat dazu ein Konzept vorgelegt. „Flächengemeinden haben zweifelsfrei Mehraufwendungen, etwa für den Leitungsbau oder längere Ortsstraßen. Dafür muss es einen Ausgleich geben, Großstädte wie Stuttgart bekommen für ihre speziellen Aufgaben auch Geld – etwa für die Opernsanierung“begründet der Aalener CDU-Politiker Winfried Mack. Doch Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) ist gegen einen Flächenzuschlag.
Was spricht dagegen, Flächengemeinden pauschal mehr Geld zu geben?
Das Finanzministerium führt mehrere Studien dazu an, etwa der Universität Köln und des Ifo-Instituts in München. Deren Fazit: Es sei nicht zu beweisen, dass eine große Gemeindefläche grundsätzlich höhere Kosten verursache. Die Einwohnerzahl einer Gemeinde sei das bessere Kriterium, um anfallende Kosten vorherzusagen. Auch der Städtetag lehnt einen Flächenzuschlag ab. In dem Verband haben sich vor allem größere Städte zusammengeschlossen. Es gibt unter den Mitgliedern aber auch rund 80 Gemeinden mit weniger als 20 000 Einwohnern. Die Argumente des Verbandes: Ein Zuschlag an alle Flächengemeinden sei nicht zielführend. Er belohne einfach jeden, unabhängig von dessen tatsächlichem Bedarf.
Sind Alternativen im Gespräch?
Dazu hat der Städtetag am Montag in Stuttgart ein Papier vorgelegt. Er will, dass die Politik die besonderen Angebote von Gemeinden in den Blick nimmt. Städte wie Ravensburg oder Wangen bieten etwa Leistungen für das Umland an – weiterführende Schulen, Feuerwehren oder Bibliotheken. Dafür müssten sie belohnt werden. Das Land sollte nach Ansicht des Städtetages also definieren, für welche Leistungen einer Gemeinde es Fördergeld geben kann und seine Förderprogramme darauf ausrichten. CDU-Mann Mack lehnt das ab. „Im Ziel sind wir uns mit dem Städtetag einig: Wir wollen, dass der ländliche Raum attraktiv bleibt. Aber wir vertrauen den Gemeinden und wollen ihnen das Geld pauschal geben. Die Gemeinderäte sollen selbst entscheiden können, wofür die Förderung am besten eingesetzt wird.“
Woher soll das Geld kommen?
Aus Sicht des Städtetages gäbe es einige Dinge, die sich sogar ohne Geld besser als bislang regeln ließen. Beispiel Einzelhandel: Für verkaufsoffene Sonntage gelten strenge Vorgaben. Aus Sicht des Städtetages sind sie aber für kleine Gemeinden wichtiger als für Großstädte. Daher solle man darüber nachdenken, hier andere Vorgaben zu machen. „Wir müssen noch darüber sprechen, wie man das finanziert“, sagt der CDU-Abgeordnete Mack. Grundsätzlich gibt es zwei Varianten: Entweder das Land zahlt einen Flächenzuschlag und nimmt dafür zusätzliches Geld in die Hand. Oder es verteilt die Steuern und Zuweisungen, die die Gemeinden bekommen, nach neuen Kriterien – wie etwa der Fläche. Dagegen aber dürfte sich Widerstand regen. Größere Städte würden dann nämlich anteilig weniger als bisher abbekommen.
Wie finanzieren sich Gemeinden?
2017 nahmen die Gemeinden im Land 6,4 Milliarden Euro aus der Gewerbeund 1,8 Milliarden Euro aus der Grundsteuer ein. Deren Höhe bestimmt jede Gemeinde selbst. Außerdem erhalten sie 15 Prozent des im Land erzielten Aufkommens der Einkommenssteuer und zwölf Prozent aus der Abgeltungsteuer. Anhaltspunkt für die Verteilung ist die Einkommenssteuerleistung der Einwohner. Außerdem weist das Land den Kommunen gezielt Gelder für bestimmte Zwecke und Aufgaben zu. Unter anderem gibt es eigene Mittel für finanzschwache Gemeinden, für Schulen und Kindergärten.