Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Söder tendiert zu den Freien Wählern
Justizministerin als Spitzenkandidatin zur EU-Wahl vorgestellt
MÜNCHEN (dpa) - Nach der CSUPleite bei der Landtagswahl deutet nach ersten Sondierungsgesprächen vieles auf eine Koalition von CSU und Freien Wählern hin. Während Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger nach einem Treffen mit der CSU am Mittwoch von keinen unüberwindbaren Hindernissen sprach, verwies Grünen-Spitzenkandidat Ludwig Hartmann später auf tiefe Gräben. Die CSU will sich heute entscheiden, mit wem sie Koalitionsverhandlungen aufnimmt.
BERLIN - Strahlend stehen sie vor der Kamera: SPD-Parteichefin Andrea Nahles, der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament Udo Bullmann – und der neue Star, die SPD-Spitzenkandidatin für Europa, Katarina Barley. Zwar war die Nachricht ihrer Nominierung etwas früher als geplant bekannt geworden, doch die gute Laune über die Personalie Barley kann das nicht trüben. Überhaupt versucht die SPD in diesen für sie trostlosen Tagen den Blick auf das zu richten, was für sie gut läuft.
Carsten Schneider, der Parlamentarische Geschäftsführer der SPDFraktion, stellt schon am Morgen den Sitzungskalender des Bundestags vor und weist auf die „sozialdemokratischen Festsspiele“hin. In dieser Woche wird im Bundestag die Wiederherstellung der Parität bei der gesetzlichen Krankenversicherung behandelt, ein Gesetz, dass sieben Milliarden Euro zu Gunsten der Arbeitnehmer umschichtet. Und laut Schneider nebenbei den Charme hat, dass die Arbeitgeber, die künftig wieder hälftig beteiligt sind, mehr auf die Effizienz der gesetzlichen Kassen achten werden.
Sozialdemokratische Festspiele
Das Gute Kita-Gesetz, das den Kitas erlaubt, die Beiträge zu senken oder abzuschaffen, stammt ebenfalls aus der SPD-Feder. Die zweite und dritte Lesung des Gesetzes zur Brückenteilzeit ist ebenfalls vom SPD-geführten Arbeitsministerium geschaffen worden. Am Freitagmorgen steht dann noch das Mietrechtsanpassungsgesetz in erster Lesung an, das den Anstieg von Modernisierungsumlagen begrenzt. Warum nun schlagen sich die sozialdemokratischen Festspiele nicht in Wählerstimmen nieder? Carsten Schneider hat dafür nur eine Erklärung: „Die Leute spüren das erst Anfang nächsten Jahres, wenn sie mehr im Portemonnaie haben.“
In der SPD-Fraktion, so berichtet der Parlamentarische Geschäftsführer, sei die Stimmung natürlich erst einmal geprägt „vom niederschmetternden Wahlergebnis aus Bayern“, aber dann habe man sofort den Schalter umgelegt und auf Hessen geschaut. In zehn Tagen wird ein neuer Landtag gewählt. Der SPDSpitzenkandidat Thorsten SchäferGümbel sei ein Oppositionsführer, „wie er sein muss, um Ministerpräsident zu werden“. Und die Wahlen in Rheinland-Pfalz und Niedersachsen hätten auch erst in den letzten beiden Wochen den Dreh bekommen, so Schneider. Mit der Frage, was ist, wenn die Hessen-Wahl auch noch schlimm wird für die SPD, will sich derzeit niemand beschäftigen.
Mit der europäischen Frage schon eher. Denn im Wunsch nach Frieden und Freiheit in Europa steckt sozialdemokratisches Herzblut. Einer der Gründe, warum Katarina Barley sich für die Kandidatur entschieden hat, obwohl sie auch sehr gerne Justizministerin ist. Berichte, dass sie zuerst abgelehnt habe, Spitzenkandidatin zu werden, bestätigt sie so halb. Es sei ein längerer Entscheidungsprozess gewesen. Barley gilt als volksnah, und dem SPD-Parteitag erklärte sie einmal die Aussprache ihres Namens: „Barley wie Harley“. Jetzt will sie bei einer Schicksalswahl Verantwortung für Europa übernehmen.. „Ich bin eine geborene Europäerin, ich habe die deutsche und die britische Staatsbürgerschaft“, so Barley. Sie hat ein Erasmus-Stipendium gehabt und ihre Doktorarbeit über europäisches Recht geschrieben. Sie lebt in Trier im Vierländereck und hat zwei Söhne, einer ist bereits aus dem Haus. Und da ihr Mann auch zwei Staatsangehörigkeiten hat, Spanier und Niederländer, haben die Kinder Großeltern aus vier Ländern.
Das Justizministerium in Berlin will sie nicht gleich aufgeben. Sie sei Juristin „durch und durch“, und es gebe wichtige Vorhaben in der Endabstimmung. Im übrigen solle man sich keine Sorgen, machen, so Barley, sie sei gewohnt, hart zu arbeiten und man werde sich mit Sicherheit in den nächsten Monaten nicht über sie beschweren können, dass sie eines der beiden Felder nicht ausfülle.
Und wer kommt dann nach Barley? „Da fällt uns bestimmt was sein“, sagt Andrea Nahles. Das ist dann wieder der gewohnt flapsige Ton der SPD-Chefin, der jetzt vorgeworfen wird, dass sie sich an einem „Parlamentskreis
Pferd“beteiligt. Ob sie keine anderen Sorgen habe, heißt es in Fraktionskreisen. Allerdings wird genauso vermerkt, dass Nahles hart arbeitet und sich nach der Niederlage in Bayern den Fragen stellt – während von Vizekanzler Scholz derzeit wenig zu hören und zu sehen sei.
Widerspruch gegen Scholz-Vorstoß
Ganz stimmt das nicht: Scholz hat dem „Handelsblatt“zufolge gerade einen Plan für einen Fonds für eine europäische Arbeitslosenversicherung vorgelegt. Danach soll ein Fonds entstehen, der in Zeiten tiefer Einbrüche die nationalen Sicherungssysteme unterstützt. Die Unionsfraktion bringt dies gleich auf den Nenner „europäische Arbeitslosenversicherung“und stellt klar, dass so eine „Umverteilung“mit ihr keine Chance habe.