Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
„ ... und vor dem Tor einfach den Willen haben“
Kapitän Simon Danner sieht für seine Schwenninger Wild Wings nur einen Weg aus dem Tief: noch härter arbeiten
SCHWENNINGEN - Eishockey ist eine Sache von Schläger und Scheibe. Immer. Manchmal allerdings schießt auch der Kopf daneben. Das erleben die Schwenninger Wild Wings derzeit auf fatale Weise: Torjubel ist zur Rarität geworden in der – noch jungen – DEL-Spielzeit 2018/19, zehnmal in Folge haben die Wild Wings zuletzt verloren, fünfmal blieben sie ohne Treffer. Ein Patentrezept hat auch Kapitän Simon Danner nicht; im Gespräch mit Joachim Lindinger sagt der 31-jährige Stürmer, ein Wild Wing seit 2014: „Es bleibt wirklich nur eins: Zusammenhalt in der Mannschaft – und sich gemeinsam da auch wieder rausziehen.“
Herr Danner, 287 Schüsse, zehn Tore: Ist die bescheidene Schwenninger Ausbeute aus den DEL-Spielen eins bis elf – ein Sieg, drei Punkte, Tabellenletzter – mit „großer Aufwand, (zu) kleiner Ertrag“treffend charakterisiert?
Es ist leider nicht so, dass bei uns jeder Schuss reingeht. Wir müssen zu viel investieren, um Tore zu schießen. Das ist auf jeden Fall ein Faktor für unsere Resultate, aber nicht der allein ausschlaggebende.
Wie sehr wird dieser eine Faktor Kopfsache, wenn partout keine Treffer fallen wollen? Und wie sehr bleibt das ein eishockeyhandwerkliches Problem, das man quasi wegtrainieren kann?
Normalerweise ist das Training fertig, und zwei, drei Jungs schießen noch ein bissl aufs Tor. Und bei uns ist es mittlerweile schon so: Fast alle eigentlich – mehr als drei Viertel der Mannschaft – bleiben auf dem Eis, schießen. Aus jeder Position wird gepasst und geschossen. Wir arbeiten daran. Aber: Wenn man ein Kopfproblem hat, was Tore angeht, hüpft die Scheibe sehr gerne über den Schläger. Das ändert sich nicht von heute auf morgen, das ändert sich nur durch harte Arbeit. Da müssen wir wieder zurück zu den Basics: um jede Scheibe kämpfen, jeden Zweikampf gewinnen wollen und vor dem Tor einfach den Willen haben. Dann kommt auch das Glück zurück.
Lässt diese Torschusspanik auch zu viel nachdenken, sodass man nicht mehr einfaches, geradliniges Eishockey spielt, sondern ein zu kompliziertes?
Ja. Das ist auch bei mir ein bisschen im Kopf drin, dass ich lieber noch einmal passe, bevor man selbst schießt. Im Training ist mir das ab und zu aufgefallen, da hab’ ich dann gedacht: „Ne, schieß – egal wie!“
Ein Patentrezept haben also auch Sie nicht – der mit drei Toren bei 22 Versuchen aktuell gefährlichste Wild-Wings-Akteur?
Glauben Sie mir, dass es dafür kein Patentrezept gibt, und wenn es dafür eins gäbe, dann hätten wir das schon längst angewandt. Es bleibt wirklich nur eins: Zusammenhalt in der Mannschaft – und sich gemeinsam da auch wieder rausziehen. Es wird einem nichts geschenkt in der Liga, und in unserer Situation gilt es umso mehr, noch härter zu arbeiten, sei es im Spiel oder im Training, damit man endlich den Bock umstoßen kann.
Was entgegnen Sie denen, die sagen: „Hat“– nach den Abgängen der Topscorer Will Acton und Damien Fleury im Sommer – „ja so kommen müssen“? Das funktionierende Kollektiv, so die Idee, sollte die verlorengegangene individuelle Klasse kompensieren. Kann es das?
Definitiv. Wir haben letztes Jahr auch ganz viele Spiele durch das Kollektiv gewonnen. Wir lagen auch öfters hinten, manchmal mit zwei oder drei Toren, und haben das dann noch drehen können. Das haben wir nicht durch Einzelaktionen geschafft, sondern nur als Mannschaft, als Kollektiv. Ich denke, dass wir das auch dieses Jahr wieder hinbekommen. Wir müssen nur den dicken, fetten Wurm da rauskriegen.
Apropos Kollektiv: Die leidenschaftliche Defensivarbeit, auch der Stürmer, war vergangene Saison Schlüssel zum Play-off-Einzug. Wo stehen die Wild Wings des Oktober 2018 da?
Hinten ist eigentlich alles okay. Doch wenn wir vorne ein bisschen sicherer sind, selbstbewusster, dann werden wir automatisch auch hinten noch sicherer, das ist wieder diese Kopfsache. Wenn es vorne funktioniert, funktioniert’s auch hinten. Aber es muss jetzt halt mal ploppen.
Was kann Trainer Pat Cortina da tun, und wo sehen Sie die Mannschaft gefordert?
Natürlich ist der Trainer auch nicht zufrieden. Das Trainerteam macht sich viele Gedanken, sie versuchen, Lösungen zu finden. Und wir als Mannschaft? Jeder muss jedes Mal 100 Prozent geben oder 110 – denn 90 oder 80 reichen halt nicht, dass wir als Kollektiv gewinnen können.
Wie bringt sich der Kapitän Simon Danner, 19-maliger Nationalspieler, ein Mann mit 15 Jahren DEL-Erfahrung, in dieser Situation ein, gerade außerhalb des Eises?
Ich red’ viel mit den Jungs. Mit den Teamleadern, erst eben haben wir uns wieder zusammengesetzt. Aber ich red’ auch viel mit den jungen Spielern. Es sind nicht nur die Ausländer, die liefern müssen, auch die Jungen müssen uns helfen. Also: einfach auch versuchen, die Mannschaft zusammenzuhalten. Es ist jetzt nicht so, dass die auseinanderbricht, auf gar keinen Fall. Wir sind – natürlich – alle frustriert, aber noch guter Dinge. Wir wissen, dass wir besser spielen können. Wir wissen auch, dass wir jetzt den Schalter umlegen müssen und nicht erst nach der Deutschland-Cup-Pause.
„Jetzt“hieße: diesen Donnerstag (19.30 Uhr) bei Meister EHC Red Bull München und am Sonntag (19 Uhr) auf heimischem Eis gegen die Iserlohn Roosters. Beides Teams, die angeschlagen sind. Die richtigen Gegner zur rechten Zeit?
Wir können nicht beeinflussen, gegen wen wir spielen – nur wie wir spielen, können wir beeinflussen. Wir achten auch nicht darauf, ob München oder Iserlohn jetzt gut oder schlecht drauf sind. Wenn wir nicht gut drauf sind, dann verlieren wir gegen schlechte Münchner, aber auch gegen schlechte Iserlohner. Wir achten auf uns. Wir müssen nur einfach schauen, dass wir unser Spiel spielen. Und das, wie gesagt, mit 100 Prozent oder 110 Prozent, damit wir auch Chancen haben, zu gewinnen.
Eine etwas ketzerische Frage noch nach knapp einem Viertel der DELHauptrunde, bei schon 13 Punkten Rückstand auf einen Pre-Play-offRang: Ist für einen auch vom Etat her „kleinen“Standort wie Schwenningen überhaupt so viel mehr drin in einer Liga, in der fast alle anderen einen größeren Spielraum haben? Ist das, was gerade passiert, nach Platz zehn 2017/18 wieder die raue Wild-Wings-Realität?
Klar sind wir immer noch der Underdog und werden es auch noch lange bleiben. Und klar haben wir nicht das Budget, wie es die anderen Vereine haben. Trotzdem glaube ich, dass wir das Potenzial haben, wieder um Platz zehn zu spielen. Letztes Jahr hatten wir kaum Verletzte, wir hatten nie eine längere Negativserie. Natürlich hat da vieles gepasst, aber das kann man auch wiederholen. Weil: Wir haben da kein Wunder vollbracht, wir haben einfach unser gutes Eishockey gespielt – hinten gut und vorne die wenigen Chancen genutzt. Und jetzt machen wir die wenigen Chancen nicht. Es ist schwer, aber es ist trotzdem noch alles möglich.