Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Wenn die Dichterfürstin mit dem Dichterwürstchen...
„Liederliche Droste“im Spiegelsaal des Neuen Schlosses enttäuscht
MEERSBURG - Die Ankündigung war vielversprechend und hat am frühen Sonntagabend eine Reihe von Literaturfreunden in den Spiegelsaal des Neuen Schlosses gelockt, die mehr über die „liederliche Droste“zu erfahren hofften. Angesagt waren „Kompositionen in Ton und Text“.
Nicht nur Insider wissen von der nie aufgeklärten Beziehung zwischen der Droste und dem siebzehn Jahre jüngeren Levin Schücking, dessen früh verstorbene Mutter mit ihr befreundet war. Später sorgte sie dafür, dass der aufstrebende Literat als Bibliothekar zu ihren Schwager Laßberg auf die Alte Meersburg kam. Die beiden Seelenverwandten kamen sich näher. Wie nah, das möchten alle wissen, die am Skandälchen mehr interessiert sind denn an ernsten Inhalten, so auch beim „liederlichen Abend“, durch den Literaturkabarettist Manfred Menzel führte. Am Ende des Abends wusste man dennoch nicht mehr.
Der zweideutige Titel führte einerseits zur Komponistin Droste. Tina Speckhofer aus Konstanz spielte am Flügel Kompositionen von Robert Schumann, die wenige Jahre nach dem Tod der Dichterin entstanden, also in ihr Umfeld verweisen, und begleitete die Sopranistin Adriane Kienzler aus Tägerwilen, die eine Reihe von Kunstliedern der Droste gehaltvoll interpretierte. Man konnte spüren, dass die Frauen sich in die Welt dieser Frau ernsthaft hineingedacht hatten – Liebessehnsucht und Liebesträume kamen in berührenden Liedern herüber.
Neben den Liedern standen Texte: Erinnerungen an die Dichterin von Harriet Straub, Textpassagen aus dem Briefwechsel der Droste mit Levin Schücking. Der Droste lieh Sylvia Othmer aus Radolfzell ihre Stimme, nicht immer gut verständlich. Bleibt Moderator und Sprecher Dr. Manfred Menzel aus Lindau. Er ist offenbar der Meinung, dass man heutzutage der Droste nur noch gewollt witzig beikommen kann, und stellte sich ganz in den Dienst der Sache, die Dichterin von einem imaginären Podest herunterzuholen und eine imaginäre Figur zu kreieren, die besser ins Heute passt, aber Wesentliches negiert. Genau ein Kontrastprogramm zum ernsthaften, manchmal fast zu wissenschaftlichen Droste-Programm während der DrosteTage.
Nichts von den Zwängen, denen die ledige adlige Frau ausgeliefert war, die unter der Kuratel der Mutter immer bereit sein musste, wenn die ungebundene Tante als Hilfe benötigt wurde. Kaum eine ernsthafte Andeutung, welch ungewöhnlichen Tiefgang, welch überragende Qualität diese Frau trotz aller Zwänge erreichte. Statt dessen die Fokussierung auf das Verhältnis zu Schücking, auf den intensiven Briefwechsel „zwischen Dichterfürstin und Dichterwürstchen“.
Den ganzen Abend über störte zudem eine weiße Leinwand über den Köpfen, die am Schluss für einen ach so lustigen E-Mail-Austausch von „Änni Hülshoff“mit dem OnlineJournalisten Levin anno 2018 diente: „Dichten läuft gut WTTM“(= without thinking too much), der TwitterRoman „Die AfD-Krüppeleiche“sei bald fertig. Dafür war der Spiegelsaal denn doch zu schade.