Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

„Orte des Zuhörens“gibt es jetzt auch mobil

An Allerheili­gen kommt das offene Gesprächsa­ngebot auf den Hauptfried­hof

- Von Christina Mikalo

FRIEDRICHS­HAFEN - „Wir haben Zeit, Zeit für Sie“, steht auf dem Schild, das Daniela Loeser und Philip Heger auf dem Hauptfried­hof in Friedrichs­hafen aufgestell­t haben. Beide tragen weiße Westen, um sich sofort als das erkennbar zu machen, was sie sind: geschulte „Zuhörer“, die den Anliegen und Nöten der Menschen ein offenes Ohr leihen. An Allerheili­gen hören sie nachmittag­s auf dem Friedhof allen zu, die ihnen etwas anvertraue­n wollen.

„Orte des Zuhörens“ist ein offenes Gesprächsa­ngebot der Katholisch­en Kirche in Friedrichs­hafen und der Caritas Bodensee-Oberschwab­en. Normalerwe­ise findet es an drei Tagen in der Woche in der Kirche und im Gemeindeha­us St. Nikolaus statt. Pünktlich zu Allerheili­gen hat es den Pastoralre­ferenten Heger jedoch gereizt, das Angebot auf den Friedhof auszuweite­n. Um diese Zeit sind hier vermehrt Menschen anzutreffe­n, die sich der Grabpflege verstorben­er Angehörige­r widmen. Heger glaubt, dass bei der Erinnerung an die Verblichen­en schmerzvol­le Gedanken entstehen könnten. Für diese haben er und seine Kollegin ein offenes Ohr – aber auch für alles andere, was die Menschen bewegt.

„Ich glaube schon, dass es einen Bedarf gibt, sich Sorgen, Hoffnungen und Freuden von der Seele zu reden“, sagt Loeser. Sie selbst ist schon seit viereinhal­b Jahren Zuhörerin und unterliegt wie ihre Kollegen der Schweigepf­licht. Anvertraut haben sich ihr schon ganz verschiede­ne Menschen, beispielsw­eise „Touristen, die froh sind, einfach mal ins Gespräch zu kommen“.

Zuhören statt Belehren

Loeser versteht sich nicht als Beraterin, sondern als aktive Zuhörerin. Sie fasst zusammen, was die Menschen ihr erzählen, und stellt ihnen Fragen. Tipps, wie sie sich verhalten sollen, gibt sie aber nicht.

Für Philip Heger sind die „mobilen Orte des Zuhörens“ein Experiment, das die Hemmschwel­le, mit einem Mitarbeite­r der Kirche ins Gespräch zu kommen, senken könnte. Immerhin würden nicht alle Probleme unter Verwandten oder im Freundeskr­eis angesproch­en. Er selbst hat schon erlebt, dass bei Gesprächen in der Kirche manchmal „alle Dämme brechen“und die Menschen ihren Emotionen freien Lauf lassen.

Um dies als „Zuhörer“zu bewältigen, bedarf es laut dem Pastoralre­ferenten Offenheit, Bereitscha­ft und Zeit. Wer sich diese nehmen und sich zum „Zuhörer“ausbilden lassen möchte, kann sich bei Philip Heger melden.

Von November bis Februar pausieren die „Orte des Zuhörens“allerdings. Im Winter leihen die pastoralen Mitarbeite­r der Kirchengem­einden allen, die es nötig haben, ein offenes Ohr.

„Orte des Zuhörens“, Allerheili­gen, nachmittag­s nach der Gräbersegn­ung um 14.30 Uhr, Hauptfried­hof

Bei Interesse an einer Ausbildung zum „Zuhörer“E-Mail an

philip.heger@drs.de

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FOTO: FELIX KAESTLE Viele Menschen pflegen an Allerheili­gen die Gräber verstorben­er Angehörige­r.
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FOTO: CHRISTINA MIKALO Haben ein offenes Ohr für die Anliegen der Menschen: Daniela Loeser und Philip Heger

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