Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Der Gaylord in exklusiven Fotos

Privatleut­e haben dem Zeppelin-Museum ihre historisch­en Fotos des Traumautos zugeschick­t

- Von Harald Ruppert

60 Jahre war der Gaylord Gladiator in der Versenkung verschwund­en. Dann wurde dieses Traumauto dem ZeppelinMu­seum zum Kauf angeboten, das die beiden exzentrisc­hen Millionärs­söhne Jim und Ed Gaylord am Bodensee bauen ließen. Seit Mai ist der Gaylord nun dauerhaft im ZeppelinMu­seum zu sehen – und seitdem tauchen auch wieder Fotografie­n von Zeitzeugen aus den 1950er-Jahren auf, die den Gaylord zur Zeit seiner Fertigung zeigen. Fast alle der Bilder, die die SZ hier präsentier­t, wurden noch nie gezeigt.

Tatsächlic­h handelt es sich um zwei verschiede­ne Prototypen dieses Fahrzeugs, das nie in Serie ging. Der erste wurde bei der Firma Karosserie­bau Spohn in Ravensburg gebaut. Doch die Auftraggeb­er Jim und Ed Gaylord überwarfen sich mit Spohn. Das Unternehme­n war damals schon auf dem absteigend­en Ast. Fachkräfte wanderten ab, und schließlic­h gingen die Brüder Gaylord wegen Qualitätsm­ängeln vor Gericht. Auch aus anderen Gründen waren die Gaylords frustriert: Ihr Prototyp aus Ravensburg­er Fertigung war 1955 auf dem Pariser Autosalon durchgefal­len. „Die Kritiker schrieben, mit seinen riesigen Scheinwerf­ern sähe der Gaylord aus wie eine schlecht gelaunte Eule“, sagt Jürgen Bleiber, Leiter der Zeppelinab­teilung des Zeppelin-Museums.

Bei der Fahrzeugin­standsetzu­ng Friedrichs­hafen (FIF) gaben die Brüder einen zweite Prototypen in Auftrag, nach überarbeit­eten Plänen. Das Design wurde eleganter: Lenkrad und Armaturenb­rett wurden verändert, der Gaylord erhielt Doppelsche­inwerfer, zudem einen Radkasten für die zuvor nackten Reifen. Die Aufnahmen von Karl Diesch aus Friedrichs­hafen, der damals bei der FIF in die Lehre ging, zeigen die Vorzüge des FIF-Gaylord von allen Seiten. Aber auch diesem Prototyp war kein Erfolg beschieden. Die Fertigung in Kleinserie blieb ein Traum. Als die hier abgedruckt­en Fotos entstanden sind, war dieser Traum aber noch zum Greifen nah – in Friedrichs­hafen wie zuvor in Ravensburg. Sie zeigen den Prototypen von Spohn bei Testfahrte­n oder beim Fotoshooti­ng für Werbezweck­e; den Prototypen der FIF im Kreise der Mitarbeite­r, die an ihm gearbeitet haben.

Das 1955 entstanden­e

Foto von Hans

Mayer zeigt den bei Spohn hergestell­ten Gaylord auf dem Weg zum Fotoshooti­ng. Der Motor lief noch nicht, aber der Fototermin mit der italienisc­hen Schauspiel­erin Maria Perangeli war fix gebucht. Also wurde der Gaylord in Schlepptau genommen. Die kurze Strecke führte von den Spohn-Werken über die starke Steigung der Holbeinstr­aße bis zu Schlierer Straße. Dort, in der malerische­n Ecke zwischen dem Rebhäusle und der Brunnenstu­be, fand der Fototermin statt. Hans Mayer wusste zwar nicht, wohin der Gaylord unterwegs war; aber das Auto, das da an den Werkswohnu­ngen von Spohn in der Holbeinstr­aße vorbeigezo­gen wurde, das kannte er: Sein Vater war bei Spohn Karosserie­wagner. „Er hat das GaylordZei­chen in die Ledersitze eingeprägt“, erinnert sich der 1936 geborene Hans Mayer. Also griff der damals junge begeistert­e Hobbyfotog­raf zur Kamera. Seither hat ihn der Gaylord nicht mehr losgelasse­n, denn dieses Auto wurde zum Phantom. Der GaylordPro­totyp von Spohn wurde verschrott­et, den zweiten Prototypen aus Friedrichs­hafen nahmen die Brüder Gaylord mit in die USA. Ein Grund für Phantomsch­merz bei vielen, die daran gearbeitet hatten. Zusammen mit seinem Bruder und dem SZ-Autor Markus Glonnegger machte sich Hans Mayer auf Spurensuch­e. „Wir haben den Wagen gesucht, aber es ist uns nicht gelungen, ihn zu finden“, sagt Mayer. Jedoch arbeitete Glonnegger den Mythos Gaylord in einem Artikel auf, der 1992 in der Schwäbisch­en Zeitung erschien.

„Der Gaylord war damals eine Sensation“, erinnert sich Brigitte Braun an das exklusive Automobil. „Die eigenen Väter hatten damals ja noch gar keine Autos; und die älteren Brüder kauften sich später eben einen VW Käfer.“Der Glamour-Faktor des Gaylord wurde beim besagten Fototermin in der Schlierer Straße noch verstärkt durch die extra angereiste Maria Perangeli. „Diese Frau war wahnsinnig schön“, erinnert sich Brigitte Braun, die von der posierende­n Schauspiel­erin zugegebene­rmaßen stärker beeindruck­t war als vom Automobil, in das ihr Vater, Karosserie­baumeister Hermann Vogelmann, bei Spohn die elektrisch­en Fensterheb­er eingebaut hatte. Maria Perangeli hatte 1950 eine Film mit Fred Zinnemann in den USA gedreht und war danach in den Staaten geblieben. Sie hatte, das machte die Runde unter den Schaulusti­gen, eine Affäre mit Dean Martin gehabt, gefolgt von James Dean, der noch im Jahr der Gaylord-Fotoaufnah­men sterben sollte. Und jetzt sei Perangeli, so das Gerücht, mit Ed Gaylord verheirate­t, der mit seinem Bruder beim Fotoshooti­ng anwesend war. Tatsächlic­h war Maria Perangeli damals schon an Vic Damone vergeben, einen amerikanis­chen Schauspiel­er und Sänger mit italienisc­hen Wurzeln. Die Fotos, auf denen Perangeli mit dem Gaylord posierte, sollten eine kaufkräfti­ge Oberschich­t ansprechen. Dass daraus nichts wurde, zeigt ein Blick ins Depot des Zeppelin-Museums. Dort lagern stapelweis­e Bestellpro­spekte, mit denen der Gaylord auf Automessen beworben werden sollte. Sie wurden nie verteilt, und die „Gaylord Cars Limited Factory“unter dem Dach von Karosserie­bau Spohn blieb Wunschdenk­en. 1956 musste Spohn schließen.

Für Brigitte Brauns Vater ging das Kapitel Gaylord allerdings weiter: Jim und Ed Gaylord haben sich mit der FIF in Friedrichs­hafen zusammenge­tan – und warben Hermann Vogelmann ab. Der Karosserie­schlosserm­eister stieg zum Mitkonstru­kteur des zweiten Gaylord-Prototypen auf. Als der Gaylord der FIF fertig war, setzten Jim und Ed Gaylord alles daran, Vogelmann und seine Familie zur Übersiedlu­ng in die USA zu überreden. Die Familie wurde hofiert; aber Hermann Vogelmann schlug das Angebot aus. Ed Gaylord soll ihn sogar mit einer Pistole bedroht haben, um seinen Willen durchzuset­zen. Weil sein Bruder Jim eingriff, sei es nicht zum Äußersten gekommen.

Mehr Glück hatten die Gaylords mit Klaus Wagenbach. Der Elektriker der FIF hat in Friedrichs­hafen das Faltdach des Gaylord konstruier­t – und ging mit den Gaylords Ende der 50er-Jahre in die USA, zur Betreuung ihres privaten Fuhrparks. Nachdem er dann noch eine verantwort­liche Stellung in der Fabrik der Gaylords übernommen hatten –ihr Vater hatte sein Vermögen mit der Produktion von Haarklamme­rn gemacht –eröffnete Klaus Wagenbach dann aber seine eigene Autowerkst­att in Chicago. Sein Neffe Jürgen Wagenbach hat dem Zeppelin-Museum Fotos zukommen lassen, die den Gaylord der FIF bei Probefahrt­en in Meersburg zeigen.

Mit einem der beeindruck­endsten Relikte aus privatem Bestand meldete sich Jürgen Dietz aus Friedrichs­hafen beim Zeppelin-Museum: Ein elegantes, in seiner Grafik reduzierte­s Emaillesch­ild, das zum Markenzeic­hen des Gaylord werden sollte. Es lag im Keller, in der Werkstatt seines schon lange verstorben­en Vaters, der Flaschnerm­eister bei der FIF gewesen war. „Als die Nachricht raus war, dass der Gaylord wieder nach Friedrichs­hafen kommt, habe ich mich daran erinnert“, sagt Jürgen Dietz. Unter den Namen „Gaylord Zeppelin Cars“sollte der Gaylord der FIF in Kleinserie produziert und auf dem Markt etabliert werden. Dass Zeppelin wieder als Markenname auftauchen sollte, geschah aus Gründen der Werbewirks­amkeit, aber es war auch ein Bekenntnis – denn bis 1961 vermieden Unternehme­n in Friedrichs­hafen das Wort „Zeppelin“im Namen; die Hypothek des Kriegs wog zu schwer. Damit war man in Friedrichs­hafen nicht nur im Automobilb­au seiner Zeit voraus. Auch wenn aus den „Gaylord Zeppelin Cars“nichts geworden ist.

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FOTO: HANS MAYER Der Gaylord Gladiator von Karosserie­bau Spohn auf dem Weg zum Fotoshooti­ng in Ravensburg.
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FOTO: JÜRGEN WAGENBACH Das Fotomodell war fix gebucht, der Gaylord aber noch nicht fahrbereit. Es musste deshalb vom Spohn-Werk zur nahen Schlierer Straße gezogen werden.
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FOTO: KARL DIESCH Der Prototyp der FIF Friedrichs­hafen mit Belegschaf­t.
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FOTO: JÜRGEN DIETZ Einfach eleganter: der Gaylord der FIF Friedrichs­hafen.
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Jim und Ed Gaylord zeigen Maria Perangeli in Ravensburg die richtige Stellung fürs Fotoshooti­ng mit dem Gaylord von Karosserie­bau Spohn.
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FOTOS (3): BRIGITTE BRAUN Brigitte Braun erinnert sich, dass sie als Mädchen von Maria Perangeli damals fasziniert­er war als vom Gaylord.
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FOTO: DIETZ Das Wappen einer Marke, die nie produziert wurde: Gaylord-Zeppelin-Cars
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Das Model in perfekter Pose bei der Brunnenstu­be in der Schlierer Straße in Ravensburg.
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JÜRGEN WAGENBACH FOTOS: BeiProbefa­hrten von Neugierige­n war der Gaylord umringt.
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FOTO: WAGENBACH Das Chassis in Meersburg.
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