Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Einheimischenmodell: Räte sprechen sich gegen Beschlussvorschlag aus
Entscheidung über neue Richtlinien zur Vergabe kommunaler Wohnbauflächen in Kressbronn wird verschoben
KRESSBRONN - Eigentlich hätte der Kressbronner Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung einen Beschluss zur neuen Fassung der Richtlinien über die Vergabe kommunaler Wohnbauflächen fassen sollen, doch die Kritik der Räte an den neuen Wohnbauflächenvergaberichtlinien war so groß, dass der Tagesordnungspunkt verschoben wurde. Bürgermeister Daniel Enzensperger bot an, in die kommende Sitzung den Rechtsanwalt einzuladen, der den Text ausgearbeitet hat.
Zum Hintergrund: Am 26. Juli 2016 hat der Gemeinderat eine neue Richtlinie für die Vergabe von Wohnbauplätzen beschlossen. „Zwischenzeitlich hat der Europäische Gerichtshof in Brüssel zur Vergabe kommunaler Wohnbauflächen im sogenannten Einheimischenmodell, also unter besonderer Berücksichtigung der ortsansässigen Bevölkerung, eine neue Rechtsprechung eingeleitet und Leitlinien aufgestellt“, berichtete der Bürgermeister. Eine Vergabe nach der Ortsansässigkeit dürfe zwar noch Kriterium sein, müsse aber eine untergeordnete Rolle spielen. So dürfe die Ortsansässigkeit, die bisher den Schwerpunkt in Kressbronn ausgemacht hat, maximal noch 40 Prozent betragen, die sozialen Kriterien dagegen 60 Prozent. „Das gefällt mir – ehrlich gesagt – nicht, denn ich hätte die Kressbronner gerne mehr bevorzugt, aber das ist rechtlich nicht möglich“, so Enzensperger.
Wegen der Komplexität der Thematik hat die Verwaltung Rechtsanwalt Andreas Kohnke mit der Ausarbeitung beauftragt, die – so weit wie rechtlich möglich – an die 2016 beschlossenen Richtlinien angelehnt ist. „Ich verstehe nicht, wieso wir uns hier ein Konstrukt basteln, in dem viele Punkte schwammig und damit rechtlich angreifbar sind“, meinte Stefan Fehringer (BWV) mit Blick auf beispielsweise den Punkt „Vermögen“, bei dem nicht nachgeprüft werden könne, ob der Bewerber die Wahrheit angeben würde. Aus seiner Sicht sollten nur Punkte in die Richtlinien mitaufgenommen werden, die auch belegbar seien.
„Das kapiert wirklich keiner“
Ähnlich war der Einwand von Hermann Wieland (CDU), der kritisierte, dass nach den neuen Richtlinien gelte: „Je weniger Vermögen jemand hat, desto besser steht er bei der Vergabe von Wohnbauflächen da – dabei hat er aber ja nichts“, so Wieland. Auch der Punkt „Einkommen“sei aus seiner Sicht zu ungenau definiert. Sein Fraktionskollege Karl Bentele bemängelte, dass es sich hier „um ein Wirrwarr von Bestimmungen für Verwaltung und Bürger“handele. „Das kapiert wirklich keiner, dabei sollte das doch transparent sein“, befand Klaus Steinhauser (BWV). Bürgermeister Daniel Enzensperger verwies auf Rechtsanwalt Andreas Kohnke, der den Text ausgearbeitet habe: „Mir gefällt das so auch nicht.“Allerdings dürften die Vergaberichtlinien in dieser Form „auch nicht veröffentlicht“, sondern müssten „besser aufbereitet“werden.
„Inwiefern müssen wir da überhaupt die Ersten sein? Müssen wir da etwas Neues erfinden, obwohl wir in diesem Jahr eh’ nichts mehr zu vergeben haben?“, fragte Klaus Klawitter (CDU). Seine Ratskollegen stimmten ihm zu und regten an, einfach mal abzuwarten, sich andere Versionen anzusehen und gegebenenfalls diese als Grundlage zu nehmen. Daniel Enzensperger dagegen schlug vor, Rechtsanwalt Andreas Kohnke in die kommende Sitzung einzuladen und dann erneut über das Thema zu sprechen – ein Vorschlag, der schließlich von allen angenommen wurde.