Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Und wer setzt jetzt die Impulse?
Was der lange Ausfall von Mittelfeldspieler Thiago für den FC Bayern München bedeutet
MÜNCHEN - An Allerheiligen konnte Bayern-Trainer Niko Kovac schon wieder ein bisschen lächeln, er fühlte sich auch nicht mehr so einsam auf dem Trainingsplatz an der Säbener Straße.
Denn James Rodríguez, Arjen Robben, Mats Hummels und Jérôme Boateng, zuvor erkrankt oder angeschlagen, konnten wieder mitmachen, dürften beim Heimspiel am Samstag gegen Freiburg (15.30/Sky) zur Verfügung stehen.
Die Schock-Diagnose vom Mittwoch hat man jedoch noch nicht ganz verdaut. Spielmacher Thiago, neben Stürmer Robert Lewandowski zuletzt der wichtigste und unersetzbarste Bayern-Profi, wird wohl bis zur Winterpause ausfallen. Damit auch beim Ligagipfel am 10. November beim erfrischend spielenden Tabellenführer Borussia Dortmund, dem bedeutendsten Spiel der Bayern bis Weihnachten.
Gibt jetzt Müller den Thiago?
Bei einem Foul während des 2:1 im DFB-Pokal bei Rödinghausen riss bei Thiago das vordere Außenband sowie die Gelenkkapsel im rechten Sprunggelenk. Erst der Rumpelfußball, das erschreckend schwache 2:1 beim Viertligisten trotz starkem Beginn – und dann das. Nach den Toren von Sandro Wagner und Thomas Müller per Elfmeter riss der Faden. Renato Sanches, zuvor dynamisch und zielstrebig, knallte im Übermut den zwieten Elfmeter an die Latte. „Nach dem verschossenen Elfmeter ist alles wie weggeblasen gewesen“, schimpfte Kovac, „wir haben überhaupt nicht mehr gespielt, wie ich mir das vorgestellt habe.“
Noch mehr jedoch als das spielerisch maue Weiterkommen dürfte ihn die Personalie Thiago beschäftigen. Bereits vor dem nächtlichen Rückflug und der Diagnose meinte der Trainer geknickt: „Die Verletzung von Thiago ist natürlich ärgerlich. Wir werden immer weniger, jetzt sind die anderen Spieler umso mehr gefordert.“
Beim SV Rödinghausen hatten neben den Langzeitverletzten Kingsley Coman (Comeback für Januar angestrebt) und Corentin Tolisso (Sommer 2019) auch James, Robben, Hummels und Boateng kurzfristig passen müssen. Kovac musste drei U23Spieler aus der eigenen Regionalligamannschaft mit in den Profi-Kader nehmen. Rächt sich jetzt der zu dünne Kader, den man – ohne Not – Ende August noch durch die Verkäufe von Sebastian Rudy und Juan Bernat verschlankt hatte?
Der Verlust von Thiago ist nur deswegen ein herber Rückschlag. Der Spanier, bislang in dieser Saison in 14 von 15 Pflichtspielen auf dem Platz, ist die Schaltzentrale der Mannschaft, der Architekt im Spielaufbau. Er war es, der den Ball laufen ließ, mit Esprit für Druck nach vorne sorgte. Auch weil Kovac seine Position stärkte und ihn von der Sechserauf die Achterposition vorschob, fand Bayern den Weg aus der Krise und gewann, wenn auch nicht spektakulär und aufregend spielend, zuletzt viermal hintereinander. Ohne Thiago droht das Spiel noch statischer und ideenloser zu werden.
Kovac und den zuletzt müden Bayern fehlt nun ihr bester Fußballer. Es wird eine echte Prüfung – inklusive der Frage, wer den 27-Jährigen ersetzen soll? Der offensivere James muss jetzt mehr spielerische Impulse vor dem Sechser Javi Martínez – der allerdings seit Wochen in der Krise ist und womöglich von Renato Sanches oder auch Joshua Kimmich ausgetauscht werden könnte– geben. Thomas Müller, bis Dienstag in der Torkrise, dürfte nun als Achter gesetzt sein – so schnell kann's gehen.