Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Selbstversuch: Mit dem Laubbläser im Einsatz
Redakteur Thilo Bergmann bläst in Meckenbeuren Laub, kriegt Antworten und nasse Füße
MECKENBEUREN - Leise ruckelt das orange-weiße Blasgerät im Stand by, als ich es mir auf den Rücken schnalle. Fühlt sich so an, als wäre ich einer von den Ghostbusters. Gleich geht es auf Geisterjagd. Aber heute jage ich keine Geister, sondern Laub. Zwölf Kilogramm wiegt das Ungetüm, mit dem ich auf der Freizeitanlage Degelbach im Süden von Meckenbeuren für Ordnung sorgen möchte. Ich trage blaue Jeans und eine Winterjacke. Meine drei Kollegen und die Kollegin des Bauhofs Meckenbeuren sind da besser ausgestattet: Signalorange Arbeitshosen und gescheite Schuhe.
Das wäre für mich vielleicht die bessere Wahl gewesen, denke ich, als ich das nasse Laub vor mir sehe. Aber während besagte Mannschaft bereits kleine Wälle aus Laub geschaffen und den Spielgerätebereich entlaubt hat, versuche ich zaghaft den großen Föhn in meiner Hand zum Pusten zu bringen. „Einfach Vollgas“, sagt mein Anleiter, Waldemar Schreiner. Ich drücke den orangen Hebel nach unten und tatsächlich, da kommt was. Mit mehr als 90 Metern pro Sekunde wird auf meinem Rücken Wind erzeugt, den ich dann mit dem langen Rohr mehr oder weniger gebündelt auf das Laub loslasse. Mein Anleiter ist schon weitergezogen, um das aufgetürmte Laub einzusaugen und ich übe an den Blättern um und auf einer Ruhebank abseits. Gar nicht so einfach.
Weil das Laub nass ist, muss ich mehrmals über die gleichen Stellen, und weil ich keine Übung habe, landen die Blätter auch da, wo ich schon gewesen bin. Das nervt und ganz so lässig wie bei den anderen sieht das auch nicht aus. „Jetzt stellen Sie sich einen engen Gehweg vor“, ruft mir Ortsbaumeisterin Ursula BraungerMartin zu. Die Angestellten des Bauhofs haben auf jeden Fall mehr Übung als ich, denke ich mir. Bei Bernd Bäumler zum Beispiel sieht das Ganze deutlich entspannter aus, als bei mir. Er hinterlässt eine drei Meter breite laubfreie Schneise, wenn er über das Gras bläst. Vor gerade mal zehn Minuten haben wir angefangen und schon jetzt ist die Wiese mit den Spielgeräten nicht mehr wiederzuerkennen. Nicht mein Verdienst, aber dennoch toll. Mein Bereich sieht immerhin etwas besser aus, als zuvor. Aber ich glaube, da muss ich nochmal rüber. Laune macht das Ganze ja.
Gemeinde sorgt für Sicherheit
Aber warum ist es überhaupt wichtig, Laub auf einer Wiese wegzublasen? Ursula Braunger-Martin hat dafür eine einfache Erklärung. Laub werde früher oder später zu Humus – genau den wolle man aber im mit Hackschnitzeln ausgelegten Spielbereich oder in Sandkästen nicht haben. Und auf manchen Wiesen, zum Beispiel in Kindergärten, sei es wichtig, den Rasen zu erhalten, sagt sie. Auch hier muss das Laub deshalb weichen. Geh- und Radwege müssen außerdem ebenfalls geräumt werden, damit darauf niemand ausrutscht oder ins Schleudern gerät. Hier wiederum hat die Gemeinde eine Verkehrssicherungspflicht.
Regelmäßig gibt es wegen des Einsatzes der Laubbläser in Meckenbeuren Beschwerden, sagt BraungerMartin. Im Oktober und November waren die Laubbläser sogar Thema im Gemeinderat, weil, so der Vorwurf, die Laubbläser zu laut seien. Die Anfrage von Anita Scheibitz (CDU) war zum Beispiel, dass die Zeiten, wann auf dem Friedhof gearbeitet wird, vorher angekündigt werden. Tatsächlich ist Laubblasen keine leise Angelegenheit. Die Zweitaktmotoren röhren ordentlich, wenn das Laub nass ist, braucht man eigentlich immer Vollgas. Aber auch hier sucht die Gemeinde nach Lösungen. „Wir ersetzen unsere Laubbläser nach und nach durch elektrische Laubbläser“, sagt BraungerMartin. Doch die sind teurer in der Anschaffung und ein zweiter Akkusatz ist immer notwendig. „Die halten sonst nicht mal bis zur Mittagspause“, sagt sie. Tiana Bucher bedient so einen elektrischen Laubbläser. Der sieht noch mehr aus, wie eine Geisterfangkanone. Hier hängt nicht nur das Rohr auf der Seite des Anwenders, sondern das ganze Gerät, das den Wind erzeugt. Dann bekomme ich auch diese Maschine aufgeschnallt. Auf dem Rücken den Akku und in der Hand die Windmaschine. „Sie müssen hier etwas mehr den Boden im Blick haben und die Luft von unten kommen lassen“, sagt Bucher. Und sie hat Recht. Das Gerät hat weniger Power, gerade bei den großen Laubhaufen hat es Schwierigkeiten. Doch die neue Generation erfüllt ihren Zweck und ist vor allem eines: viel leiser. Der Gehörschutz erscheint mir für meinen Kurzzeiteinsatz dann fast schon optional.
Zeitlich beschränkter Einsatz
Vor acht Uhr dürfen Laubbläser der Gemeinde in Meckenbeuren überhaupt nicht bedient werden, sagt Braunger-Martin. Und in Wohngebieten nutze man eher die neuen, elektrischen Geräte. In der Nähe von Kindergärten wird sogar auf die Schlafzeiten der Kleinkinder Rücksicht genommen, sagt sie. Eine Alternative gibt es aus ihrer Sicht nicht. Mit Rechen und Besen arbeiten? „Dafür bräuchten wir doppelt so viel Personal“, sagt Braunger-Martin. Zwischen September und dem ersten Schneefall seien ständig Bauhofmitarbeiter damit beschäftigt, das Laub wegzublasen. Und der Friedhof müsse zum Beispiel bis Allerheiligen frei von Laub sein, sonst kämen auch hier Beschwerden.
Dem einen kommen die Arbeiter zu spät, der andere fürchtet um die biologische Vielfalt von Kleinstlebewesen. Denn nicht nur das Laubblasen, sondern auch das Laubsaugen sorgt für Diskussion. Die Kollegen Schreiner und Zinser bedienen den großen Staubsauger, der an dem Pritschenwagen des Bauhofs befestigt ist. Das Laub wird eingesaugt, auf dem Bauhof gesammelt und dann abgeholt. Naturschützer sehen darin ein Problem, weil dadurch Kleinstlebewesen verloren gehen würden. Ortsbaumeisterin Braunger-Martin sagt hingegen, dass sie keine andere Möglichkeit habe. „Sonst bringt der Wind das ganze wieder durcheinander.“Und außerdem lasse man Laub an Hecken oder auf Wiesen, wo es nicht stört, schon auch mal liegen.
In Zukunft größere Blätter
Ich jedenfalls versuche mich ebenfalls an dem überdimensionierten Staubsauger mit dem 20 Zentimeter breiten Rohr. Trotz kleiner Rolle an dessen Unterseite ist das die eindeutig anstrengendste Arbeit an diesem Morgen beim Laubversorgen in Meckenbeuren. Meine Kollegen lachen, als ich ihnen den schweren Sauger zurückgebe. Für sie ist das schließlich ihr tägliches Geschäft. Zumindest solange wie es Bäume gibt, die ihr Blattwerk abwerfen. Aber auch hier macht man sich bei der Gemeinde bereits Gedanken. „Wir pflanzen eigentlich nur noch großblättrige Bäume, die auf einmal ihr Laub fallen lassen“, sagt Braunger-Martin. Das macht die Arbeit zumindest etwas einfacher. Egal, ob das Laub mit Strom oder Sprit weggeblasen wird.