Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Mann überlebt Sturz in die Schussen nur knapp
Sein Lebensretter berichtet von dem Vorfall – 19-Jähriger stand vermutlich unter Alkohol- und Drogeneinfluss
RAVENSBURG - Ein 19-Jähriger ist am Dienstag in der Nähe des Ravensburger Bahnhofs in die Schussen gestürzt. Überlebt hat er vermutlich nur dank eines Retters, der den Vorfall zufällig mitbekam.
Es ist etwa 13 Uhr, als ein 58-jähriger Mitarbeiter der bfz gerade die Toilette aufsucht. Die Büroräume der Beruflichen Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft liegen über dem Restaurant Gleis 9 in der Escher-Wyss-Straße (siehe Karte). Durch das gekippte Fenster hört er, dass sich draußen, auf der Rückseite des Gebäudes, jemand übergibt. Weil er durch das Fenster nichts erkennen kann, eilt der Mitarbeiter hinüber in die Küche, wo er auf Kollegen trifft. „Zusammen haben wir durch das Fenster gesehen, wie jemand auf der steilen Böschung, die zur Schussen hinunterführt, auf halber Höhe ging, hinfiel und zwischen Bäumen und Gestrüpp liegenblieb.“Er ruft heraus, erhält aber keine Antwort von dem Mann.
Als Ersthelfer wisse er jedoch, wie man in so einem Fall vorgehen muss. „Ich habe gleich zu einer Kollegin gesagt, sie solle einen Notruf absetzen“, erinnert sich der Retter, der gegenüber der Öffentlichkeit lieber anonym bleiben möchte. Zusammen mit zwei Kollegen eilt er hinaus und hin zu dem jungen Mann. Inzwischen hat der 19-Jährige noch einmal versucht, sich aufzurichten, ist dabei am Hang abgerutscht und im Wasser gelandet. „Wir sind zu ihm runter, mussten aber sehr vorsichtig sein, weil alles nass und rutschig war.“Es regnet, der 19-Jährige versucht noch, sich an den Steinen im Wasser festzuhalten. „Er war bis über die Hüfte im Wasser, nur sein Oberkörper war frei“, so der 58-Jährige.
Mann offenbar stark berauscht
Damit der junge Mann nicht abtreibt, hält er ihn an seiner Jacke fest. „Er war ziemlich weggetreten. Wir haben versucht, ihn anzusprechen, aber er hat uns nur aus großen Augen angeschaut.“Auf den glitschigen Steinen finden die Helfer kaum Halt, deshalb fordern sie den Mann auf, mitzuhelfen. Doch darauf kommt kaum eine Reaktion. „Er konnte uns nicht wirklich unterstützen.“Wie die Polizei später berichtet, steht der 19Jährige augenscheinlich unter Alkoholund Drogeneinfluss.
Die Situation ist brenzlig, denn die Jacke des Mannes steht offen. „Fast wäre er uns herausgerutscht. Dann wäre er vermutlich weg gewesen.“Der Retter behält aber einen kühlen Kopf. „Da ich eine Ersthelferausbildung habe, wusste ich genau, was zu tun ist und bin strukturiert geblieben.“
Ein dritter Helfer wartet derweil an der Straße auf das Eintreffen der Rettungskräfte und der Polizei, die bereits nach wenigen Minuten anrücken. Laut bfz-Mitarbeitern kommen sowohl Einsatzkräfte der Feuerwehr Ravensburg und des DRK als auch der DLRG. Helfer des DRK lösen die Männer ab und halten den Mann weiterhin fest, während die Feuerwehr ihn mit einer sogenannen Schleifkorbtrage aus dem Wasser zieht. Wie Feuerwehrkommandant Claus Erb später erläutert, handelt es sich dabei um eine Krankentrage, die seitlich geschlossen ist und auf Kufen nach unten geschoben werden kann, um Menschen beispielsweise auf unwegsamem Gelände zu bergen. Feuerwehrleute heben das Opfer in den Kunststoffkorb hinein und ziehen die Trage wieder nach oben.
Der Zufall kommt zu Hilfe
Die Feuerwehr ist mit 17 Leuten im Einsatz. Etwa eine halbe Stunde dauert die Rettungsaktion laut Feuerwehrkommandant Erb. „Der junge Mann war danach ansprechbar. Sein Gesundheitszustand schien nicht lebensbedrohlich zu sein“, sagt er. Laut Polizei wird der 19-Jährige zur weiteren Untersuchung in ein Krankenhaus gebracht.
Obwohl die Rettungskräfte schnell da waren, seien in solch einer Situation ein paar Minuten lang, erinnert sich der Retter. Er will sich gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wäre ihm der Mann aus den Händen geglitten. „Es war zwar wenig Wasser in der Schussen, aber durch den Regen schwoll der Fluss an.“
Auch der Zufall sei zu Hilfe gekommen: „Wenn ich nicht in diesem Moment auf Toilette gewesen wäre und das Fenster nicht gekippt gewesen wäre, hätte ich ihn nicht gehört. Dann hätten wir von dem Vorfall vermutlich gar nichts mitbekommen.“Ihm sei allerdings auch wichtig, dass er alleine die Rettung nicht hätte bewerkstelligen können. „Ich habe zwar die Initiative ergriffen, aber wir haben zu dritt agiert.“