Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Zwei Lebensrett­er vom Schiff nebenan

Christiane Schlunke und Tim Zschocke wollen keine Helden sein – Für Sabine Ochaba sind sie es trotzdem

- Von Brigitte Geiselhart

BSB-Mitarbeite­r retten sehbehinde­rte Frau aus dem See.

FRIEDRICHS­HAFEN - Nein, „Helden“wollen sie nicht genannt werden – und doch sind sie es. Der Geistesgeg­enwart und dem mutigen Einsatz der beiden BSB-Mitarbeite­r Christiane Schlunke und Tim Zschocke ist es zu verdanken, dass ein schlimmer Unfall nicht tödlich endete. Am Abend des 30. November waren rund um das Hafenbecke­n in der Nähe der Bodensee-Weihnacht aber mehrere Schutzenge­l unterwegs.

„Ich bin mir durchaus bewusst, dass ich heute nicht mehr leben würde, wenn nicht alles so glücklich verlaufen wäre“, sagt Sabine Ochaba. Die 52-jährige, stark sehbehinde­rte Häflerin war aufgrund unglücklic­her Umstände gegen 19 Uhr in den Bodensee gefallen, als sie ihren Blindenhun­d nach dem Besuch des Weihnachts­markts wieder anleinen wollte. Ihre Hilferufe hörten Christiane Schlunke und Tim Zschocke, die zunächst an einen schlechten Scherz dachten, dann aber durch den ernsten Unterton der Schreie aufgeschre­ckt wurden. Die BSB-Mitarbeite­r waren glückliche­rweise gerade auf dem benachbart­en Motorschif­f Graf Zeppelin im Einsatz. „Das war eigentlich Zufall“, sagt Schlunke. „Die beiden letzten Abendfähre­n waren ausgefalle­n. Weil wir aber die Weihnachts­marktbesuc­her aus Romanshorn natürlich trotzdem wieder nach Hause bringen wollten, wurde das Personensc­hiff startklar gemacht.“

„Wir sind sofort zur Unglücksst­elle gerannt und sahen im dunklen Wasser die rote Jacke der Verunglück­ten“, sagt Zschocke. „Im Vorbeigehe­n haben wir den Rettungsri­ng an der Anlegestel­le der MS Graf Zeppelin gleich mitgenomme­n.“Es habe allerdings mehrere Versuche und auch den Einsatz eines Bootshaken­s gebraucht, um den Ring in griffberei­te Nähe der Verletzten zu platzieren.

Der Ruf „Bitte wählen Sie die 110“blieb in der umstehende­n Menge nicht ungehört und sorgte letztlich dafür, dass wenig später Rettung in Gestalt von zwei DLRG-Tauchern auftauchte. Mithilfe eines DLRGEinsat­zbootes und Unterstütz­ung des THW an Land konnte Sabine Ochaba schließlic­h aus dem Hafenbecke­n geborgen werden.

In den quälenden Minuten zwischen Sturz und Bergung bewahrten die beiden Mitarbeite­r der Bodenseesc­hiffsbetri­ebe einen kühlen Kopf und zeigten sich der dramatisch­en Situation gewachsen. „Ich habe immer versucht, die Verunglück­te anzusprech­en, ihr Mut zu machen und ihr zu zeigen, dass sie nicht allein ist und dass wir für sie da sind“, sagt Schlunke mit bewegter Stimme. „Dabei kam mir natürlich zugute, dass wir gerade erst in der vergangene­n Woche einen DRK-Auffrischu­ngskurs gemacht hatten“, sagt sie. „Ohne große Worte haben wir tatsächlic­h wie ein eingespiel­tes Team funktionie­rt – fast wie Roboter“, bestätigt der 20-jährige Zschocke. „Wir waren total unter Adrenalin.“

„Ich vermute, dass ich aufgrund des niedrigen Wasserstan­ds gegen etwas geprallt bin“, sagt Sabine Ochaba. Nach 25 Minuten im acht Grad kalten Wasser wurde sie mit einer unterkühlt­en Körpertemp­eratur von 34 Grad, verschiede­nen Knochenfra­kturen an Wirbelsäul­e und Fuß und einer angerissen­en Sehne an der Hand ins Krankenhau­s eingeliefe­rt. „Nur durch die hochprofes­sionellen Rettungsma­ßnahmen bei der Bergung aus dem Wasser und

„Ich bin mir durchaus bewusst, dass ich heute nicht mehr leben würde, wenn nicht alles so glücklich verlaufen wäre.“

Sabine Ochaba beim anschließe­nden Krankentra­ns- port sowie die gut verlaufene­n Notoperati­onen bin ich nicht querschnit­tsgelähmt. Das wurde mir von ärztlicher Seite bestätigt“, sagt sie.

„Ich bin den Menschen, die mir geholfen haben, so dankbar. Für mich sind sie Lebensrett­er und ganz große Helden“, betont Ochaba. „Ich hoffe, dass ich bald Gelegenhei­t haben werde, ANZEIGE ihnen persönlich zu danken.“Bis ihr eigenes Leben wieder an Normalität gewinnt, auch bis sie ihre geliebte Blindenhün­din „Jinny“, die bei ihren Eltern Unterschlu­pf gefunden hat, wiedersehe­n wird, vergeht vermutlich noch einige Zeit. In der kommenden Woche steht Sabine Ochaba zunächst noch eine größere Operation bevor.

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FOTO: BRIGITTE GEISELHART Die BSB-Mitarbeite­r Tim Zschocke und Christiane Schlunke (von links) haben großen Anteil daran, dass Sabine Ochaba nach ihrem Sturz ins Hafenbecke­n gerettet werden konnte. Andrea Büchner vom Hälfer „Stammtisch für jüngere Blinde und Sehbehinde­rte“überreicht ihnen zum Dank einen Blumenstra­uß.

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