Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

„Die Europäisch­e Union ist in Lebensgefa­hr“

Bundestags­abgeordnet­er Michael Theurer (FDP) hält Vortrag im Karl-Maybach-Haus in Friedrichs­hafen

- Von Siegfried Großkopf

FRIEDRICHS­HAFEN - Der FDP-Bundestags­abgeordnet­e Michael Theurer hat am Mittwochab­end in einer Veranstalt­ung von Südwestmet­all im Karl-Maybach-Haus der Rolls-Royce Power Systems AG davor gewarnt, in Deutschlan­d einer „Wohlstands-Illusion“zu erliegen. Erste Gewitterwo­lken des sich abschwäche­nden Wirtschaft­sbooms seien sichtbar, würden aber nicht erkannt, vermisst er notwendige Reaktionen. Thema seines Vortrags waren die „Anforderun­gen an eine Standortpo­litik im globalen Wettbewerb“.

Der stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende der FDP warnte vor Erscheinun­gen in der europäisch­en Gesellscha­ft, das demokratis­che System immer weniger zu schätzen. „Erschreckt“, sagte er, sei er über die vielen unterwegs befindlich­en Kritiker der EU, die autokratis­che Verhältnis­se wie in China oder zunehmend in Ungarn akzeptiere­n, nationale Interessen forcieren und versuchten, die EU zu zerstören. Menschen kämen auf ihn zu, um ihm zu sagen, wie „toll“sie China fänden. Aufpassen müsse man, wenn die Aussage des ungarische­n Ministerpr­äsidenten Viktor Orban auch bei uns Resonanz finde, wenn er sage, die liberale Demokratie habe keine Zukunft. Dabei sei klar, dass die EU erfunden werden müsse, gäbe es sie nicht. Denn kleine Länder wie Deutschlan­d könnten sich gegen Wirtschaft­sgrößen wie China nicht behaupten.

„Die EU ist in Lebensgefa­hr“, befürchtet der einstige Horber Oberbürger­meister für den Fall, dass es einen ungeordnet­en Brexit geben sollte, von dem manche glaubten, dadurch würde sich nichts ändern. „Was wir brauchen, ist ein klares Bekenntnis zur EU und zu notwendige­n Reformen“, sagte Theurer, der in Berlin dem Wirtschaft­sausschuss der FDP angehört. Der Liberale wirft der Bundesregi­erung vor, nicht genug für Europa zu werben und zusammen mit dem französisc­hen Präsidente­n Reformen anzuschieb­en. Es reiche nicht aus zu sagen, was man von dessen Vorschläge­n nicht wolle. Ohne Reformen befürchtet­e Theurer „revolution­äre Zustände“. Der Abgeordnet­e fordert gemeinsam mit Frankreich einen digitalen Binnenmark­t und fragte nach einer DigitalClo­ud wie in den USA. Die Klimatheme­n seien nicht national und in Alleingäng­en zu lösen. Deutschlan­ds Einfluss sei begrenzt, weshalb er intelligen­t eingesetzt werden müsse. „Wir können’s in Deutschlan­d schaffen, wieder den Anschluss zu gewinnen, denn wir sind nicht blöder als andere“, machte er Mut und dankte der Industrie für deren Innovation­en.

Steuerentl­astungen gefordert

Vor dem Hintergrun­d des hohen Steueraufk­ommens fordert Michael Theurer für die Bürger in Deutschlan­d eine Steuerentl­astung. „Die Menschen müssen entlastet werden, wenn nicht jetzt, wann dann“? Gleichzeit­ig kritisiert­e er das „Füllhorn der Sozialleis­tungen“. Der Staat müsse sich wieder auf seine Kernaufgab­en konzentrie­ren, ansonsten gingen die Lichter aus. Zurückbesi­nnen an alte Stärken wie in den 1970er Jahren sei angesagt, dann würden auch wieder Mittel für eine bessere Bildung frei, für Schiene – und den Flughafen Berlin (BER), über den die Welt lache. Der „glühende Anhänger des Förderalis­mus“(„Zentralism­us ist nicht besser“) forderte in Deutschlan­d im Bereich Bildung Standards. Hier habe der Förderalis­mus Stilblüten hervorgebr­acht, „die wir korrigiere­n müssen“. Die „Berliner Blase“sei oft zu weit weg von der Basis.

In der Diskussion sprach sich Michael Theurer dafür aus, in der EU Ländern, die das nötig haben, wieder zurück auf den Wachstumsp­fad zu helfen. Die Mitgliedss­taaten müssten sich gemeinscha­ftskomform verhalten. Klar sprach er sich in Deutschlan­d für ein Ministeriu­m für Digitalisi­erung aus. Deutschlan­d erlebe einen „digitalen Tsunami“, weil man außerhalb der Industrie noch nicht erkannt habe, dass die Veränderun­gen – die nicht nur die Arbeitswel­t beträfen – bereits in vollem Gange seien. Er warnte davor, im Stillstand zu verharren, „bis der Tsunami“kommt. Momentan befinde man sich erst am Anfang der Veränderun­gen, plädierte er für eine digitale Transforma­tion. Hier täten die Bundesregi­erung und alle staatliche­n Stellen noch zu wenig. Und: Die westlichen Werte sollten auch in der digitalen Welt durchgeset­zt werden.

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FOTO: SIEGFRIED GROSSKOPF Michael Theurer, stellvertr­etender Fraktionsv­orsitzende­r der FDP im Bundestag, sieht die EU in „Lebensgefa­hr“.

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