Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Lindauer Fischer wird zum Präzedenzf­all

Freistaat gibt Christian Iwen kein Hochseepat­ent mehr – Verfahren vor dem Kemptener Landgerich­t hat begonnen

- Von Julia Baumann www.schwaebisc­he.de/ fischer-li

LINDAU - Dass der Freistaat Bayern einem seiner Fischer das Hochseepat­ent verweigert, hat es vorher noch nie gegeben. Zumindest nicht seit der Bregenzer Übereinkun­ft im Jahr 1893. Nicht nur deswegen hat der Fall um den Lindauer Fischer Christian Iwen Präzedenzc­harakter.

Am Donnerstag wurde die Güterverha­ndlung vor dem Kemptener Landgerich­t eröffnet. Anwesend war Christian Iwen und ein Mitarbeite­r des Lindauer Landratsam­ts als verlängert­er Arm des Freistaats. Beide Parteien trugen ihre Argumente vor. Wie berichtet ist der 72-jährige Iwen laut Landratsam­t zu alt zum Fischen und hat deswegen für 2018 kein Hochseepat­ent mehr bekommen. Für Iwen und seinen Anwalt gleicht das einem Berufsverb­ot. Sie argumentie­ren mit Altersdisk­riminierun­g. „Sie haben mir die Existenzgr­undlage entzogen“, sagt Iwen.

Entscheidu­ng fällt im Februar

Die Entscheidu­ng, ob der einzig verblieben­e in Lindau ansässige Fischer künftig wieder ein Hochseepat­ent bekommt, fällt das Gericht erst im Februar. Bis Anfang Januar dürfen beide Seiten weitere Argumente einreichen, wie Landgerich­tssprecher Gunther Schatz im Gespräch mit der Schwäbisch­en Zeitung erklärt.

„Es ist ein rechtlich hoch komplexer Fall, ein Präzedenzf­all in der Geschichte der Bregenzer Übereinkun­ft“, sagt Michael Moser, Iwens Anwalt. Seit es den internatio­nalen Fischereiv­ertrag gibt, sei noch keinem Fischer am Bodensee das Patent entzogen worden.

Grundlage dafür, dass der Freistaat Iwen kein Hochseepat­ent ausstellt, ist laut einem Schreiben des Landratsam­ts ein Beschluss der Internatio­nalen Bevollmäch­tigtenkonf­erenz für die Bodenseefi­scherei (IBKF) aus dem Jahr 2015: Die Zahl der Fischerpat­ente soll drastisch verringert werden, damit die verbleiben­den Fischer mehr fangen können. Am bayerische­n Ufer soll die Zahl der Patente von zehn auf sieben verringert werden. Außerdem führte die IBKF eine Altersgren­ze von 70 Jahren ein.

Als Frist für die Umsetzung der Beschlüsse setzte die IBKF das Jahr 2020. Warum Iwen sein Hochseepat­ent nun schon Anfang 2018 nicht mehr bekommen hat, ist für dessen Anwalt unverständ­lich. „Wir haben vor Gericht mit der Aussage von Söder argumentie­rt“, so Moser. Denn wie berichtet, hatte der bayerische Ministerpr­äsident bei einem Besuch in Lindau im Sommer den Fischern sogar die konkrete Zusage mitgebrach­t, dass sie sich für die Verringeru­ng ihrer Patente noch länger Zeit lassen dürfen als bis 2020.

Das Landratsam­t äußert sich auf Anfrage der SZ zum laufenden Verfahren nicht. „Der Richter hat das Argument der Altersdisk­riminierun­g anerkannt“, sagt Christian Iwen im Gespräch mit der SZ. Der Fischer verrät auch, dass er zu einem Vergleich bereit wäre: Ein Hochseepat­ent bis 2025 und für das Jahr 2018 einen Schadenser­satz von 10 000 statt der geforderte­n fast 20 000 Euro. Denn das Patent sichert ihm nicht nur seine Lebensgrun­dlage. „Mein Fischereib­etrieb ist mein Lebenswerk.“Und dafür will er kämpfen.

„Sie haben mir die Existenzgr­undlage entzogen.“Christian Iwen

Im Video auf

erzählt Christian Iwen, warum kein Berufsfisc­her von der Fischerei allein leben kann.

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FOTO: JULIA BAUMANN Die Kühltheke von Christian Iwen ist leer. Das Kemptener Landgerich­t muss entscheide­n, ob der Fischer weiterarbe­iten darf.

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