Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Wie Techniker einen TV-Koloss wiederbeleben
Im Elektronikmuseum steht einer der ersten Farbfernseher Deutschlands – Reparatur des 275-Kilo-Geräts läuft
TETTNANG - Einfach einstecken und anschalten geht nicht: Mit viel Geduld untersuchen Heiko Dobslaw und Horst Willers derzeit ein 275 Kilogramm schweres Farb-TV-Gerät. Der Prototyp entstand Jahre, bevor die bunten Bilder im deutschen Fernsehprogramm laufen lernten. Das war am 25. August 1967. „Das neueste Datum, das ich auf einem Bauteil gefunden habe, ist November 1963“, sagt Elektronikentwickler Dobslaw.
Der Koloss wirkt auf den ersten Blick, als könne ihm Zeit nichts anhaben, zumindest äußerlich. Doch im Inneren ist er, obgleich wie für die Ewigkeit gebaut, reparaturbedürftig. Was das erschwert ist, dass die Dokumentation fehlt. Im November 2017 hatte Rolf Brobeil aus Dürmentingen dem Elektronikmuseum das Gerät gestiftet. Ein Fund auf dem Dachboden seiner Firma, eben ohne zugehörige Papiere oder Dokumente. Und weil es so wenige Geräte dieser Art gibt, ist auch im Internet kaum etwas bis nichts zu finden.
Noch, denn Dobslaw möchte die Schaltungen der Allgemeinheit zur Verfügung stellen, wenn er denn mal alles kartiert hat. Und auch repariert, denn: „Wir wollen das Ding zum Laufen bringen.“Was auch heißt, dass beispielsweise alle Elektrolytkondensatoren ausgetauscht werden müssen. Die darin befindliche Salzlösung ist teils durch spröde gewordene Dichtungen verdunstet. Kurz gesagt: Viele davon sind defekt.
„Diese Bauteile kann man heute aber noch genau so kaufen“, sagt Dobslaw. Er wirkt dabei recht erleichtert, denn es sind so viele Elektrolytkondensatoren im Fernseher verbaut, dass der Test jedes einzelnen schier ewig dauern würde. Und übersehe man etwas, gebe es im schlimmsten Fall eine kleine Explosion und große Schäden an anderen, angrenzenden Bauteilen auf den Platinen, sagt Dobslaw.
Ob sich der Aufwand lohnt, wollen Dobslaw und Willers gemeinsam mit Theodor Heim herausfinden. Der Radio- und Fernsehtechniker wird die beiden beim Durchgangstest mit dem Bildröhrenprüfgerät unterstützen. Denn zumindest äußerlich macht die Röhre einen guten Eindruck, so Dobslaw: „Das Vakuum ist zumindest noch da.“Was nicht häufig vorkommt: Oft sind Bildröhren dieses Alters an irgendeiner Stelle undicht, und die Leuchtstoffschicht zersetzt sich bereits.
Bei allem Optimismus verweist Dobslaw darauf, dass dennoch natürlich ein nicht sichtbarer Defekt vorliegen könne. Sei das der Fall, lohne sich die Reparatur nicht. Den Schaltplan würde er dann aber trotzdem erstellen. Aber wenn die Bildröhre, die die Entwickler des Prototypen hinter doppeltem Sicherheitsglas platziert haben, noch richtig funktioniert, dürfte der Jubel im Museum ziemlich groß sein.
Wie lange die Reparatur in diesem Fall noch laufen wird, kann Dobslaw nicht genau sagen. Es ist eine Sisyphos-Arbeit: Jedes Bauteil muss geprüft, jede Schaltung nachvollzogen werden. Die Chassis sind, anders als in modernen Geräten, wartungsfreundlich streng nach Funktion getrennt, aber eben doch nicht ganz. Und wenn ein Teil funktioniert, ist vielleicht ein Kabel defekt. So wie das Netzkabel: Damit niemand in Versuchung gerät, das mal einzustecken, haben die Technikfreunde es durchgeschnitten – zumal es ohnehin defekt war.
Das Gerät wird also erst nach und nach in Betrieb genommen werden, während die Tests voranschreiten. Wenn erst einmal alles funktioniert und dokumentiert ist, gehen Reparaturen schnell. So waren manche der insgesamt mehr als 1500 Einzelteile damals im laufenden Betrieb austauschbar, weil die Reserve gleich mit eingebaut worden ist – das gilt insbesondere für die Verschleißteile. Im Fernsehstudio, wo das Gerät zum Einsatz gekommen ist, musste eben alles schnell gehen.
Bei der laufenden Instandsetzung geht das langsamer. Finanziell wird dies übrigens ebenfalls durch alte Technik möglich: Die Mittel stammen aus der Spende der Handy-Sammelaktion der Agenda-Gruppe „Regional und Fair“der Tettnanger Anlaufstelle für Bürgerliches Engagement. Für jedes Telefon gab es bis zu einem Euro fürs Elektronikmuseum.
Wie das TV-Gerät angeliefert worden ist, sehen Sie im Video unter www.schwäbische.de/farb-tv-tt19