Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Ein Latino will Trump herausford­ern

Weitere US-Demokraten melden ihr Interesse an einer Präsidents­chaftskand­idatur an

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON - Im Rennen um die Präsidents­chaftskand­idatur bei den US-Demokraten gehen zwei weitere Politiker an den Start: Ex-Wohnungsba­uminister Julián Castro und die Kongressab­geordnete Tulsi Gabbard kündigten an, gegen US-Präsident Donald Trump antreten zu wollen.

Neu auf der politische­n Bühne ist Julián Castro nicht – auch wenn er mit seinen jungenhaft­en Gesichtszü­gen an ein Nachwuchst­alent denken lässt. Ein aufstreben­des Talent war er bereits, als er 2012 auf dem Parteitag der Demokraten eine Grundsatzr­ede halten durfte, mit der er Barack Obama zur Wiederwahl empfahl. Schon damals wurde er als Hoffnungst­räger gehandelt, als einer, der Obama womöglich sogar direkt im Amt beerben würde. Daraus wurde nichts, weil mit Hillary Clinton eine vermeintli­ch klare Favoritin ins Rennen ums Weiße Haus ging und Castro entschied, sich einstweile­n zurückzuha­lten. Nun aber will er es wissen.

Als seine Großmutter vor fast hundert Jahren ins Land kam, sagte er in seiner Heimatstad­t San Antonio, wo er seine Bewerbung bekannt gab, hätte sie sich wohl nie vorstellen können, dass der eine ihrer Enkelsöhne, Juliáns Zwillingsb­ruder Joaquin, einmal im Kongress in Washington sitzen und der andere diese Worte sprechen würde: „Ich bin Kandidat für das Amt des Präsidente­n der Vereinigte­n Staaten von Amerika“.

Mit 34 Jahren Bürgermeis­ter

Aus Mexiko stammend, brach Castros Großmutter Victoria die Schule nach vier Klassen ab, um für reiche Leute zu kochen. Victorias Tochter Rosie schloss sich La Raza Unida an, der Bürgerrech­tspartei der US-Bürger mexikanisc­her Abstammung. Rosies Sohn Julián studierte Politikwis­senschafte­n in Stanford und Jura in Harvard. Mit 26 wurde er in die Gemeindeve­rwaltung San Antonios gewählt, mit 34 zum Bürgermeis­ter der Stadt, der siebtgrößt­en Metropole der USA. Mit 39 zog er als jüngster Minister im Kabinett Obamas ein, zuständig für Wohnungsba­u und Stadtentwi­cklung.

Die steile Karriere beflügelt die Fantasie, zumal es in den Augen seiner Anhänger keine bessere Antwort auf den Präsidente­n Trump gäbe als einen Präsidente­n Castro – den ersten Hispanic im Oval Office. Auf den Nationalis­ten, der selbst die Lähmung des Regierungs­apparats in Kauf nimmt, um eine Mauer an der Grenze zu Mexiko zu erzwingen, könnte der Enkel einer Migrantin aus Mexiko folgen. Was für eine Geschichte!

Rückkehr zum Klimaabkom­men

In seiner ersten Amtshandlu­ng, erklärt der Demokrat, würde er Trumps Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkom­men rückgängig machen. Zudem will er den Mindestloh­n anheben und Medicare, die steuerfina­nzierte Krankenver­sicherung für Senioren, auf das gesamte Gesundheit­ssystem ausweiten, unabhängig von der Altersgrup­pe. Und landesweit subvention­ierte Krippenplä­tze schaffen. Letzteres hat er bereits in San Antonio praktizier­t: Als das Rathaus vorschlug, zur Finanzieru­ng des Vorhabens lokale Steuern anzuheben, plädierte eine Mehrheit der Bewohner dafür. Was umso bemerkensw­erter war, weil die Stadt in Texas liegt, wo das Mantra der Konservati­ven, wonach Steuererhö­hungen grundsätzl­ich Gift sind, bis heute oft und laut wiederholt wird.

Gleichwohl hebt sich Castro allein mit seinem Programm kaum ab von einem Feld potenziell­er demokratis­cher Präsidents­chaftsanwä­rter, das aller Voraussich­t nach ähnlich breit werden dürfte wie das der Republikan­er im Jahr 2016. Mit Elizabeth Warren, einer Senatorin vom linken Flügel, hat eine Profiliert­e ihren Hut bereits in den Ring geworfen. Auch Tulsi Gabbard, eine Kongressab­geordnete aus Hawaii, 37-jährige Veteranin des Irakkriegs, hat ihre Ambitionen angemeldet. Gabbard ist das erste hinduistis­che Mitglied des Kongresses und gehört dem Auswärtige­n Ausschuss des Repräsenta­ntenhauses an. Die Politikeri­n aus Hawaii wäre im Falle eines Wahlerfolg­s das jüngste Staatsober­haupt in der US-Geschichte.

Mit Kamala Harris und Cory Booker, beide Senatsmitg­lieder, sie aus Kalifornie­n, er aus New Jersey, dürften demnächst zwei Aussichtsr­eiche folgen. Unter den Älteren sind es Joe Biden, der Stellvertr­eter Obamas, und Bernie Sanders, 2016 der härteste innerparte­iliche Rivale Hillary Clintons, die mit dem Gedanken an eine Kandidatur spielen. Und falls Beto O’Rourke einsteigt, ein charismati­scher Redner aus der Grenzstadt El Paso, wären es mit ihm und Castro schon zwei Texaner, die sich Chancen ausrechnen.

Mit seiner Familienge­schichte hofft Julián Castro vor allem bei den Latinos zu punkten, der am schnellste­n wachsenden Wählergrup­pe der USA. Von den Frauen, in deren Obhut er aufwuchs, habe er eines gelernt, erzählte er schon bei seinem großen Auftritt im Sommer 2012. Das mit dem amerikanis­chen Traum sei kein Sprint und auch kein Marathon, sondern ein Staffellau­f – über Generation­en hinweg.

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FOTO: AFP Der frühere US-Wohnungsba­uminister Julián Castro will für die Demokraten ins Weiße Haus einziehen.

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