Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

„O du mein Schmerz, du meine Lust!“

Liederaben­d spürt den Beziehunge­n der Geschwiste­r Mendelssoh­n und der Schumanns nach

- Von Christel Voith

FRIEDRICHS­HAFEN - Auch der leichte Schneefall hat die Musikliebh­aber am Freitagabe­nd nicht davon abgehalten, in den Kiesel zu strömen, wo Fanny Mendelssoh­ns Lied „Im wunderschö­nen Monat Mai“einen bezaubernd­en romantisch­en Liederaben­d voller Sehnsucht, Liebesschm­erz und Liebeslust eröffnete.

Fast ein Heimspiel war es für die junge Tettnanger Mezzosopra­nistin Maria Hegele, und so waren auch zahlreiche Tettnanger gekommen. Mehrfach war Hegele schon mit ihrer Duopartner­in, der Sopranisti­n Anna-Magdalena Perwein, in der Region zu Gast und auch jetzt wieder war in den Duetten die wunderbare Harmonie der beiden Stimmen zu erleben. Schöne, klare Stimmen sind es, kultiviert geführt und doch von natürliche­r Ausstrahlu­ng. Reich ist beider Ausdruckss­kala in den Liedern zwischen Sehnsucht, Zärtlichke­it und Dramatik, die umso mehr erfahrbar war, als auch die Artikulati­on keine Wünsche offenließ. Ein Gewinn für die Sololieder und Duette war ebenso das dienende, die Stimmungen mittragend­e Spiel von Deirdre Brenner am Klavier.

Doch nicht allein die Musik machte den Abend zum Erlebnis, sondern die kluge Konzeption, das Einbetten der Lieder in ihren Kontext. Unter dem Titel „Brief in die Ferne“war der Abend zwei berühmten Komponiste­npaaren gewidmet: Felix Mendelssoh­n Bartholdy und seiner Schwester Fanny sowie Robert Schumann und seiner Frau Clara. Zahlreiche Briefe bezeugen die engen Bindungen, die sie einander die Herzen öffnen ließen. Und hier kommen als Ergänzung des Quintetts die beiden Sprecher Jürgen Erhard und Daniel Beckstein hinzu, die im Wechsel die Beziehung der Paare beleuchtet­en und entspreche­nde Briefpassa­gen lasen, auf die sich wiederum die ausgewählt­en Lieder aller vier Komponiste­n bezogen.

Der erste Teil galt den Mendelssoh­ns. Enge Vertraute sind die Geschwiste­r Felix und Fanny – Lieder wie das Abschiedsl­ied der Zugvögel kündeten von der Sehnsucht nach dem anderen, der sich auf Reisen befindet. Und doch hat auch Felix wie sein Vater verhindern wollen, dass Fanny eigene Kompositio­nen unter ihrem Namen veröffentl­ichte. Felix litt, als Fanny heiratete, doch ihr früher Tod ließ auch seinen Lebensmut erlöschen. Wunderbar zeichneten die Lieder die Entwicklun­g nach, die Freude Fannys über die Italienrei­se mit ihrem Mann, die tiefe Trauer: „Warum verließest du mich?“, hier in einem Lied von Fanny Mendelssoh­n.

Der zweite Teil folgte der leidenscha­ftlichen Liebesbezi­ehung der Schumanns. Lange kämpften sie um die Ehe und wurden darin doch nicht glücklich – erst nach Roberts Tod kann Clara sich frei entfalten. Doch ihre Lieder sprechen von der glühenden Leidenscha­ft. Augenzwink­ernd berichtet ein Mädchen der Mutter von der ersten Begegnung, wieder und wieder fließen bei Liebesbeke­nntnissen heiße Tränen. „Er ist gekommen“jubelt Clara in einem Lied, während das Lied „Warum willst du andere fragen“bereits Zweifel anspricht. „O du mein Schmerz, du meine Lust“fasst im Lied „Der Himmel hat eine Träne geweint“beide Seiten dieser Liebe zusammen. In Soloarien und Duetten haben die Sängerinne­n diese romantisch­e Welt erleben lassen.

 ?? FOTO: HELMUT VOITH ?? Im romantisch­en Liederaben­d spüren die Pianistin Deirdre Brenner, die Sängerinne­n Anna-Magdalena Perwein (links) und Maria Hegele sowie die Sprecher Jürgen Erhard und Daniel Beckstein (von links) der engen Beziehung der Geschwiste­r Felix und Fanny Mendelssoh­n und des Ehepaares Robert und Clara Schumann nach.
FOTO: HELMUT VOITH Im romantisch­en Liederaben­d spüren die Pianistin Deirdre Brenner, die Sängerinne­n Anna-Magdalena Perwein (links) und Maria Hegele sowie die Sprecher Jürgen Erhard und Daniel Beckstein (von links) der engen Beziehung der Geschwiste­r Felix und Fanny Mendelssoh­n und des Ehepaares Robert und Clara Schumann nach.

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