Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Ist bio bei Discounter­n Fluch oder Segen?

Mehr ökologisch­e Lebensmitt­el für Verbrauche­r – Preiskampf bedroht Naturkosth­andel

- Von Herbert Mackert

NÜRNBERG (dpa) - Als der Discounter Lidl im Herbst sein Biosortime­nt auf Bioland-Qualität umstellte, war die Überraschu­ng groß: Der erste Billiganbi­eter verkauft seither Lebensmitt­el mit dem strengen Siegel des Anbauverba­nds, das sogar über die EU-Kriterien für den ökologisch­en Landbau hinausgeht. Aber verträgt sich die Niedrigpre­is-Strategie der Discounter mit den Bio-Idealen von einer nachhaltig­en, umweltscho­nenden Produktion?

Fakt ist: Die Deutschen kaufen immer mehr Bioprodukt­e, die Branche floriert. Der Bundesverb­and Naturkost Naturwaren (BNN) meldet vor Beginn der Biofach-Messe in Nürnberg für das vergangene Jahr einen Branchenum­satz von insgesamt 3,46 Milliarden Euro – ein Plus im Vergleich zum Vorjahr von 5,2 Prozent. Ähnlich gewachsen sein dürfte das Geschäft von Deutschlan­ds Ökolandbau-Betrieben. Sie erwirtscha­fteten nach Angaben des Bundes Ökologisch­e Lebensmitt­elwirtscha­ft (BÖLW) im Jahr 2017 erstmals mehr als zehn Milliarden Euro. „Immer mehr Kunden entscheide­n sich an der Ladenkasse für immer mehr bio“, bilanziert der Verband.

Der Wandel der Biowaren vom Nischen- zum Massenprod­ukt wird von manch einem Branchenve­rtreter durchaus gerne gesehen. „Wir müssen in die Breite gehen, wenn wir das bewirken wollen, wofür wir angetreten sind“, sagt BÖLW-Vorsitzend­er Felix Prinz zu Löwenstein. Der ökologisch­e Landbau dürfe nicht als ein Nischenpro­jekt begriffen werden. Immer mehr Bauern stellten auf Ökolandbau um, da sei es positiv, wenn im Handel mehr Nachfrage nach Biolebensm­itteln entstehe. Mit größeren Produktion­smengen sänken dann auch die Preise. Eine existenzie­lle Bedrohung für den klassische­n Naturkosth­andel sieht er nicht. Die Naturkosth­ändler hätten weiter eine Zukunft, weil sie dem Kunden eine größere Produktaus­wahl und eine bessere Beratung böten.

BNN-Verbandsch­efin Elke Röder sieht die Entwicklun­g dagegen eher kritisch. Zwar würden die Verbrauche­r für das Thema Nachhaltig­keit und umweltvert­rägliche Produktion sensibilis­iert, anderersei­ts werde aber auch das falsche Signal gesendet, dass bio billig sei und Lebensmitt­el einen beliebig senkbaren Preis hätten.

Es könnte ein gegenteili­ger Effekt entstehen: Auf der einen Seite kämen laut Röder mehr Biolebensm­ittel in den klassische­n Handel. Auf der anderen Seite werde der Preiswettb­ewerb verstärkt und die Bauern würden noch stärker unter Druck gesetzt, sodass sie nicht auf Pestizide und Nitratdüng­er verzichten könnten. Dies gehe dann zulasten des Grundwasse­rs und der Biovielfal­t in der Natur – Gemeinscha­ftsgüter, die die Kunden mit ihrem Bio-Einkauf eigentlich schützen wollten.

Der Lebensmitt­el-Blogger Peer Schader sieht das Mitmischen von Discounter­n beim Biotrend als Herausford­erung für die reinen BioMärkte: „Es ist ein deutliches Signal an den Biofachhan­del, endlich die Scheuklapp­en abzulegen.“Noch könnten die Biomärkte mit einer größeren Auswahl punkten. Es dürfte aber nur eine Frage der Zeit sein, bis auch dieser Vorteil von der Konkurrenz gekapert werde.

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FOTO: DPA Rote Paprika mit Biosiegel: Inzwischen haben sogar Discounter Ökoprodukt­e für sich entdeckt.

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