Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Die „Motorbiene“ist schon längst Geschichte
So gelingt Frauen der Einstieg in die Welt der Motorräder
UNNA (dpa) - „Oohoooh! Motorbiene!“, tönte es in einem Schlager der 1960er-Jahre, „am Sonntag fahr ich mit dir zum Rummelplatz, du nimmst wieder auf dem Sozius Platz.“Jahrzehntelang degradierten solche Klischees Frauen zum schmückenden, auf Kalendern zuweilen leicht bekleideten Beiwerk vermeintlich beinharter Biker. Und wie ist das heute? Laut dem Kraftfahrtbundesamt wurden im Jahr 2018 in Deutschland bis Oktober 121 889 Zweiräder neu zugelassen, davon 17 487 von Frauen – Tendenz steigend. Wo aber finden Frauen Informationen und Inspiration zum Thema Motorradfahren? Wo werden sie nicht belächelt, sondern ernst genommen? Ein Überblick:
Auf Gewicht der Maschine achten
„Ich halte Women on Wheels für einen guten ersten Anlaufpunkt“, sagt Sophie Leistner. Der eingetragene Verein veranstalte in ganz Deutschland Stammtische zum Thema, erklärt die Redakteurin der Zeitschrift „Motorrad News“. Zudem biete die Webseite „Fembike“Reiseberichte, Produkttests und weitere frauenaffine Themen und Informationen rund ums Motorradfahren. Rainer Gurke verweist auf weitere Informationsquellen: Über Automobilclubs, das Institut für angewandte Verkehrspädagogik (AVP) sowie das Institut für Zweiradsicherheit (ifz) lassen sich Informationen und Broschüren anfordern, so der Motorradtrainer des Auto Clubs Europa (ACE).
Geht es um die Wahl des Motorrads, rät Gurke Anfängerinnen, vor allem auf das Gewicht der Maschine zu achten. „Ich muss in der Lage sein, das Motorrad körperlich bewegen zu können. Und das fängt mit simplen Dingen an, wie dem Aufbocken auf den Hauptständer oder dem Rangieren in die oder aus der Garage.“Zudem solle man das Bike nach der eigenen Körpergröße aussuchen: „Es vermittelt deutlich mehr Sicherheit, wenn beide Füße gleichzeitig einen festen Stand haben.“
„Unbedingt Probe fahren“, rät Anja Pannek, die für die Organisation beim Verein Bikergirls Bergisch Land zuständig ist. Sie nennt als typische Frauenmaschine etwa die Harley-Davidson 883 Sportster. Mit der habe sie vor einigen Jahren angefangen, heute fahre sie eine V-Rod Muscle, ebenfalls von der US-Kultmarke. „Die ist etwa 100 Kilogramm schwerer als die Sporty und ein echtes Männermotorrad“, so Pannek. „Wäre ich aber nur 1,60 Meter groß und würde nur 50 Kilogramm wiegen, wäre ich damit wohl überfordert“.
Auch Leistner empfiehlt, bei der Auswahl die eigene Statur zu berücksichtigen: „Die Statistik belegt, dass die Frauen ein eher leichtes Motorrad aus der Mittelklasse mit niedriger Sitzhöhe bevorzugen, etwa eine Suzuki SV 650, eine Honda CB 500 F oder eine W800, das Retromodell von Kawasaki.“Zudem finde die relativ neue Klasse der 300er- und 400er-Bikes, wie eine Kawasaki Z400, bei Frauen großen Anklang.
Leistner und Pannek verweisen aber auch darauf, dass das etwaige Wunschmotorrad nicht außen vor bleiben muss, wenn die Sitzhöhe auf den ersten Blick nicht zu passen scheint. „Fachwerkstätten können die meisten Motorräder an die Körpergröße anpassen, indem man zum Beispiel Änderungen an der Polsterung vornimmt“, sagt Leistner. Zubehörhersteller böten abgepolsterte Sitzbänke ebenso an wie zum Beispiel eine Hecktieferlegung. „Das macht vielleicht nur zwei, drei Zentimeter aus, die aber können entscheidend sein für ein sicheres Handling.“
„Bei der Motorradbekleidung für Damen hat sich in den vergangenen 15, 20 Jahren sehr viel getan“, sagt Leistner. „Manche Mädels haben früher eher auf Schutzkleidung verzichtet als auf Herrengrößen zurückzugreifen, die wie ein Sack an einem gehangen haben.“Erst allmählich habe die Industrie die Fahrerinnen als Klientel entdeckt. Heute gebe es für Frauen schicke Kleidung mit körperbetontem Schnitt, die bei Sicherheit und Komfort, etwa bei der Klimatisierung, keine Kompromisse eingehe.
Beim Material setzt Pannek vor allem auf Leder, das noch immer am besten schütze, wenn es doch einmal zu einem Sturz kommt. Schon Schritttempo reiche dann aus, um sich schmerzhafte Schürfverletzungen zuzuziehen. Wer es etwas ziviler mag, dem empfiehlt Pannek Jeans aus Kevlar, ein Material, das ebenfalls recht gut vor Abschürfungen schütze. Aber egal ob Leder oder Kevlar-Jeans: „Protektoren für Ellbogen, Schulter, Knie und Rücken gehören zur unbedingten Sicherheitsausstattung.“
Trainings nur für Frauen
„Einige Anbieter haben sich auf Fahrtrainings spezialisiert, die auf die Bedürfnisse von Frauen ausgerichtet sind“, sagt Leistner. „In einer gemischten Gruppe, in der die Jungs gerne mal den Macker raushängen lassen, trauen sich Frauen oftmals nicht, wichtige Fragen zu stellen, etwa wie man ein Motorrad, das umgekippt ist, wieder auf die Räder bekommt.“Rainer Gurke bedauert zwar, dass manche Männer motorradfahrende Frauen noch immer belächeln, ist aber nicht überzeugt von der Notwendigkeit reiner Frauentrainings, wie sie zum Beispiel die Bikergirls Bergisch Land anbieten. „Ich glaube vielmehr, dass gerade der Dialog im Trainingsalltag beide, Frau wie Mann, durchaus bereichern kann – wobei dafür erforderlich ist, dass der motorradfahrende Mann die motorradfahrende Frau wirklich akzeptiert.“
Akzeptanzmangel hat auch Pannek schon erlebt. „In einem BikerCafé hat uns ein Mann geraten, dass wir uns besser um die Bügelwäsche kümmern sollten“, sagt die Hebamme. Ein solches Erlebnis sei aber die Ausnahme. Tatsächlich bekomme man positives Feedback gerade auch von Männern und werde auch von männlich dominierten Motorradclubs unterstützt.