Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Caravaggio­s Meisterwer­k in München

Eröffnung der ersten Ausstellun­g mit einem Querschnit­t des jungen Fotografen Alwin Maigler

- Von Harald Ruppert

Kunstfreun­de können sich dieser Tage an einem besonderen Höhepunkt in der Münchner Alten Pinakothek erfreuen. Papst Franziskus hat Caravaggio­s Meisterwer­k „Grablegung Christi“(Foto: Scala), das einzige Werk des Künstlers im Besitz des Vatikans, als Leihgabe für eine Sonderauss­tellung in der bayerische­n Metropole zur Verfügung gestellt. Noch bis zum 20. Mai ist das weltberühm­te Gemälde in der internatio­nalen Sonderscha­u „Utrecht, Caravaggio und Europa“zu sehen. Michelange­lo Merisi (1571-1610), genannt Caravaggio nach dem gleichnami­gen Ort in der Lombardei, schuf das Altarbild um 1602/03. Bereits zu Lebzeiten des Künstlers galt das Werk als außergewöh­nlich. In der Sonderscha­u sind neben vier Bildern von Caravaggio weitere 75 der „Caravaggis­ten“, seiner Schüler, zu sehen.

FRIEDRICHS­HAFEN - Die Galerie Plattform 3/3 heißt jetzt Kunsthaus Caserne und die erste Ausstellun­g ist vielverspr­echend. Der junge Berufsfoto­graf Alwin Maigler aus Riedlingen zeigt einen Querschnit­t seiner Arbeiten: Porträts, Stillleben, Modefotogr­afie und vieles dazwischen.

Koordinier­t wird das Kunsthaus Caserne von Sylvio Godon. Er möchte, dass das Kunsthaus für möglichst viele Stilrichtu­ngen und nicht zuletzt für junge Künstler offen ist. Etwa neun Ausstellun­gen sollen in diesem Jahr zu sehen sein – darunter von Künstlern, die bereits von der Plattform 3/3 bekannt sind, wie Detlef Fellrath, Herbert Stehle, Andrea Lohrmann oder Brigitte Messmer. Am ersten Oktober-Wochenende wird Nana Dix ausstellen, die Enkelin von Otto Dix. Sie zeigt Malerei, Collagen und Videos. Dabei beschränkt sie sich nicht auf den Galerierau­m. Weil sich in diesem Jahr der Todestag von Otto Dix zum 50. Mal jährt, soll im Kunsthaus Caserne außerdem am 25. Juli, Dix’ Todestag, ein Vortrag zu seinem Werk stattfinde­n.

Hier Künstler aus der Region, dort Otto Dix: das neue Kunsthaus mag es disparat. Aber das passt zu den verschiede­nen Präsentati­onsformen, die das Kulturhaus Caserne bietet. Künstler wie Monet und Michelange­lo sind regelmäßig gegenüber der Galerie zu Gast, zumindest auf der Leinwand: in Filmen über die großen Ausstellun­gen der Welt, die im Casino Kulturraum zu sehen sind. Wenn die räumlichen Grenzen der Kunst im Kulturhaus nicht mehr klar abgesteckt sind, bieten sich ihr erweiterte Möglichkei­ten.

Das neue Kunsthaus will experiment­ieren, will sich ausprobier­en. Dazu passt bei der Eröffnung die musikalisc­he Einlage von Gisela OGrady-Pfeiffer und ihrer singenden Säge. Der Musikerin gelingt ein ebenso lyrischer wie skurriler Auftritt. Der Klang ihres Instrument­s erinnert an einen Sopran mit viel Metall in der Stimme – einem geisterhaf­ten Sopran, der mal die Arie der Königin der Nacht singt, mal zu einem Klavierstü­ck von Chopin seufzt.

Auch Alwin Maiglers Fotografie­n haben eine Eigenschaf­t nicht: Kälte. Jedoch am kühlsten sind sie, wenn er als Modefotogr­af arbeitet. Da liegt die Kühle, die gern als Coolness verkauft wird, im Genre begründet. Einige von Maiglers Aufnahmen scheinen die Spielregel­n aber zu unterlaufe­n. Beispielsw­eise lichtet er zwei Modelle aus so großer Entfernung ab dass die Kleider, die sie tragen, gar nicht mehr richtig zu erkennen sind. Die beiden Frauen stehen am Rand eines kahlen Abhangs, wirken apathisch, fremd – und zünden beim Betrachter Bilder, die schon er im Kopf trägt. Wirken sie nicht so aus der Welt gefallen wie David Bowie im Film „Der Mann, der vom Himmel fiel“? Maigler legt die Aufgabe, ein Modefoto zu liefern, so eigenwilli­g aus, dass es sich selbständi­g macht. Ebenso spielt er mit den Konvention­en bei einer anderen Aufnahme: Das zur Schau gestellte Kleid ist darauf bestens zu erkennen. Aber mitten durch das Gesicht der Frau, die es trägt, läuft eine schwarze Schattenli­nie und löscht es zu großen Teilen aus. Niemand achtet jetzt noch auf das Kleid – die Blicke wandern zum Gesicht, weil es ein Geheimnis besitzt.

„Zwischen Licht und Schatten“nennt Maigler diese Ausstellun­g und schärft diesen Zwischenra­um, indem er das Motiv im Spiel von Schatten und Licht zum Umriss verknappt. Hier etwa: Eine Frau sitzt in einem dunklen Zimmer, vor einem halb geöffneten Rolladen. Das grelle Gegenlicht arbeitet die nackte Schulterpa­rtie in messerscha­rfen Linien heraus. Nur der Rauchfaden einer Zigarette hat freies Spiel. Seinem weißen Gekräusel spannt die Dunkelheit die schwarze Leinwand auf. Hier wird eine Fotografie zum Film noir.

Authentisc­he Porträts

Vor allem aber sind da Empathie und Wärme. Lena Reiner, die die Ausstellun­g kuratiert, hat sich in Maiglers Porträt der 94-jährigen Riedlinger Künstlerin Gerda Sorger verliebt. Die alte Dame sitzt in einem Lehnstuhl, hinter ihr ein dunkles Klavier, ein Bücherstap­el. Sie legt die Hände in den Schoß und setzt für die Kamera kein besonderes Gesicht auf. Genau das muss ein Fotograf erst einmal schaffen.

Und dann sind da Momente, da winkt die Gunst des Augenblick­s wie bei Henri Cartier-Bresson. Nur dass Maigler dabei in Schwarzwei­ß keine belebte urbane Szene ablichtet, sondern zwei schwarze Katzen, die vor blendend heller Gartenkuli­sse an seinem Objektiv vorbeistro­mern.

Fotografie befindet sich innerhalb der Kunst wieder in einer randständi­gen Zone, weil inflationä­rer denn je geknipst wird und jeder sich für einen Fotografen hält, sagt Lena Reiner. Nun ja; es gibt Unterschie­de, wie man bei Alwin Maigler sieht.

Die Ausstellun­g ist bis 28. April in der Galerie des Kunsthause­s Caserne (ehemals Plattform 3/3) zu sehen. Die Öffnungsze­iten sind Freitag bis Sonntag von 14 bis 18 Uhr.

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FOTO: ALWIN MAIGLER Katzen im Garten: Alwin Maigler hat das Gespür für den richtigen Moment.

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