Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Billigtickets reichen nicht
Man ist erfreut und auch ein wenig überrascht: Zur Abwechslung kommt einmal ein sinnvoller Vorschlag aus dem Bundesverkehrsministerium. Auf Ticketpreise im Fernverkehr soll nach der Vorstellung von CSU-Ressortchef Andreas Scheuer künftig der ermäßigte Mehrwertsteuersatz erhoben werden. Wer mehr Autofahrer zum Umsteigen bewegen will – und das ist für den Klimaschutz, aber auch in Hinblick auf die Mobilität der Zukunft unabdingbar – muss die Bahn günstiger machen. Eine Verkehrswende, so signalisiert der Minister, ist auch mit Anreizen machbar, nicht nur mit Vorschriften und Verboten.
Das ist schön und gut – günstigere Tickets allein reichen aber nicht. Das Klagen über häufige Verspätungen, überfüllte Züge und mangelhaften Service ist in Deutschland nicht zufällig zum Volkssport geworden. Bei der Pünktlichkeit steht der Fernverkehr noch schlechter da als der Nahverkehr. Jeder Reisende kann ein Lied singen über verpasste Anschlüsse und hilfloses Bahnpersonal am Infostand. Hier kämpft das Bahnmanagement um Besserung – bislang ohne durchschlagenden Erfolg.
Der Bund wiederum trägt Verantwortung für den Ausbau des Schienennetzes. Der ist dringend notwendig und erfordert Investitionen in Milliardenhöhe. Es wird ja auch einiges getan: Die neue Hochgeschwindigkeitsstrecke München-Berlin, die nach Anfangsschwierigkeiten inzwischen gut angenommen wird, zeigt, dass es geht. Ein Gegenbeispiel aus Baden-Württemberg ist die Hängepartie um die noch immer teils einspurige Gäubahn. Zwischen den Wirtschaftszentren Stuttgart und Zürich gibt es – auch wegen der technischen Ausstattung der Züge – bis heute keine stündliche umsteigefreie Intercity-Verbindung.
Scheuers Plan kostet den Bund 400 Millionen Euro im Jahr. Auf keinen Fall darf das Geld beim Ausbau des Schienennetzes eingespart werden – gerade dann nicht, wenn tatsächlich noch mehr Reisende zum Bahnfahren animiert werden. Die werden sonst gleich wieder abgeschreckt.