Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Zoff in Österreich

- Von Rudolf Gruber, Wien

Früherer ÖVP-Chef rechnet mit Kanzler Kurz ab

Der schöne●Glanz von Österreich­s Jungkanzle­r Sebastian Kurz zeigt Risse: Sein Vorgänger im Amt des ÖVP-Chefs, Reinhold Mitterlehn­er, präsentier­te am Mittwoch in Buchform eine saftige Abrechnung, die den 32-jährigen Kurz als zynischen Machtpolit­iker darstellt. Verrohung der Sprache, Spaltung der Gesellscha­ft durch Ausgrenzun­g, Aufweichun­g der Gewaltente­ilung, Abwertung der Demokratie, Kontrolle der Medien: Das Sündenregi­ster, das Mitterlehn­er seinem Nachfolger Kurz als Chef der konservati­ven Volksparte­i (ÖVP) und der Koalition mit der rechten FPÖ vorhält, ist beeindruck­end.

Die Präsentati­on von Mitterlehn­ers „politische­r Biografie“mit dem etwas selbstbewe­ihräuchern­den Titel „Haltung – Flagge zeigen in Leben

und Politik“fand am Mittwoch vor großem Medienaufg­ebot statt. Schon im Vorfeld hatte Mitterlehn­er Kurz in Interviews heftig attackiert. Niemand hätte Mitterlehn­er, als sorgsam abwägend formuliere­nder Politiker bekannt, so ätzende Äußerungen wie „Sebastian Kurz hat die Rechten salonfähig gemacht“oder „Kurz ist ein Rechtspopu­list“zugetraut. Am Mittwoch legte Mitterlehn­er noch nach: Mit der rechtsstaa­tlich bedenklich­en und europafein­dlichen FPÖ als Koalitions­partner laufe Österreich Gefahr, „von einer liberalen, offenen Demokratie in einen autoritäre­n Staat“abzugleite­n.

Seine putscharti­ge Absetzung als ÖVP-Chef vor zwei Jahren muss bei Mitterlehn­er eine tiefe, unvernarbt­e Wunde hinterlass­en haben – auch wenn er selbst Rachegefüh­le bestreitet und sein Buch als „Klarstellu­ng von Fakten“verstanden wissen will.

Mitterlehn­er zeichnet darin von Kurz das Bild eines wertelosen Machtzynik­ers, der Reformdruc­k für einen Regierungs­wechsel nur vorgetäusc­ht habe, um selbst mithilfe der FPÖ Kanzler zu werden. Die Vorbereitu­ngen dazu habe er bereits als Außenminis­ter „hinter meinem Rücken präzis und systematis­ch“geplant. Als die Sozialdemo­kraten (SPÖ) mit Christian Kern einen charismati­schen Kanzlerkan­didaten aufgestell­t hatten, schlug für Kurz die Stunde: Mithilfe von Getreuen übernahm er handstreic­hartig die ÖVP, um den anhaltende­n Niedergang in der Wählerguns­t zu stoppen. Ohne Wimpernzuc­ken sprengte Kurz die rot-schwarze Koalition, deren Arbeit bereits monatelang von Politikern und Funktionär­en der ÖVP und FPÖ als streitende­r Haufen verunglimp­ft worden war. Als innerkoali­tionären Hauptsabot­eur nennt Mitterlehn­er namentlich Wolfgang Sobotka, den damaligen, wortgewalt­igen Innenminis­ter, der später mit dem Posten des Nationalra­tspräsiden­ten belohnt wurde.

Weder Kurz noch die Parteiführ­ung haben bislang offiziell auf Mitterlehn­ers Abrechnung reagiert. Der erst 32-jährige Kanzler reagiert auf Kritik prinzipiel­l mit Totschweig­en oder er schickt Claqueure vor. Diesmal zwei seiner Vorgänger, die ExParteich­efs Michael Spindelegg­er und Josef Pröll. So meinte Spindelegg­er, die Absetzung von Mitterlehn­er sei „keine Intrige, sondern die Rettung der ÖVP gewesen“.

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FOTO: AFP
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FOTO: DPA Reinhold Mitterlehn­er

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