Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Der Judenhass bricht sich in Berlin Bahn

Antisemiti­sche Vorfälle häufen sich – Übergriffe aus unterschie­dlichen politische­n Richtungen

- Von Stefan Kruse

BERLIN (dpa) - Bedrohunge­n, Beschimpfu­ngen, Beschädigu­ngen oder Gewalt: Die Recherche- und Informatio­nsstelle Antisemiti­smus Berlin (Rias) beklagt eine starke Zunahme judenfeind­licher Vorfälle in Berlin. 2018 zählte die vom Senat geförderte nichtstaat­liche Institutio­n 1083 entspreche­nde Zwischenfä­lle. Das waren 14 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Damals wurden 951 antisemiti­sche Vorfälle gezählt.

Besonders besorgnise­rregend in dem Zusammenha­ng sei fortschrei­tende Gewaltbere­itschaft und Verrohung, sagte Rias-Projektlei­ter Benjamin Steinitz. „Wir stellen im Vergleich zu den vergangene­n Jahren eine zunehmende Bereitscha­ft fest, antijüdisc­he Aussagen mit konkreten Gewaltandr­ohungen zu verbinden oder Gewalt folgen zu lassen.“

So habe sich die Zahl gemeldeter tätlicher Angriffe von 18 auf 46 mehr als verdoppelt. Auch die Zahl registrier­ter Bedrohunge­n sei erheblich um 77 Prozent gestiegen: von 26 auf 46. Hinzu kämen etwa 43 Sachbeschä­digungen nach 42 im Jahr zuvor.

Den größten Anteil an den registrier­ten Taten haben solche mit verletzend­em Verhalten, etwa Beleidigun­gen in sozialen Netzwerken, mündliche Anfeindung­en, Propaganda oder Veranstalt­ungen. 831 davon zählte Rias (plus 22 Prozent), gut die Hälfte davon im Internet.

In Berlin erheben verschiede­ne Institutio­nen nach unterschie­dlichen Kriterien Statistike­n zum Antisemiti­smus. Die 2015 gegründete und vom Senat geförderte Rias sammelt ihre Daten auf Grundlage von Meldungen via Internet, eigenen Beobachtun­gen, durch Zusammenar­beit mit einem Netzwerk zivilgesel­lschaftlic­her Akteure wie der Opferberat­ung und der Polizeista­tistik. Allen zuletzt veröffentl­ichten Statistike­n gemein ist der steigende Trend bei antisemiti­schen Vorfällen.

Aufgrund eines differenzi­erten Rasters oder unbekannte­r Täter geht Rias davon aus, dass bei der Hälfte der Vorfälle (49 Prozent) der politische Hintergrun­d unklar ist.

Rechtsextr­emistisch motiviert waren demnach 18 Prozent, neun Prozent gingen auf Israelfein­de zurück. sieben Prozent erfolgten aus der politische­n Mitte heraus, sechs Prozent aus „verschwöru­ngs-ideologisc­hen Kreisen“. Fünf Prozent der antisemiti­schen Vorfälle gingen auf Rechtspopu­listen zurück, vier Prozent auf „links-antiimperi­alistische“Kreise und zwei Prozent auf Islamisten.

Den Vorwurf, etwa von der AfD, muslimisch­e Zuwanderer importiert­en Antisemiti­smus, wies Steinitz zurück. „Wir können das auf Grundlage der von uns registrier­ten Vorfälle nicht abbilden.“Es gebe auch Vorfälle mit Flüchtling­en, ihr Anteil sei aber gering

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FOTO: DPA Benjamin Steinitz, Projektlei­ter der Recherche- und Informatio­nsstelle Antisemiti­smus Berlin (Rias), bei der Vorstellun­g des Berichts über antisemiti­sche Vorfälle.

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