Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Der Judenhass bricht sich in Berlin Bahn
Antisemitische Vorfälle häufen sich – Übergriffe aus unterschiedlichen politischen Richtungen
BERLIN (dpa) - Bedrohungen, Beschimpfungen, Beschädigungen oder Gewalt: Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (Rias) beklagt eine starke Zunahme judenfeindlicher Vorfälle in Berlin. 2018 zählte die vom Senat geförderte nichtstaatliche Institution 1083 entsprechende Zwischenfälle. Das waren 14 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Damals wurden 951 antisemitische Vorfälle gezählt.
Besonders besorgniserregend in dem Zusammenhang sei fortschreitende Gewaltbereitschaft und Verrohung, sagte Rias-Projektleiter Benjamin Steinitz. „Wir stellen im Vergleich zu den vergangenen Jahren eine zunehmende Bereitschaft fest, antijüdische Aussagen mit konkreten Gewaltandrohungen zu verbinden oder Gewalt folgen zu lassen.“
So habe sich die Zahl gemeldeter tätlicher Angriffe von 18 auf 46 mehr als verdoppelt. Auch die Zahl registrierter Bedrohungen sei erheblich um 77 Prozent gestiegen: von 26 auf 46. Hinzu kämen etwa 43 Sachbeschädigungen nach 42 im Jahr zuvor.
Den größten Anteil an den registrierten Taten haben solche mit verletzendem Verhalten, etwa Beleidigungen in sozialen Netzwerken, mündliche Anfeindungen, Propaganda oder Veranstaltungen. 831 davon zählte Rias (plus 22 Prozent), gut die Hälfte davon im Internet.
In Berlin erheben verschiedene Institutionen nach unterschiedlichen Kriterien Statistiken zum Antisemitismus. Die 2015 gegründete und vom Senat geförderte Rias sammelt ihre Daten auf Grundlage von Meldungen via Internet, eigenen Beobachtungen, durch Zusammenarbeit mit einem Netzwerk zivilgesellschaftlicher Akteure wie der Opferberatung und der Polizeistatistik. Allen zuletzt veröffentlichten Statistiken gemein ist der steigende Trend bei antisemitischen Vorfällen.
Aufgrund eines differenzierten Rasters oder unbekannter Täter geht Rias davon aus, dass bei der Hälfte der Vorfälle (49 Prozent) der politische Hintergrund unklar ist.
Rechtsextremistisch motiviert waren demnach 18 Prozent, neun Prozent gingen auf Israelfeinde zurück. sieben Prozent erfolgten aus der politischen Mitte heraus, sechs Prozent aus „verschwörungs-ideologischen Kreisen“. Fünf Prozent der antisemitischen Vorfälle gingen auf Rechtspopulisten zurück, vier Prozent auf „links-antiimperialistische“Kreise und zwei Prozent auf Islamisten.
Den Vorwurf, etwa von der AfD, muslimische Zuwanderer importierten Antisemitismus, wies Steinitz zurück. „Wir können das auf Grundlage der von uns registrierten Vorfälle nicht abbilden.“Es gebe auch Vorfälle mit Flüchtlingen, ihr Anteil sei aber gering