Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Kripo beschäftigt sich mit Mord, Einbruch und Betrug
Trotzdem ist das vergangene Jahr ein relativ ruhiges – Kurt Kraus gibt Leitung an Bernhard Merkel ab
LINDAU - Nach einem turbulenten 2017 hat die Lindauer Kriminalpolizei im vergangenen Jahr durchatmen können. Zumindest ein bisschen. Denn eine Tötung, Drogendelikte und spektakuläre Einbrüche gab es trotzdem. Einer davon könnte Material für ein Film-Drehbuch liefern.
Denn wie eine Szene aus einem Film muss es ausgesehen haben, als ein Mann im Dezember in ein Elektrofachgeschäft am Berliner Platz einbrechen wollte. Er war über eine Lüftungsanlage ins Gebäude gelangt und hatte sich dann auf spektakuläre Weise in die Verkaufsräume abgeseilt. „Wir haben nur noch das Seil gefunden“, sagt Bernhard Merkel, stellvertretender Leiter der Lindauer Kriminalpolizei. Mittlerweile ist der Fall geklärt – auch, weil der Täter bereits in einer Datenbank registriert war. Zurzeit vor Gericht stehen die beiden jungen Männer, die Ende August in den Weißensberger EdekaMarkt eingebrochen waren. Sie hatten es offenbar nur auf eines abgesehen: Briefmarken. Das hat bei der Lindauer Kriminalpolizei auch noch niemand erlebt. „Das fällt wohl in die Kategorie: Es gibt nichts, was es nicht gibt“, sagt Kripo-Chef Kurt Kraus.
Innerhalb von zwei Minuten klauten die beiden Marken im Wert von 7000 Euro und flüchteten dann auf einem Motorrad. Die Behälter, in denen die Briefmarken gelagert waren, fand man am nächsten Tag in Neuravensburg. Während ihrer Ermittlungen fand die Kripo heraus, dass die gleichen Männer in derselben Nacht in den Feneberg in Amtzell eingebrochen waren. Auf dem Weg zwischen Weißensberg und Amtzell waren sie geblitzt worden. Außerdem gab es Zusammenhänge zu zwei Einbrüchen bei Erding, sodass die Beamten schnell das Flucht-Motorrad identifizieren konnten. Genau einen Monat nach der Tat geriet einer der Täter dann in eine Zollkontrolle in Waldshut-Tiengen an der Schweizer Grenze. Er sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Sein Komplize wurde einige Wochen später in Hamburg geschnappt.
Vergangene Woche hat das Gerichtsverfahren gegen die beiden vor dem Kemptener Landgericht begonnen. Sie hatten offenbar eine ganze Reihe von Supermärkten mit Postschaltern ausgekundschaftet und sind auch Verdächtige in einigen Fällen in der Schweiz. Das Kemptener Landgericht soll am 2. Mai ein Urteil fällen. Noch nicht zur Anklage gekommen ist es im Falle eines Tötungsdelikts, mit dem sich die Kriminalpolizei Mitte August beschäftigt hatte. Damals war es in einer Wohnung eines Mehrfamilienhauses zu einem Familienstreit gekommen, bei dem eine 27-Jährige ihre Großmutter erstach und ihre Mutter, ebenfalls mit dem Messer, lebensgefährlich verletzte.
Die Mutter hatte sich zunächst mit einem Schrubber zur Wehr gesetzt und sich später ins Badezimmer geflüchtet. Beamte der Lindauer Polizeiinspektion überwältigten die 27Jährige schließlich und nahmen ihr das Messer weg. Schnell war klar: Sie befand sich in einem psychischen Ausnahmezustand. Mittlerweile ist sie in einem psychiatrischen Krankenhaus. Ein Gutachten soll nun klären, ob gegen sie ein Straf- oder ein Unterbringungsverfahren eingeleitet wird.
Polizei hat im Darknet wenig Chance
Nach wie vor zu schaffen macht der Kripo das Phänomen „falsche Polizeibeamte“. Dabei geben sich Betrüger als Polizisten aus und erklären älteren Menschen, dass sie deren Geld vor Einbrechern in Sicherheit bringen müssen. So zockten die Betrüger einer älteren Frau in Wasserburg 100 000 Euro ab. Angestiegen sind im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2017 die Rauschgiftdelikte. Mehr als 500 davon hat die Lindauer Kripo bearbeitet, knapp ein Fünftel davon landete bei der Staatsanwaltschaft Kempten. Für Kraus ist dieser Anstieg ein gutes Zeichen. „Rauschgift gibt es überall. Je mehr Zeit wir investieren können, desto mehr finden wir.“Im Bereich Drogen hat sich die Arbeit der Polizisten allerdings grundlegend verändert. Dies zeigt ein Fall, der erst kürzlich vor dem Kemptener Landgericht verhandelt wurde (die LZ berichtete). Ein Mann hatte sich Amphetamin und Heroin im so genannten Darknet bestellt. „Wer Drogen kaufen will, muss nicht mehr an eine dunkle Straßenecke“, sagt Kripo-Beamter Thomas Röhl. „Er bekommt die Lieferung frei Haus.“Im Darknet selbst zu ermitteln, sei für die Beamten praktisch unmöglich. Ansätze gebe es dann, wenn beispielsweise der Zoll verdächtige Päckchen kontrolliere.
Kurt Kraus jedenfalls freut sich über eine Tatsache: „Bereits das dritte Jahr in Folge gab es in Lindau keine Drogentoten.“Eine Bilanz, mit der er seinen Dienst beschließen wird. Denn Kraus wird nur noch bis Ende Juni Chef der Lindauer Kriminalpolizei sein, dann geht er in den Ruhestand. Seinen Posten übernimmt sein Stellvertreter Bernhard Merkel.