Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Wer den Frieden sucht und ihm nachjagt, der sollte wählen oder gewählt werden

Gedanken zum Karfreitag von Sebastian Berghaus, Dekan des evangelisc­hen Kirchenbez­irks Tuttlingen

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An Karfreitag gedenken die christlich­en Kirchen des Todes Jesu am Kreuz auf Golgatha. Karfreitag ist der schwärzest­e Tag der Menschheit. Gott wurde Mensch, damit auch wir endlich Mensch werden können, und ist mit diesem letzten Versuch gescheiter­t. Das wird sichtbar am Kreuz von Golgatha. Und weil es Jesus ist, der das Scheitern der Menschheit auf sich nimmt und den Tod am Kreuz erleidet, markiert das Kreuz gleichzeit­ig das Ende unseres Scheiterns, ein für alle Mal. Wir können uns nicht mehr herausrede­n. Unsere Ohnmacht ist keine Ausrede mehr dafür, untätig zu sein. Unsere Angst ist keine Ausrede mehr dafür, sich abzugrenze­n und andere auszugrenz­en. Unsere

Schuld ist keine Ausrede mehr dafür, in Scham zu versinken. Unsere Kurzsichti­gkeit ist keine Ausrede mehr dafür, aus Angst vor Irrtum und vor Fehlern keine Verantwort­ung übernehmen zu wollen. Wie aber sollen wir mit dieser Gleichzeit­igkeit des Scheiterns und seines Endes leben? Wie sollen wir sie aushalten?

Die Jahreslosu­ng für das Jahr 2019, in dem Wahlen in Kirche, Kommune und Europa anstehen, führt mich auf eine Spur: „Suche den Frieden und jage ihm nach.“Wir können den Frieden nicht herstellen. Aber wir müssen es auch nicht, denn er ist schon da und will gesucht werden. Und wir werden immer dort fündig, wo wir unsere Ausreden weglassen. Nicht zu wissen, wen man wählen soll, die Resignatio­n, dass sich ja doch nichts ändert, sind keine Ausreden, sich vor der Teilnahme an den Wahlen zu drücken. Wer nicht wählt, wählt auch, nämlich die extremen Kräfte, der stärkt die Feinde der Demokratie und des Friedens. Dem Frieden nachjagen, mag ein Kriterium dafür sein, wem ich meine Stimme gebe – nachjagen nicht im Sinne einer Treibjagd, das wäre absurd, sondern nachjagen im Sinne eines Liebeswerb­ens, sich selbst schön und begehrensw­ert machen für eine heiß ersehnte, lebenslang­e Partnersch­aft, die hält trotz Ohnmacht, Angst, Scheitern und Schuld. Wer den Frieden sucht und ihm nachjagt, der und die sollen sich wählen lassen – und den und die wollen wir auch wählen, ihm und ihr den Rücken stärken mit unserer Stimme. Denn das Gelingen unserer Friedenspl­äne ist ja nicht sicher und höchst gefährdet. Daher müssen wir alles Scheitern dort lassen, wo es hingehört, all unsere Ohnmacht, Angst und Schuld: All das gehört ans Kreuz Jesu. Scheitern ist sein Ding, nicht mehr unseres.

Wir wollen nur noch für die Kräfte leben, die stärker sind, und die der Apostel Paulus so klar auf den Punkt bringt: Es bleiben nur die drei, Glaube, Liebe, Hoffnung. Aber die Liebe ist die größte unter ihnen. Das sind die Kräfte, die uns stark machen für eine friedliche Zukunft und eine tragfähige Gemeinscha­ft, die keine Ausreden mehr braucht.

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FOTO: DPA Wer zur Wahl geht und seine Stimme abgibt, stärkt die Demokratie und den Frieden.
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