Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Jung und kämpferisch
Die Fußballerinnen des TSV Tettnang starten mit Sorgen in die neue Oberligasaison
TETTNANG - Die Finnen müssen sich mit Myriaden von Mücken rumschlagen, ihre Winter sind kalt und dunkel, und ihre Sprache macht ihnen das Leben auch nicht gerade einfach. Trotzdem sind die Finnen das glücklichste Volk der Welt: Im „World Happiness Report 2019“, der 156 Länder rund um den Globus miteinander vergleicht, landete Finnland zum zweiten Mal in Folge auf Platz eins. Doch woran liegt das? Vermutlich auch an der Gleichberechtigung von Frauen und Männern – auch im Sport. Als erster Fußballverband hat der finnische unter der Woche verkündet, dass in Zukunft die Frauen- und Männernationalmannschaften das Gleiche verdienen.
Davon ist Deutschland noch ein Stück entfernt. Hier fehlt es nach wie vor an Unterstützung für die Fußballfrauen – nicht nur im Profi-, sondern auch im Amateurbereich. „Es wäre schön, wenn wir mehr Unterstützung vom Verband bekämen“, sagt Alexander Haag, Trainer der Frauen des TSV Tettnang. Ein Beispiel: In der Oberliga legt das beste Frauenteam der Region mehr als 2500 Kilometer zu Auswärtsspielen zurück. Zum Auftakt am morgigen Sonntag, 15 Uhr, gleich mal bis nach Freiburg zum Aufsteiger FC Freiburg-St. Georgen. „Wir haben einen großen Aufwand zu bewältigen – sowohl der Verein, als auch die Mannschaft.“Um den Frauenfußball attraktiver zu machen und mehr Mädchen für den Sport zu gewinnen, müsste der Fußballverband auch mehr investieren. Eine Weltmeisterschaft im Sommer und ein lokales Aushängeschild wie Giulia Gwinn reiche nicht aus. „Im Frauenbereich merkt man davon nichts. Einen wirklichen Effekt hatte die Weltmeisterschaft nicht“, sagt Haag.
Zumindest in einem Bereich hat der Profimännerfußball auch auf die Amateurkickerinnen durchgeschlagen – wenn auch negativ. So hat der TSV Tettnang im Werben um neue Spielerinnen mehrere schlechte Erfahrungen machen müssen. „Mit einer Spielerin waren wir uns schon einig – bis sie sich auf einmal tot stellte“, berichtet Haag. Das war leider kein Einzelfall. „Im letzten Jahr ist uns eine 18-Jährige auf der Nase herumgetanzt. Da muss ich mir schon an den Kopf fassen“, sagt der Trainer, der einen klaren Zusammenhang zum Profifußball erkennt. „Wenn man sieht, wie die Starts sich teilweise bei den Transfers verhalten, verwundert mich das nicht.“
Durchschnittsalter von 19 Jahren
Immerhin zwei Neuzugänge kann der TSV dennoch verzeichnen: Samantha Hart und Tamara Müller. Im Gegenzug haben jedoch Verena Buß und Laura Knörle den Verein verlassen, Tamara Uhlmann wechselt in die zweite Mannschaft, Lotta von Dewitz und Pauline Friedrich gehen auf Weltreise. Und so müssen sie in Tettnang wieder hauptsächlich auf die eigene Jugend setzen. Gleich neun Spielerinnen stoßen direkt aus der B-Jugend zur Oberligamannschaft. „Das ist schon ein enormer Sprung“, sagt Haag. Der Altersdurchschnitt der Mannschaft sei nochmals von 21 Jahren im Vorjahr auf nun knapp über 19 Jahre gestiegen. „Für die Oberliga ist das schon krass.“
Angesichts der fehlenden Erfahrung und der mangelnden Kaderbreite – momentan stehen Alexander Haag und seinem Co Andreas Konrad gerade einmal 15 Spielerinnen zur Verfügung – ist die Zielsetzung nicht allzu hoch: Nach einer durchwachsenen Saison und Platz acht im Vorjahr wäre der TSV Tettnang mit einem „gesicherten Mittelfeldplatz“zufrieden, sagt der Trainer. Hauptziel sei es, die jungen Spielerinnen an die Liga heranzuführen und in den erhaltenen Mannschaftskern zu integrieren.
Hoffen auf guten Saisonstart
Nach einer sehr schwierigen Vorbereitung mit vielen Abwesenheiten starten die Tettnanger Fußballerinnen am kommenden Sonntag beim Aufsteiger FC Freiburg-St. Georgen in die Saison. Auch wenn einige Spielerinnen erst am heutigen Samstag aus dem Urlaub zurückkommen und einen Tag später schon auf dem Platz stehen werden, ist Alexander Haag vor dem Auftaktspiel optimistisch: „Wir wollen auf jeden Fall einen positiven Start hinlegen“, sagt er. „Das wäre für das Selbstbewusstsein der Jungen sehr wichtig.“Wenn diese sich im Lauf der Saison in der Oberliga etablieren undam Ende nicht absteigen, wäre der Trainer schon glücklich – so wie die Finnen.