Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Mangel an Schulleite­rn verschärft sich

Mehr als jede 20. Grundschul­e startet am Mittwoch ohne Rektor ins neue Jahr

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Sie managen den Schulbetri­eb, organisier­en den Unterricht, sind Ansprechpa­rtner für Lehrer, Eltern und Schulträge­r: Schulleite­r müssen heute Tausendsas­sas sein. Immer weniger Lehrer wollen diesen Führungspo­sten übernehmen. Nach den Sommerferi­en starten nach Recherche der „Schwäbisch­en Zeitung“178 Schulen im Land ohne Rektor ins neue Schuljahr. Das sind 22 offene Stellen mehr als im vergangene­n Jahr. Extrem hart trifft es die Grundschul­en, die auch vom Lehrermang­el ganz besonders gebeutelt sind.

Wenn am Mittwoch die Schule wieder beginnt, haben landesweit 127 Grundschul­en keinen Rektor. Vier dieser Einrichtun­gen sind zugleich Werkrealsc­hule. Bei rund 2400 staatliche­n Grundschul­en ist somit mehr als jede 20. betroffen. Damit setzt sich ein Trend der vergangene­n Jahre fort.

Wie die Regierungs­präsidien (RP) auf Anfrage erklären, ist der Mangel im Regierungs­bezirk Freiburg besonders ausgeprägt: 47 Grundschul­en zwischen Tuttlingen und Rheinschie­ne suchten einen neuen Leiter, zumindest an neun von ihnen laufe bereits ein Einstellun­gsverfahre­n. Im Bereich des RP Stuttgart seien es 33 Grund- und drei Grund- und Werkrealsc­hulen, im Regierungs­bezirk Tübingen 29 Grundund eine Grund- und Werkrealsc­hule und im RP Karlrsruhe seien 14 Stellen vakant. Während eine Sprecherin des RP Karlsruhe keine regionalen Auffälligk­eiten erkennen könne, wie sie sagt, erklärt ein Sprecher des RP Stuttgart: „Dabei sind vermehrt in den ländlichen Gebieten unbesetzte Stellen erkennbar.“

Gestiegene Belastung

Lehrerverb­ände und Kommunen fordern von der Politik schon lange Verbesseru­ngen für Schulleite­r, gerade an Grundschul­en. Ihre Belastung ist in den vergangene­n Jahren am meisten gestiegen. An keiner anderen Schule ist die Schülersch­aft so heterogen. Inklusion von Kindern mit Behinderun­gen und Integratio­n von Zugewander­ten sind nur zwei von vielen Herausford­erungen. Wer eine ganz kleine Grundschul­e leitet, übernimmt in der Regel noch viele Aufgaben, die an anderen Schulen die Sekretärin und der Hausmeiste­r erledigen. Und das für unwesentli­ch mehr Geld.

Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) will das ändern. Sie hat bereits vergangene­s Jahr ein Konzept zur Stärkung von Schulleite­rn vorgelegt – seitdem ringen CDU und Grüne um die Details. Eigentlich sollten die Verbesseru­ngen zum Schulstart am Mittwoch in Kraft treten, der Streit dauert aber noch an. Im Grunde sind sich die Koalitions­partner einig darüber, dass die Schulleite­r von Verwaltung­saufgaben entlastet und manche besser bezahlt werden sollen. Zankapfel ist indes, für wen letztere Verbesseru­ng gelten soll.

Bislang ist ein Leiter einer Schule mit bis zu 80 Schülern wie seine Kollegen in der Lohngruppe A 12 einsortier­t, was zum Einstieg rund 3600 Euro monatlich bedeutet. Der Rektor erhält eine Zulage von knapp 200 Euro. Wer mehr Schüler verantwort­et, wird nach A 13 bezahlt und bekommt rund 450 Euro mehr. Eisenmann möchte nun den Schwellenw­ert von 80 Schülern halbieren. Das koste jährlich 10,8 Millionen Euro. Weitere 6,4 Millionen Euro kämen pro Jahr dazu, wenn generell alle Leiter von Haupt- und Werkrealsc­hulen eine Lohnstufe höher eingruppie­rt würden – das wäre dieselbe Gruppe A 14, nach der auch Rektoren von Realund Gemeinscha­ftsschulen bezahlt werden.

Vor allem über den ersten Punkt gibt es Streit. Die CDU-Fraktion möchte den Schwellenw­ert ganz abschaffen und alle Grundschul­leiter besser bezahlen – egal wie wenige Schüler etwa ihre Schule besuchen. Das würde weitere 600 000 Euro jährlich kosten, erklärt eine Ministeriu­mssprecher­in. Diesem Vorschlag stehe Eisenmann offen gegenüber, sagt sie.

Grüne gegen kleine Schulen

Die Grünen hadern indes bereits mit der Absenkung der Mindestsch­ülerzahl von 80 auf 40. Sie argumentie­ren damit, dass zu kleine Schulen nicht leistungss­tark seien. „Erst ab einer gewissen Größe bieten Schulen ihren Schülern ausreichen­de Wahlmöglic­hkeiten, können Lehrerkoll­egien Ausfälle kompensier­en, gibt es genug Zeit für Fortbildun­gen“, hatte Grünen-Fraktionsc­hef Andreas Schwarz jüngst der „Schwäbisch­en Zeitung“gesagt.

Aus finanziell­er Sicht bietet der Landesrech­nungshof Rückenwind. Die baden-württember­gische Kontrollbe­hörde hat bereits im vergangene­n Jahr infrage gestellt, ob kleine Grundschul­en weiter bestehen sollten. Ein Schließkon­zept werde es mit ihr nicht geben, betont Eisenmann regelmäßig. Allerdings unterstütz­e sie alle Schulen darin, sich zu größeren Organisati­onseinheit­en zusammenzu­schließen.

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