Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Friedensbotschaft für ein gebeuteltes Land
In Mosambik redet Franziskus vor 60 000 jubelnden Gläubigen den Mächtigen ins Gewissen
MAPUTO - Auf seiner Reise durch Südostafrika wird der Papst nicht müde zu warnen: vor Korruption, Umweltzerstörung, Rachsucht und Gewalt. Doch es gibt Zweifel, ob seine Worte befolgt werden.
Dass die staatliche mosambikanische Fluggesellschaft LAM den Papst von Maputo nach Antananarivo auf Madagaskar beförderte, ist für das von Armut und Unwettern gebeutelte Mosambik auch noch am Tag danach ein Thema und – wenn man dem Widerhall in den sozialen Medien glauben darf – für viele Bürger des Landes ein Grund, ein wenig stolz zu sein. Vier Minuten habe sich der Heilige Vater mit Flugkapitän Hilário Tembe unterhalten, meldete das Internetportal Carta de Moçambique am Sonntag. Er habe an Bord Fisch und Kokosreis gegessen, ein mosambikanisches Nationalgericht.
Kaum ein Detail der Papstvisite im südöstlichen Afrika bleibt unbeachtet. Und den Menschen gefällt die zur Schau gestellte Bescheidenheit des Kirchenoberhaupts. Vorzugsweise mit Kleinstwagen lässt sich der Pontifex vorfahren bei Terminen mit den Mächtigen, die selbst in großen Limousinen herbeirollen.
Als er winkend zur Papstmesse in Zimpeto, einem unwirtlichen Vorort der Hauptstadt Maputo, einrollt, da schwillt der Jubel der seit Stunden im kalten Regen ausharrenden 60 000 Menschen zu einem Tosen an. Franziskus hatte die Herzen der Mosambikaner schon am Vortag erobert mit seiner zugewandten Art und seiner aufmunternden Rede an Jugendliche verschiedener Religionen. Vor der Messe im Stadion unterhielt sich der Papst mit HIV-Patienten. Das freundliche Lächeln des 82-jährigen Pontifex schmälerte nicht die Klarheit seiner wichtigsten Botschaft an die Mosambikaner: Frieden braucht Versöhnung und nicht Rache. Versöhnung ist harte Arbeit.
Erst im August hatten die regierende Befreiungsfront Frelimo und der Nationale Widerstand Renamo mit einem Friedensvertrag einen Schlussstrich gezogen unter den Bürgerkrieg, der von 1975 bis 1992 dauerte. Er kostete Hunderttausende Menschen das Leben und flammte zu Beginn des Jahrzehnts wieder auf. Unter Vermittlung der römischen Laiengemeinschaft Sant’Egidio wurde jahrelang um den Frieden gerungen. Franziskus’ Besuch in Mosambik stand deshalb offiziell unter dem Motto „Hoffnung, Frieden und Versöhnung“.
Nach Mosambik standen noch die Inselstaaten Madagaskar und Mauritius auf dem Programm. Mit seiner Reise zollt der Pontifex einmal mehr der Tatsache Respekt, dass Afrika für die katholische Christenheit immer bedeutsamer wird. Die Bevölkerung dort wird sich bis 2050 auf 2,5 Milliarden Menschen verdoppeln. Doch Entwaldung und Flächenfraß, die der Papst vor allem auf Madagaskar ansprach, machen das Überleben immer schwieriger.
Unter Mosambiks Gläubigen fand das Motto der Versöhnung großen Anklang. Mangels Geld oder Transportmöglichkeiten waren viele zu Fuß zur Messe im Stadion gekommen, teils von weit her. Eusidio Chavér, ein 19-jähriger Medizinstudent, nannte den Besuch des Papstes „sehr wichtig. Denn das Land durchläuft eine schwierige Phase. Wir sind mitten im Wahlkampf, da hilft die Botschaft von Frieden und Versöhnung. Und dann hatten wir ja die beiden Zyklone, die im Norden und im Zentrum des Landes so viel verwüstet haben. Da gibt uns die Botschaft des Papstes Hoffnung.“
Durch die Zyklone „Idai“und „Kenneth“im März und April dieses Jahres kamen mehr als 600 Mosambikaner ums Leben. Die Schadenssumme wurde auf 3,2 Milliarden USDollar geschätzt. Weder die verlorenen Ernten noch die zerstörten Dächer konnten bislang ersetzt werden. Das hat das Elend in Mosambik, ohnehin eines der ärmsten Länder der Welt, noch vergrößert.
Warum herrscht solche Not, wenn doch das Land so reich ist an Rohstoffen? „Paradoxerweise lebt eine große Zahl der Menschen unterhalb der Armutsgrenze“, sagte Franziskus in Zimpeto. Mucksmäuschenstill wurde es im Stadion, als er die zerstörerische Kraft der korrupten Netzwerke im Land verdammte: Es sei sehr gefährlich zu glauben, dass die Korruption „der Preis für ausländische Hilfe sei“. Und auch die Versöhnung, sagte der Papst, komme nicht ohne Opfer von allen Beteiligten zustande: „Man kann nicht die Zukunft planen, eine Nation aufbauen oder eine Gesellschaft gründen, die auf dem Gleichgewicht der Gewalt beruht.“
Militär greift Rebellen an
Wenig später meldeten lokale Medien, Regierungstruppen hätten das Hauptquartier militanter RenamoKämpfer im Zentrum des Landes angegriffen. Eine Splittergruppe der Renamo verweigert den Friedensschluss und will auch die Parlamentsund Präsidentschaftswahlen am 15. Oktober boykottieren. Wenn die jüngsten Meldungen zutreffen, hat sich die Frelimo-Regierung zu einer militärischen Antwort an die Abtrünnigen entschieden.
Indirekt äußerte sich der Papst auch zu mutmaßlichen Versuchen der Frelimo, die Wahlen zu manipulieren. Man dürfe nicht aus den Augen verlieren, sagte er, dass das Fehlen ausgeglichener Möglichkeiten sowie verschiedene Formen der Aggression und Gewalt früher oder später den Boden für eine Explosion bereiteten. Hintergrund: Seit Wochen streiten die Parteien in Mosambik über die Ergebnisse der jüngsten Wählerregistrierung – es gibt starke Indizien für eine Manipulation zugunsten der Regierungspartei.
Mahnende Worte des Papstes werden die Kreativität der Wahlbeeinflussung kaum aus der Welt schaffen. Im Gegenteil, viele Mosambikaner werten seinen Besuch als Wahlkampfhilfe für die Frelimo, etwa der Politologe Adriano Nuvunga vom Zentrum für Demokratie und Entwicklung: „Es ist ziemlich egal, was der Papst sagt. Allein seine Präsenz im Land ist eine Botschaft der Unterstützung für den Staat. Und dieser Staat wird nun mal von der Frelimo gestaltet, die auf diese Weise von der Anwesenheit des Papstes profitiert.“