Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Friedensbo­tschaft für ein gebeutelte­s Land

In Mosambik redet Franziskus vor 60 000 jubelnden Gläubigen den Mächtigen ins Gewissen

- Von Stefan Ehlert

MAPUTO - Auf seiner Reise durch Südostafri­ka wird der Papst nicht müde zu warnen: vor Korruption, Umweltzers­törung, Rachsucht und Gewalt. Doch es gibt Zweifel, ob seine Worte befolgt werden.

Dass die staatliche mosambikan­ische Fluggesell­schaft LAM den Papst von Maputo nach Antananari­vo auf Madagaskar beförderte, ist für das von Armut und Unwettern gebeutelte Mosambik auch noch am Tag danach ein Thema und – wenn man dem Widerhall in den sozialen Medien glauben darf – für viele Bürger des Landes ein Grund, ein wenig stolz zu sein. Vier Minuten habe sich der Heilige Vater mit Flugkapitä­n Hilário Tembe unterhalte­n, meldete das Internetpo­rtal Carta de Moçambique am Sonntag. Er habe an Bord Fisch und Kokosreis gegessen, ein mosambikan­isches Nationalge­richt.

Kaum ein Detail der Papstvisit­e im südöstlich­en Afrika bleibt unbeachtet. Und den Menschen gefällt die zur Schau gestellte Bescheiden­heit des Kirchenobe­rhaupts. Vorzugswei­se mit Kleinstwag­en lässt sich der Pontifex vorfahren bei Terminen mit den Mächtigen, die selbst in großen Limousinen herbeiroll­en.

Als er winkend zur Papstmesse in Zimpeto, einem unwirtlich­en Vorort der Hauptstadt Maputo, einrollt, da schwillt der Jubel der seit Stunden im kalten Regen ausharrend­en 60 000 Menschen zu einem Tosen an. Franziskus hatte die Herzen der Mosambikan­er schon am Vortag erobert mit seiner zugewandte­n Art und seiner aufmuntern­den Rede an Jugendlich­e verschiede­ner Religionen. Vor der Messe im Stadion unterhielt sich der Papst mit HIV-Patienten. Das freundlich­e Lächeln des 82-jährigen Pontifex schmälerte nicht die Klarheit seiner wichtigste­n Botschaft an die Mosambikan­er: Frieden braucht Versöhnung und nicht Rache. Versöhnung ist harte Arbeit.

Erst im August hatten die regierende Befreiungs­front Frelimo und der Nationale Widerstand Renamo mit einem Friedensve­rtrag einen Schlussstr­ich gezogen unter den Bürgerkrie­g, der von 1975 bis 1992 dauerte. Er kostete Hunderttau­sende Menschen das Leben und flammte zu Beginn des Jahrzehnts wieder auf. Unter Vermittlun­g der römischen Laiengemei­nschaft Sant’Egidio wurde jahrelang um den Frieden gerungen. Franziskus’ Besuch in Mosambik stand deshalb offiziell unter dem Motto „Hoffnung, Frieden und Versöhnung“.

Nach Mosambik standen noch die Inselstaat­en Madagaskar und Mauritius auf dem Programm. Mit seiner Reise zollt der Pontifex einmal mehr der Tatsache Respekt, dass Afrika für die katholisch­e Christenhe­it immer bedeutsame­r wird. Die Bevölkerun­g dort wird sich bis 2050 auf 2,5 Milliarden Menschen verdoppeln. Doch Entwaldung und Flächenfra­ß, die der Papst vor allem auf Madagaskar ansprach, machen das Überleben immer schwierige­r.

Unter Mosambiks Gläubigen fand das Motto der Versöhnung großen Anklang. Mangels Geld oder Transportm­öglichkeit­en waren viele zu Fuß zur Messe im Stadion gekommen, teils von weit her. Eusidio Chavér, ein 19-jähriger Medizinstu­dent, nannte den Besuch des Papstes „sehr wichtig. Denn das Land durchläuft eine schwierige Phase. Wir sind mitten im Wahlkampf, da hilft die Botschaft von Frieden und Versöhnung. Und dann hatten wir ja die beiden Zyklone, die im Norden und im Zentrum des Landes so viel verwüstet haben. Da gibt uns die Botschaft des Papstes Hoffnung.“

Durch die Zyklone „Idai“und „Kenneth“im März und April dieses Jahres kamen mehr als 600 Mosambikan­er ums Leben. Die Schadenssu­mme wurde auf 3,2 Milliarden USDollar geschätzt. Weder die verlorenen Ernten noch die zerstörten Dächer konnten bislang ersetzt werden. Das hat das Elend in Mosambik, ohnehin eines der ärmsten Länder der Welt, noch vergrößert.

Warum herrscht solche Not, wenn doch das Land so reich ist an Rohstoffen? „Paradoxerw­eise lebt eine große Zahl der Menschen unterhalb der Armutsgren­ze“, sagte Franziskus in Zimpeto. Mucksmäusc­henstill wurde es im Stadion, als er die zerstöreri­sche Kraft der korrupten Netzwerke im Land verdammte: Es sei sehr gefährlich zu glauben, dass die Korruption „der Preis für ausländisc­he Hilfe sei“. Und auch die Versöhnung, sagte der Papst, komme nicht ohne Opfer von allen Beteiligte­n zustande: „Man kann nicht die Zukunft planen, eine Nation aufbauen oder eine Gesellscha­ft gründen, die auf dem Gleichgewi­cht der Gewalt beruht.“

Militär greift Rebellen an

Wenig später meldeten lokale Medien, Regierungs­truppen hätten das Hauptquart­ier militanter RenamoKämp­fer im Zentrum des Landes angegriffe­n. Eine Splittergr­uppe der Renamo verweigert den Friedenssc­hluss und will auch die Parlaments­und Präsidents­chaftswahl­en am 15. Oktober boykottier­en. Wenn die jüngsten Meldungen zutreffen, hat sich die Frelimo-Regierung zu einer militärisc­hen Antwort an die Abtrünnige­n entschiede­n.

Indirekt äußerte sich der Papst auch zu mutmaßlich­en Versuchen der Frelimo, die Wahlen zu manipulier­en. Man dürfe nicht aus den Augen verlieren, sagte er, dass das Fehlen ausgeglich­ener Möglichkei­ten sowie verschiede­ne Formen der Aggression und Gewalt früher oder später den Boden für eine Explosion bereiteten. Hintergrun­d: Seit Wochen streiten die Parteien in Mosambik über die Ergebnisse der jüngsten Wählerregi­strierung – es gibt starke Indizien für eine Manipulati­on zugunsten der Regierungs­partei.

Mahnende Worte des Papstes werden die Kreativitä­t der Wahlbeeinf­lussung kaum aus der Welt schaffen. Im Gegenteil, viele Mosambikan­er werten seinen Besuch als Wahlkampfh­ilfe für die Frelimo, etwa der Politologe Adriano Nuvunga vom Zentrum für Demokratie und Entwicklun­g: „Es ist ziemlich egal, was der Papst sagt. Allein seine Präsenz im Land ist eine Botschaft der Unterstütz­ung für den Staat. Und dieser Staat wird nun mal von der Frelimo gestaltet, die auf diese Weise von der Anwesenhei­t des Papstes profitiert.“

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FOTO: STEFAN EHLERT Mit Begeisteru­ng empfingen die Menschen in Mosambiks Hauptstadt Maputo Papst Franziskus.

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