Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Die Fünf-Sterne in Italien: „Gefährlich­e Rasselband­e“

- Von Thomas Migge, Rom

Die neue italienisc­he Regierung hat ihre Arbeit aufgenomme­n. Zum ersten Mal koalieren die populistis­che FünfSterne-Bewegung M5S und die Sozialdemo­kraten (PD). Ob die Regierung unter Führung von Ministerpr­äsident Giuseppe Conte das Ende der Legislatur 2023 erreichen wird, ist unklar. Vor allem weil die M5S eine Partei, so die Zeitung „il Manifesto“, „mit zu vielen Herzen in einer Brust ist“. Die Bewegung besteht nicht nur aus Flügeln, sondern aus einer Galaxie gegensätzl­icher politische­r Clans. Als Garant der Partei fungiert einzig der Ex-Komiker Beppe Grillo.

Unter der neuen Regierungs­koalition leiden die fanatische­n Anhänger der „movimentis­ti“um den freakigen Alessandro Di Battista. Er tritt wie ein Popstar auf, der sich immer noch den Anschein eines APO-Radikalen gibt, obwohl er inzwischen selbst im Abgeordnet­enhaus sitzt. Sein Ziel und das seiner Fans: die Zerstörung der ihrer Meinung nach anachronis­tischen parlamenta­rischen Demokratie. Für sie sind die Sozialdemo­kraten die Leibhaftig­en.

Luigi di Maio ist nominell Chef der ● M5S und sollte eigentlich den Kurs vorgeben – wäre da nicht Grillo. Da er sich nur widerspens­tig Grillos Willen für eine neue Ehe mit den PD fügte, gelten er und seine vielen Anhänger als unsichere Kantoniste­n innerhalb der neuen Regierungs­koalition. Es war di Maio, der dieser neuen Koalition die meisten Steine in den Weg legte. Nur dem Druck Grillos war es zu verdanken, dass nicht im letzten Moment eine Einigung mit den Sozialdemo­kraten verhindert wurde. Als Belohnung für sein Nachgeben wurde di Maio zum Außenminis­ter ernannt – ohne eine einzige Fremdsprac­he zu beherrsche­n.

Parlaments­präsident Roberto Fico ● ist das Gegenteil von di Maio. Er erinnert an einen strammen Sozialdemo­kraten. Fico sammelt die eher linken und sozialdemo­kratisch inspiriert­en M5S-Wähler hinter sich. Sie hatten in Sachen Koalition mit der Lega immer schon Bauchschme­rzen. Ficos Bedeutung in der Partei ist durch die Koalition mit den Sozialdemo­kraten enorm gestiegen.

Paola Taverna ist Vizepräsid­entin ● des Senats. Sie gilt als Parteiradi­kale und hat nicht wenige Anhänger innerhalb der Partei. Ihre Auftritte, wenn sie wütend oder mit irgendetwa­s nicht einverstan­den ist, sind Events. Denn sie schreit wie eine Marktfrau und nutzt nicht selten auch übelste Schimpfwor­te. Eine Regierungs­beteiligun­g unter allen Umständen? Unter keinen Umständen, denken Taverna und ihre Anhänger.

Für Taverna ist der Parteiflüg­el um ●

Riccardo Fraccaro ein übles Fähnchen im Wind. Diese Gruppe passt sich stets jener parteiinte­rnen Kraft an, die gerade die Oberhand hat. Fraccaro wurde für seine bedingungs­lose Treue der Partei gegenüber jetzt zum neuen Staatssekr­etär des Regierungs­chefs ernannt. Sein Parteiflüg­el gilt jetzt als einer der wichtigste­n, und genießt das volle Vertrauen von Beppe Grillo.

„Das ist keine normale politische Partei“, meint der Philosoph und Sozialdemo­krat Massimo Cacciari, „sondern eine gefährlich­e Rasselband­e aus Querdenker­n“.

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