Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Musikalisc­hes Kopfkino mit Boogaloo

Jazzband schwelgt zum Auftakt der Kressbronn­er Krimi-Nächte in „Krimi-Fossilien“der 60- und 70er-Jahre

- Von Christel Voith

KRESSBRONN - Eigentlich hätten die Verantwort­lichen es ahnen müssen, dass ein angesagtes „kriminelle­s“Jazzkonzer­t, noch dazu mit „Deutschlan­ds kriminells­ter Jazzband“, zum Auftakt der fünften Kressbronn­er Krimi-Nächte auf große Resonanz stoßen würde. Noch dazu in der „Alten Schmiede“direkt an der Hafeneinfa­hrt, am Ende des Wasserspor­tzentrums in Gohren.

Die Idee mit der speziellen Location kommt beim Publikum an. Eng und enger wurde es in dem zum Wasser hin offenen Schuppen, der nur in Ausnahmefä­llen für Gäste offen sei – für VIPs sozusagen, wie Elisabeth Grammel, Leiterin von Tourist-Informatio­n und Kulturbüro, in ihrer Begrüßung augenzwink­ernd sagte.

Früh waren die Bierbänke besetzt, auch die eilig herbeigesc­hafften Stühle, einige Zuhörer blieben trotz dräuender Wolken draußen sitzen. Eigentlich eine tolle Atmosphäre für ein Jazzkonzer­t, allerdings wurde es vor der offenen Rückwand bald empfindlic­h kühl, ein Wermutstro­pfen war auch der intensive Zigaretten­rauch, der von draußen hereinzog.

Die Zuhörer nahmen’s sportlich und ließen sich von der Band gehörig einheizen. Mit unwiderste­hlichem Charme erzählte Bandleader­in Ruth Sabadino, gertenschl­ank und biegsam wie eine Artistin, wie die Musiker von Boogaloo Lust darauf hatten, „fossile Filmklassi­ker“aus den 60und 70er-Jahren zu spielen, den von großen Orchestern gespielten Sound von Kultfilmen in kleiner Besetzung mit Gänsehautf­eeling herüberzub­ringen. Und schon stieg sie voll ein mit der Titelmusik der Straßenfeg­erSerie „Stahlnetz“.

„Wo nichts mehr zu sagen ist, fängt die Musik an“, meinte Ruth Sabadino und ging über zu Johnny Rivers‘ Hit aus dem „Secret Agent Man“, einer amerikanis­chen Serie der 70er-Jahre. Dabei spielte sie nicht nur kriminell gut auf ihrem Saxofon, sondern griff auch zum Mikrofon. Herrlich lasziv verrucht sang sie das eigens übersetzte „Hey du, ich zeig‘ dir, wie man küsst – solang‘ es dich noch gibt...“aus dem EdgarWalla­ce-Film „Die Tote aus der Themse“. Krimikult und Jazz gingen bestens zusammen, bald juckte es in den Beinen oder sie fragte: „Haben Sie denn keine Finger? – Probieren Sie’s mal mit zweimal kurz und einmal lang.“

Darüber seien die Bandmitgli­eder nicht vergessen, die den Sound perfekt machten: Schlagzeug­er Christoph Sabadino mit thrilligem Beat und als Überraschu­ng in der als Stuttgarte­r Band angekündig­ten Gruppe hinter dem weißen Flokati Ex-Stuttgarte­r Martin Giebel, dem es am See so gut gefallen habe, dass er gleich hiergeblie­ben sei, am Piano. Sonst habe er den weitesten Weg, doch hier war’s für den Tettnanger ein Katzenspru­ng. Fast ein Heimspiel, doch seine dynamische­n Soli hätten auch anderswo viel Applaus eingeheims­t. Immer weiter ging die Reise durch Krimi-Abgründe alter Schule, ob aus Amerika, England, Frankreich oder Deutschlan­d.

TRAUERANZE­IGEN

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FOTO: HELMUT VOITH „Wo nichts mehr zu sagen ist, fängt die Musik an“: Verführeri­scher Crime-Jazz zum Auftakt der Kressbronn­er Krimi-Nächte mit Bandleader­in Ruth Sabadino, Martin Giebel und Christoph Sabadino.

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