Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Charles I., König von Ferrari
Vettel dreht sich, Leclerc siegt – ausgerechnet in Monza vollzieht sich die Wachablösung
MONZA (dpa/SID) - Im roten Tollhaus von Monza ließ sich Charles Leclerc als neuer König von Ferrari feiern, Sebastian Vettel schob nach einem Fiasko dagegen Frust. Schwer geschlagen kam der Hesse am Sonntag nach einem Dreher und einer Zeitstrafe als 13. ins Ziel. „Ein guter Tag fürs Team, aber kein guter Tag für mich“, sagte Vettel, der seine Augen hinter einer dicken Sonnebrille versteckte und die Arme vor seinem Körper verschränkt hielt.
Das persönliche Debakel des viermaligen Weltmeisters beim FerrariHeimrennen im königlichen Park von Monza hatte sich durch den Sieg des jungen Teamkollegen Charles Leclerc nur noch verschlimmert.
Die Gesänge der Tifosi galten diesmal allein seinem Stallrivalen Leclerc, der mit einer knallharten Triumphfahrt für den ersten Formel-1-Sieg der Scuderia in Italien seit neun Jahren gesorgt hatte. „Was für ein Rennen, ich war noch nie so erschöpft“, sagte der 21-Jährige und fügte auf italienisch hinzu: „Ein Traum ist wahr geworden.“
„Er fährt wie ein Idiot auf die Strecke zurück“
Der neue Boss beim Traditionsrennstall heißt Leclerc. Die Fans stürmten die Strecke, sie schwenkten ein riesiges Ferrari-Banner und zündeten Bengalos, als der Monegasse auf dem Podium seinen zweiten Sieg nacheinander feierte. Die Jubelschreie erreichten in Hörweite auch Vettel, dem all die Zuneigung für Leclerc nicht entgangen sein dürfte.
„Ich bin nicht zufrieden mit meiner Leistung“, sagte Vettel nach seiner Fahrt auf Rang 13 mit leiser Stimme, „was das für die Situation im Team bedeutet, ist mir eigentlich erst mal egal.“Rückendeckung erhielt Vettel allerdings von Teamchef Mattia Binotto. „Wir sind sehr müde, aber sehr, sehr glücklich. Charles ist sehr gut gefahren“, sagte Binotto, ehe er Vettel in Schutz nahm: „Es ist eine Schande, was ihm passiert ist. Er hatte eine gute Pace. Es ändert nichts an der Ausrichtung im Team. Wer gewinnen kann, soll gewinnen.“
Wie viel Wert die warmen Worte haben, wird sich erst noch zeigen müssen, denn es war nicht der erste Blackout Vettels. Die Szene des Rennens spielte sich bereits in der siebten Runde ab.
In der dritten Schikane leistete Vettel sich auf Rang vier liegend einen Dreher, direkt danach folgte der nächste große Patzer. Bei der Rückkehr auf die Strecke touchierte er das Auto von Racing-Point-Pilot Lance Stroll. „Er fährt wie ein Idiot auf die Strecke zurück“, schimpfte der Kanadier per Funk. Vettel musste sich einen neuen Frontflügel holen und fiel ans Ende des Feldes zurück, zudem bekam er nach dem Manöver gegen Stroll eine zehnsekündige Stop-and-Go-Strafe.
„Eine kleine Unachtsamkeit, und schon hatte ich das Auto verloren. Da war klar, dass der Zug abgefahren ist“, sagte Vettel. „Dann wollte ich zurück auf die Strecke. In der Situation habe ich nichts gesehen, das habe ich auch nicht gut gemacht.“
Das Italien-Rennen galt für den 32-Jährigen als wegweisend: Eine erneute Niederlage im Teamduell vor den Augen Tausender Italiener und Piero Ferrari, dem Sohn des legendären Firmengründers, hatte sich Vettel nicht leisten dürfen. Das Zustandekommen der Pleite dürfte seine Rolle als Nummer zwei der ruhmreichen Scuderia nun letztlich zementiert haben.
Leclerc (182 Punkte) zog damit auch in der WM-Wertung an Vettel (169) vorbei. Spitzenreiter bleibt Mercedes-Superstar Lewis Hamilton (284), der auf seinen sechsten WM-Titel zusteuert. „Es war nicht ganz unser Tag, aber wir haben gute Punkte geholt“, sagte er: „Ich denke noch nicht an den Titel, auch wenn die Führung beruhigend ist.“